Politik: Hans-Joachim Fuchtel sieht nur noch wenig Spielraum / Theurer spricht von mutlosem "Weiterso"

Kreis Freudenstadt (mam/if/gw). Jetzt starteten erst die Verhandlungen mit der Union zur Großen Koalition, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken, die beim Parteitag selbst für die Aufnahme der Verhandlungen gestimmt hat. Es gehe vor allem um den Familiennachzug und die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung bei Arbeitsverträgen. Zuvor seien es Sondierungen gewesen, ob man zueinander finden könne, betonte sie. Von "Nachverhandlungen" könne keine Rede sein. Ansonsten freue es sie, dass die Debatte nicht nur innerhalb der Partei auf großes Interesse gestoßen sei.

"Ich war schon 2013 gegen die GroKo, ich bin es auch jetzt. Die Gemeinsamkeiten, in aller erster Linie mit der CSU, sind aufgebraucht", sagt die neue SPD-Kreisvorsitzende Viviana Weschenmoser. "Grundsätzlich ist jede Regierung, die mit der Sozialdemokratie stattfindet, eine sozialere Regierung. Wenn man diese dicken Kröten schlucken soll, dann passt das nicht zur Sozialdemokratie."

Debatte stärkt die Demokratie

Weschenmoser nennt etwa die Asyl- und die Gleichstellungspolitik. In einer Resolution im Dezember hatte sich der Kreis-Vorstand bereits gegen die GroKo ausgesprochen. "Ich finde aber, man muss ein demokratisches Ergebnis akzeptieren, auch wenn es nicht das eigene ist." Die Debatte sei aber auf alle Fälle eine Stärkung für die Demokratie.

Eberhard Haug, Kreisrat und Fraktionsvorsitzender der SPD im Freudenstädter Gemeinderat, ist ebenfalls gegen eine Koalition mit der Union. Das Vertrauen sei etwa nach der Affäre um die Glyphosatabstimmung weg, und auch die Gemeinsamkeiten seien aufgebraucht, sagte er. Aber es gebe noch Spielraum bei den Koalitionsverhandlungen. Die Ergebnisse der Sondierung seien eine andere Sache. Er sieht eine Alternative in einer Minderheitsregierung der Union.

Die SPD könnte bei der nächsten Wahl in beiden Fällen Stimmen verlieren – bei einer Koalition oder bei einer Absage an die CDU. Aber Mitglieder hätten zumindest weder bei einer Koalition noch bei einer Absage mit Austritten gedroht.

Er sei froh, dass sich die SPD für Koalitionsverhandlungen entschieden habe, auch wenn es nur eine knappe Mehrheit gewesen sei, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Fuchtel. Er hoffe, dass sich bald eine stabile Regierung bilde. Großen Spielraum sehe er allerdings nicht mehr bei den Verhandlungen, sonst hätte man ja nicht sondieren müssen. Bei der Großen Koalition gebe es viele Akzente, die auch im ländlichen Raum ankommen würden, sagte Fuchtel.

Bürger und Besucher geteilter Meinung

"Das ist eine GroKo auf Abruf", teilte Michael Theurer, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und Vorsitzender der Liberalen im Land, mit. Die Union werde noch so "manchen faulen Kompromiss mitmachen", damit Angela Merkel noch einmal Kanzlerin wird. Die Koalition sei jetzt gescheitert. Er nannte sie ein "mutloses Weiterso".

Die Bürger und Besucher der Region sind ebenfalls geteilter Meinung. "Es ist sehr wichtig, dass die Große Koalition zustande kommt", meint ein Urlauber aus Herrenberg. Man brauche ja schließlich eine Regierung und es gebe eigentlich keine Alternative. "Außerdem wurden die Parlamentarier ja gewählt, um endlich zu regierten", fügt er noch an, "alles andere macht keinen Sinn."

Ein Unternehmer aus Baiersbronn ist da deutlich wütender: "Das ist absoluter Bullshit, was unsere Politik da macht! Die scheitert auf jeder Ebene." Ob links, rechts oder dazwischen, eigentlich sei es egal, was man wähle. Für ihn seien die Politiker längst keine Volksvertreter mehr.

"Schauen wir mal, was es bringt", meint wiederum ein Paar aus Bretten. Die jetzige Lage sei immerhin besser als Neuwahlen. Wenn nun vernünftige Koalitionsgespräche geführt werden, sei die Große Koalition eine gute Lösung.