CDU-Fraktionchef Peter Hauk diskutiert mit Demonstranten. Die Nationalparkbefürworter feiern nach der Abstimmung vor dem Landtag das Ergebnis jubelnd. Zuvor hatten die Gegner noch einmal ihren Unmut kundgetan. Foto: Rebstock

Landtag sagt ja. Gegner aus dem Schwarzwald blasen Grün-Rot vergeblich den Marsch. Zustimmung bei Kommunalpolitikern.

Stuttgart/Freudenstadt - Eigentlich sollte es gestern vor allem im Landtag hoch hergehen. Eigentlich. Doch bereits vor der Sitzung kochen vor dem Stuttgarter Kunstgebäude die Emotionen hoch. Rund 300 Gegner, die mit sechs Bussen aus dem Schwarzwald angereist sind, begrüßen die Abgeordneten teils mit lautstarkem Protest. "Unser Nordschwarzwald", skandieren sie, lassen Jagdhörner erschallen und pfeifen vor allem die Minister der Grünen aus. Auf den Transparenten stehen Sätze wie: "Hände weg von unserem Wald" und "Machtgier ist unersättlich".

Vor allem Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Naturschutzminister Alexander Bonde (beide Grüne) schlägt gestern die Wut der Demonstranten entgegen. Die beiden versuchen noch vor der Plenardebatte, mit Gegnern ins Gespräch zu kommen – vergebens. "Was sind denn Eure Argumente?", fragt Kretschmann. Doch er findet kein Gehör. Aufgrund der Sprechchöre ist an keine Diskussion zu denken. Kretschmann lädt dennoch sechs Nationalparkgegner zu einem Gespräch in den Landtag ein. Ein Zeichen des guten Willens. Doch es ist zu spät. Die Gräben sind zu tief. Ein Teilnehmer – Wolfgang Tzschupke, Nationalparkgegner der ersten Stunde – verlässt die Unterredung vorzeitig. "Das war nur eine reine Schauveranstaltung", sagt er gefrustet. Man habe die Positionen ausgetauscht. Vonseiten der Regierung habe es kein Entgegenkommen gegeben.

Auch im Parlament geht es kurze Zeit später hoch her. Während die Landesregierung vehement ihr Projekt verteidigt, spart die Opposition nicht mit Kritik. Kretschmann sieht im Nationalpark ein Projekt von "unschätzbarem Wert". Der Park sei ein immens wichtiger Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt und gerade für ein Industrieland wie Baden-Württemberg eine große Herausforderung. Außerdem: Der Nationalpark umfasse gerade einmal 0,7 Prozent der Waldfläche Baden-Württembergs. Diese Relationen müsse man sich immer wieder vor Augen halten.

Kretschmann führt zudem an, dass noch nie Bürger so früh in einen derartigen Prozess einbezogen worden seien. "Der Gesetzentwurf trägt auch die Handschrift der Region sowie der Kritiker", betont der Regierungschef.

Die CDU sieht das ein wenig anders. Zwar räumt der forstpolitische Sprecher der CDU, Patrick Rapp, ein, dass die Einrichtung eines Nationalparks grundsätzlich richtig sei. Das Modell der Landesregierung berücksichtige aber zu wenig die Belange der Betroffenen. Ein Nationalpark könne nur funktionieren, wenn man die Bürger vor Ort mitnehme, sagt Rapp, und verweist auf Abstimmungen in mehreren betroffenen Gemeinden mit teils sehr deutlicher Ablehnung. CDU-Fraktionschef Peter Hauk schlägt in die gleiche Kerbe: "Wir zeigen Ihnen, wie richtige Bürgerbeteiligung geht", sagt er und bezieht sich dabei auf den Bürgernationalpark – das alternative Konzept der CDU-Fraktion. Und er fügt hinzu: "Das, worüber wir heute abstimmen, wird nicht in Stein gemeißelt sein." Soll heißen: Wenn die CDU nach der Landtagswahl an der Macht ist, wird das Gesetz verändert.

Der Grünen-Abgeordnete Markus Rösler spricht hinsichtlich des CDU-Bürgernationalparks von einem "Bonsai-Nationalpark" ohne Wert für den Naturschutz. Der SPD-Abgeordnete Thomas Reusch-Frey verteidigt den grün-roten Park ebenfalls: "Das wird ein Markenzeichen, das gut zu uns passt und das uns gut stehen wird."

Der weitere Verlauf der Sitzung ist absehbar. Die bekannten Argumente werden ausgetauscht. Hier SPD und Grüne, dort CDU und FDP. Hauptargument für den Nationalpark beibt bis zum Schluss der Natur- und Artenschutz. Mehrfach wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Feld geführt, weil sie das Ziel ausgegeben hatte, dass sich bis 2020 fünf Prozent des deutschen Waldes vollkommen frei entwickeln sollen.

CDU-Abgeordneter Günther-Martin Pauli stimmt für das Projekt und somit gegen die eigene Fraktion

Am Ende wird das Gesetz in namentlicher Abstimmung mit der grün-roten Mehrheit verabschiedet. Lediglich der CDU-Abgeordnete Günther-Martin Pauli stimmt für das Projekt und somit gegen die eigene Fraktion. Der 48 Jahre alte Landrat des Zollernalbkreises fällt damit nicht zum ersten Mal mit eigenständigen Aktionen auf: 2006 stimmte er beim Landesparteitag gegen die Koalitionsvereinbarung mit der FDP. Er befürchte damals, dass das Land von seinem Schuldenberg nicht herunterkommen werde, sagte er. 2010 versuchte er, eine Bundesrats-Initiative der damals noch schwarz-gelben Landesregierung zur Abschaffung der Sommerzeit zu starten. Die Sommerzeit habe keinen praktischen Nutzen. Das Innenministerium pfiff ihn jedoch zurück.

Die Landesregierung will nun nach der Verabschiedung des Gesetzes den Nationalpark, dem ersten in Baden-Württemberg, nach eigenem Bekunden möglichst schnell auf den Weg bringen. Schon zum 1. Januar 2014 soll das Projekt starten. Das 10 000 Hektar große Naturschutzgebiet soll rund um den Ruhestein bei Baiersbronn und den hohen Ochsenkopf bei Baden-Baden entstehen. Dort wird der Schwarzwald im Wesentlichen sich selbst überlassen, auf dem Weg zum Urwald ist aber eine Übergangszeit von 30 Jahren geplant.

Die Reaktionen vor Ort auf die Entscheidung des Landtags fallen geteilt aus. Dieter Geisler vom Verein "Unser Nordschwarzwald" ist vom Ergebnis nicht überrascht. Die Landesregierung werde nun wohl mit "eisernem Besen" durchfegen, vermutet er und prophezeit: "Am Ende wird es nur Verlierer geben." Doch auch nach der gestrigen Abstimmung werden die Projektgegner ihre Arbeit fortsetzen, kündigt Geißler an. Der Verein will seine Informationen und sein Wissen ins Alternativ-Konzept der CDU einfließen lassen und einen Bürgernationalpark mitentwickeln. "Stillstand will keiner, aber wir wollen das Gute bewahren und innovative Elemente einarbeiten", sagt Geißler zu seinen Erwartungen an das CDU-Konzept.

Freudenstadts Landrat Klaus Michael Rückert (CDU) freut sich indes auf den Start des Nationalparks im nächsten Jahr: "Das wird eine spannende Sache", meint er. Wichtig ist Rückert dabei, dass die Kritiker des Projekts bei der Entwicklung des Parks mitgenommen und überzeugt werden können. "Wir müssen beweisen, dass wir das Borkenkäferproblem im Griff haben und es keine negativen Auswirkungen für die Sägewerke gibt. Außerdem müssen wir die Menschen in der Region und die Besucher mit interessanten Angeboten an der Entwicklung des Parks teilhaben lassen", meint der Landrat. Als Vorsitzender des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord legt Rückert der Landesregierung eine Flanke vor: "Die Naturparkregion ist die geborene Nationalparkregion", meint er, dann wären touristisch auch die Calwer wieder im Boot, deren ursprünglich vorgeschlagener Parkanteil im Raum Kaltenbronn nicht mehr in der jetzigen Kulisse ist.

Auch Baden-Badens Oberbürgermeister Wolfgang Gerster (CDU) freut sich, dass der Nationalpark kommt: "Das ist ein neuer Weg und ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Region", meint er. Was den Widerstand gegen das Projekt anbelangt, ist er optimistisch: "Ich glaube, dass auch Kritiker von heute sich an den Park gewöhnen werden und die Zustimmung zu dem Projekt in Zukunft höher sein wird", sagt er. Das habe sich in der Vergangenheit auch bei umstrittenen Projekten in Baden-Baden stets gezeigt.

Die Nationalparkbefürworter feiern nach der Abstimmung vor dem Landtag das Ergebnis jubelnd. Unter ihnen auch Naturschutzminister Bonde, SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel und NABU-Landeschef Andre Baumann. "Im Namen der Menschen, Tiere und Pflanzen im Nordschwarzwald sagen wir Danke", hieß es in einer Mitteilung von WWF, Greenpeace, NABU, BUND und des Freundeskreises Nationalpark. Die Harmonie wird nur noch einmal kurz gestört, als zwei Nationalparkgegner ihren Unmut kundtun. Der Großteil der Demonstranten hatte sich schon auf den Heimweg oder zum nahegelegenen Weihnachtsmarkt begeben. Sie warteten die Entscheidung nicht mehr ab. Sie kannten sie schon vorher.