Wegen Bagatellen am Internetpranger landen - das fürchten Gastronomen im Kreis Freudenstadt. (Symbolbild) Foto: Pixabay

Kritik kann laut Dehoga teilweise existenzbedrohend sein. "Das Netz vergisst nie."

Kreis Freudenstadt - Erneuter Aufwärtstrend bei den Gästezahlen, altbekannte "Baustellen" wie Arbeitszeit und Mehrwertsteuer sowie neue Ärgernisse: Eine gemischte Bilanz zog die Kreisstelle Freudenstadt des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Aktueller Aufreger sind "Internetpranger".

Dabei läuft es für die Gastronomen und Hoteliers im Landkreis weiterhin rund. Die Branche im Land erlebe das achte Rekordjahr in Folge, so Kreisvorsitzende Beate Gaiser am Montag in der Mönchhof-Sägemühle in Vesperweiler. Sie investiere. Die Bettenauslastung von 42,6 Prozent der Hotels und Herbergen im Kreis bezeichnete sie als "nicht schlecht". Die breite Masse der Betriebe verzeichne einen Jahresumsatz von durchschnittlich rund 375 .000 Euro; nur knapp sechs Prozent der Häuser setze mehr als eine Million Euro um.

434 Betriebe gebe es aktuell im Kreis. Seit 2008 habe die Branche im Kreis damit 82 Betriebe verloren, vor allem Dortwirtshäuser. "Der Trend hat sich leider fortgesetzt und wird sich eher noch verschärfen", so Gaiser. Die Ertragslage einiger Betriebe sei trotz höherer Umsätze "unbefriedigend". Das führe zu Investitionsstau und raube Zukunftsperspektiven.

Auch zunehmender Aufwand durch Verordnungen und Gesetze mache es für kleinere Betriebe "schwierig bis teils unmöglich", einen Betriebsnachfolger zu finden, wenn die Inhaber die Altersgrenze erreicht hätten. Weiteres großes Problem sei es, Personal zu finden. 4900 Stellen böten Restaurants und Hotels im Landkreis, davon 2850 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Der Rest sind Aushilfsjobs. Um den Bedarf decken zu können, sei die Branche auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Immerhin sei bei den Lehrverträgen "der Abwärtstrend gestoppt".

Der Dehoga als Servicestelle und Interessenverband sei dafür "sehr gut aufgestellt", die Zahl der Mitgliedsbetriebe mit 215 (minus sechs) vergleichsweise konstant. Über den Fachausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) sei es gelungen, die Kammer zu einem öffentlichen Standpunkt zu bewegen: einen einheitlichen Mehrwehrsteuersatz für Speisen zu fordern.

Das bekräftigte auch Jörg Möhrle, ebenfalls Vorsitzender, der nach zwei Jahren im rollierenden System die offizielle Leitung des Dehoga im Kreis von Beate Gaiser übernimmt. 19 Prozent Mehrwertsteuer für Gasthäuser, an denen Servicekräfte das Essen an den Tisch bringe, und nur sieben Prozent für die Anbieter, die Speisen etwa zum Mitnehmen anbieten, sei paradox. "Dadurch wird Arbeit bestraft", so Möhrle.

Neues Denunziantentum?

Dorn im Auge ist Möhrle auf die Gewerkschaft Nahrungsmittel-Gaststätten-Genuss (NGG), die "alle 14 Tage gegen die Arbeitgeber" schieße. "Ich habe das satt", so der Vorsitzende. Ein "fairer Dialog" mit der Gewerkschaft sei "nicht möglich". Die NGG erinnere ihn an einen Kugelfisch, "der eigentlich ganz klein ist und sich nur aufbläst". Sie ruiniere mit "haltlosen Behauptungen" den Ruf der Branche. NGG-Kritik an Arbeitsbedingungen wies Möhrle zurück. "Wir behandeln unsere Mitarbeiter gut und pflegen sie. Betriebe, die das nicht tun, wird es in zehn Jahren auch nicht mehr geben." Die Branche beschäftige etwa 50 Prozent Frauen, auch in Führungspositionen, und 44 Prozent ausländische Kräfte. Sie stelle auch Jobs zu Mindestlohn-Bezahlung, was für Möhrle nichts Schlechtes sei, im Gegenteil: "Wir holen die letzten Arbeitslosen von der Straße, mit allen positiven gesamtwirtschaftlichen Folgen."

Ein Plus von zwei Prozent bei den Gästeankünften im Jahr 2018 sei "ordentlich". Auch die Bemühungen im Kreis, die Branche als attraktiven Ausbilder ins Licht zu rücken, zahle sich aus. Das Gastromobil habe 2018 rund 600 Schüler angelockt, es sei auch diesen Herbst bei der Ausbildungsmesse in Freudenstadt vor Ort. Darüber hinaus gebe es Projekte mit Schulen. Auf der anderen Seite werde mit weiteren Auflagen und Verordnungen "jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben".

Was das im Einzelfall bedeutet, erklärte Markus Fricke, Geschäftsführer der Dehoga-Geschäftsstelle in Baden-Baden: Mindestlohn-Dokumentation, Verpackungsverordnung, Zollkontrollen – in einer Reihe von Novellen sei es dem Verband gelungen, zu pragmatischen Lösungen zu kommen. In anderen strittigen Fragen wie dem Arbeitszeitgesetz sei "der Weg steinig". Aktuell sei der Dehoga dabei, die aus schlimmsten Bedrohungen durch "Internetpranger" oder neue Vereine wie "Topf Secret" abzuwenden. "Wir haben nichts gegen Hygiene und Kontrollen", so Fricke. Allerdings sei selbst der Bund der Lebensmittelkontrolleure gegen neue Vereine, die Behörden mit Musterbriefen lahmlegen. Über Internetportale könne der Ruf von Betrieben beschädigt werden, noch ehe ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sei. Das könne existenzbedrohend sein. "Denn das Netz vergisst nie", so Fricke. Ab 350 Euro Bußgeld nach einer Kontrolle sollen die beanstandeten Betriebe sechs Monate lang im Internet gelistet werden. Aus Sicht des Dehoga sei der Betrag viel zu niedrig; bereits für "Bagatellen" könnten Gasthäuser am Pranger stehen, so die Sorge. Der öffentliche Aufruf von "Topf Secret", Verstöße zu erfragen und dem Verein zu melden, fördere das Denunziantentum.

Gäste der Versammlung waren die Bürgermeister von Waldachtal, Freudenstadt, Dornstetten und Glatten, Annik Grassi, Stephanie Hentschel, Bernhard Haas und Tore Derek Pfeifer, ferner die Tourismus-Chefs von Freudenstadt und Baiersbronn, Michael Krause und Patrick Schreib, sowie Tourismus-Pfarrerin Heike Hauber.