Verkaterte Bäcker unter sich: Erich (links) und Karl sind auf nächtlicher Tour versumpft. Die Bäckersgattinnen Angelika (links) und Traudel sind noch richtig angetörnt. Fotos: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Bei der Premiere des neu gegründeten Stadttheaters Freudenstadt sorgt "Reizwäsche" für Turbulenzen

Von Gerhard Keck

Freudenstadt. Mit 60 Besuchern im Kurtheater bei der Premiere des Stücks "Reizwäsche", mit dem das neu gegründete Stadttheater Freudenstadt die kulturelle Szene ein wenig aufmischen will, ist dem Ensemble ein ordentlicher Start gelungen.Die Handlung der recht schrägen Komödie kreist weitgehend um ein Stückchen Stoff, das nur so tut, als handle es sich um praktische Unterwäsche, das in Wirklichkeit jedoch eindeutige Signale sendet: der String.

Dieses Teilchen führt dazu, dass es im Hause des Bäckermeisters Schweizer drunter und drüber geht. Meister Karl, "Charly, das Untier", und sein Kollege Erich haben sich in eine sündige Meile gestürzt, statt, wie vorgegeben, auf der drögen Innungs-Jahresversammlung vor sich hinzudämmern. Die Gattinnen kommen den Kerlen auf die Schliche und holen zum Gegenschlag aus. Ihr erotisches Abenteuer mündet in ein Bäumchen- wechsle-dich-Spiel, das allerhand Turbulenzen nach sich zieht.

Richtig peinlich wird es, als die beiderseitigen nächtlichen Eroberungen auftauchen. Da sind dann recht abenteuerliche Erklärungen und darüber hinaus Treue- und Reueschwüre gefragt. Überraschende verwandtschaftliche Beziehungen werden bei der Gelegenheit unerwartet aufgedeckt. Am Ende fügt sich alles, wie es sich gehört: Die Töpfchen finden ihr passendes Deckelchen.

"Reizwäsche" ist ein Stück von Els Junginger unter der Regie von Tatjana Haag und Tim Schmid alias Jack van Cuusen, der in der Rolle des Karl Schweizer agiert. Die bodenständige Gattin Erichs, Traudel, die in dem Tohuwabohu halbwegs kühlen Kopf bewahrt, ist eine Angelegenheit von Alexandra Folkers. Johanna Olbrich gibt Karls blondes Schmusekätzchen, das seine hübschen Beine ein ums andere Mal kokett aus dem Morgenmantel blitzen lässt.

Internationales Flair verpasst diesem provinziellen Mikrokosmos der alternde französische Nachtklubsänger Charles Henry de Pontiac, der von Mika Metz mit viel Akzent und Charme ausgestattet wird. Er umgarnt Karls Mutter und entdeckt in ihr schließlich seine alte Liebe wieder. Christine Kallfaß bedient mit großem Einsatz und Überzeugungskraft das Klischee des schwiegermütterlichen Drachens, dem dieser Sündenpfuhl unsäglich gegen den Strich geht. Aber es erweist sich: Sie kann aber auch ganz anders.

Boris Manns punktet als Karls Saufkumpan Erich. Der Knaller aber ist zweifellos die Stripperin "Marlen vom scharfen Eck" mit ihren endlos langen Beinen in waffenscheinpflichtigen High Heels, einem Kleidchen, das mehr offenlegt, als es zudeckt, und einer höchst professionellen Körpersprache und Mimik. Camilla Kallfaß fühlt sich in der Rolle der "Bordsteinschwalbe" und des schwarzhaarigen Gifts erkennbar pudelwohl.

Es gehört zur Dramaturgie des Stücks, dass sich Hochsprache und Mundart mischen. So sehr der Dialekt an anderer Stelle seine Berechtigung hat und sogar unverzichtbar ist, erinnert er in dieser Konstellation mitunter zu stark an den Auftritt der durchaus ehrenwerten Theatergruppe einer Freiwilligen Feuerwehr. Hervorzuheben sind noch Jeanette Kern und H. Nuhowisch, die für Maske beziehungsweise Bühnenbild verantwortlich zeichnen.

"Reizwäsche" offenbart in eineinhalb Stunden immense Lust am Spiel mit streckenweise sehr beachtlichen darstellerischen Qualitäten. Dem Ensemble des neu gegründeten Stadttheaters ist zu wünschen, dass es sich von dem (noch) verhaltenen Publikumszuspruch nicht entmutigen lässt.