Stellten die am Krankenhaus Freudenstadt neu eingerichtete Stationäre Multimodale Schmerztherapie vor (von links): Physiotherapeut Oliver Viehmann, Isolde Seyler-Würth, Fachärztin für Anästhesiologie mit der Zusatzqualifikation spezielle Schmerztherapie, Ilse Becker, ärztliche Psychotherapeutin, die Psychologin Angelika Bleier, Ralf Heimbach, Geschäftsführer der KLF, und Hermann Schwarz, unter anderem Facharzt für Orthopädie mit der Zusatzqualifikation spezielle Schmerztherapie. Foto: Michel Foto: Schwarzwälder-Bote

Medizin: Krankenhaus Freudenstadt setzt auf Stationäre Multimodale Therapie / Oft lange Leidensgeschichte

Patienten mit chronischen Schmerzen haben oft eine jahrelange Odyssee hinter sich. Wenn der Schmerz sich verselbstständigt, ist das für die Betroffenen oft ein Teufelskreis. Dort setzt die Stationäre Multimodale Schmerztherapie an, die seit August im Krankenhaus Freudenstadt eingerichtet ist.

Freudenstadt. "Die Alarmanlage selbst hat das Problem", beschreibt Hermann Schwarz, unter anderem Facharzt für Orthopädie mit der Zusatzqualifikation spezielle Schmerztherapie, die Situation, wenn der Schmerz nicht mehr seiner Funktion als Warnsignal nachkommt, sondern selbst das Problem ist. Das, was dann behandelt werden müsse, sei der Schmerz, stellt Schwarz bei einem Pressegespräch gemeinsam mit Mitgliedern des Teams, das am Krankenhaus für die Stationäre Multimodale Schmerztherapie gebildet wurde, fest. Es gehe um Patienten, die sehr starke Schmerzen haben, die sich ambulant nicht behandeln lassen, so Schwarz bei der Vorstellung des Angebots. Viele der betroffenen Patienten hätten schwere Begleiterkrankungen.

Interdisziplinäre Betreuung

Seit August gibt es das Angebot. Zurzeit wird die fünfte Gruppe stationär im Krankenhaus behandelt. Dabei werden die Patienten grundsätzlich interdisziplinär betreut. Zum Team gehören Ärzte, Physio- und Psychotherapeuten. Außerdem hat das Schmerztherapie-Team die Möglichkeit, mit weiteren Abteilungen des Krankenhauses zusammenzuarbeiten. Auch schon bei der Diagnostik könne auf die anderen Abteilungen zurückgegriffen werden, erklärt Isolde Seyler-Würth, Fachärztin für Anästhesiologie mit Zusatzqualifikation spezielle Schmerztherapie. Behandelt werden alle Formen chronischer Schmerzen, von Rückenschmerzen bis zu Kopfschmerz.

Behandelt wird immer eine Gruppe zwischen vier und acht Männern und Frauen. 17 Tage lange bleiben die Patienten im Krankenhaus. Dabei soll der Patient auch Werkzeuge an die Hand bekommen, um selbst aktiv zu werden, um den Schmerz zu lindern und mit ihm umzugehen. Als Beispiel nennt die Psychologin Angelika Bleier Entspannungsverfahren. Das Motto der Stationären Multimodalen Schmerztherapie am Krankenhaus Freudenstadt lautet "Gemeinsam den Schmerz besiegen und Lebensfreude wieder gewinnen".

Ziel sei, so Ilse Becker, ärztliche Psychotherapeutin, dass die Betroffenen lernen, sich nicht von ihrem Schmerz kontrollieren zu lassen, sondern ihn kontrollieren zu können. Oft machten die eigenen Gedanken, das Gefühl, nichts mehr zu können, den Menschen zusätzliche Probleme. So gehe es auch um eine gedankliche Umstrukturierung, darum, sich wieder mehr zu trauen, mutiger zu werden.

Eines stellen die Fachleute klar. Es gehe nicht um eingebildete Schmerzen. "Die Patienten haben etwas, sie haben einen massiven Leidensdruck", sagt Angelika Bleier.

In dem Bereich gebe es eine chronische Unterversorgung, so die Fachleute. In den Einrichtungen, die eine solche Therapie anbieten, gibt es laut Ralf Heimbach, Geschäftsführer der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH (KLF), in der Regel Wartelisten. Sieben Jahre dauere es im Durchschnitt, bis ein Schmerzpatient adäquate Hilfe bekomme, beschreibt Isolde Seyler-Würth, welche Odyssee Schmerzpatienten oft hinter sich bringen müssen. Im Zusammenspiel der Multimodalen Schmerztherapie fühlten sich viele zum ersten Mal verstanden und ernstgenommen, fügt Ilse Becker hinzu.

Die Voraussetzungen zur stationären Behandlung:

 Eine chronische Schmerzkrankheit, bei der der Schmerz sich verselbstständigt hat und das führende Problem ist und nicht anderweitig beseitigt werden kann.

 Ausgeprägter, schwerer Schmerz und erhebliche Beeinträchtigung des Patienten.

 Fehlschlag oder nicht ausrechender Erfolg der bisherigen ambulanten Behandlung.

 Erschwerende seelische Belastungen.

 Die Bereitschaft, aktiv mitzuarbeiten.

 Die Bereitschaft für eine psychotherapeutische Verhaltenstherapie und für eine aktive Physiotherapie.

 Keine aktuell laufenden Rentenanträge oder Sozialgerichtsverfahren.