Kind der Stieftochter unsittlich berührt. Beweislage nicht überzeugend genug. Im Zweifel für den Angeklagten.
Freudenstadt - Widersprüchliche Aussagen, zweifelhafte Darstellungen und viele Emotionen: Im Freudenstädter Amtsgericht wurde am Montag ein undurchsichtiger Fall fortgesetzt, bei dem ein Mann das Kind seiner Stieftochter unsittlich berührt haben soll.
Richter Achim Ruetz hatte zur Fortsetzung des Prozesses um den möglichen sexuellen Missbrauch an einem Kind geladen. Nachdem in der ersten Sitzung mehr Fragen aufgekommen waren, als geklärt werden konnten, sollte die zweite Verhandlung alle Zweifel beseitigen. Die Anklage: Der Beschuldigte soll das Kind seiner Stieftochter unsittlich berührt haben.
Allerdings wurde die Verhandlung von den zerrütteten Verhältnissen in der Familie überschattet. So rückte in der ersten Verhandlung immer wieder der Ehestreit des Beschuldigten und dessen Frau in den Mittelpunkt. Um den komplizierten Sachverhalt zu klären, waren zur Fortsetzung des Prozesses die Tochter des Angeklagten sowie deren beste Freundin, die Stieftochter und die Noch-Ehefrau vor Gericht erschienen.
Gleich zu Beginn ergriff der Angeklagte, der bis dato ohne große Reden den Prozess verfolgt hatte, das Wort: "Alles erlogen. Totaler Humbug." Das Kind habe sich zur Tatzeit überhaupt nicht in seiner Wohnung befunden, und seine Frau wolle mit der Anschuldigung nur verhindern, dass er im laufenden Scheidungsverfahren das Umgangsrecht bei der gemeinsamen Tochter behalte, so der Beschuldigte.
Zeugenaussagen können kein Licht in den Fall bringen
Die folgenden Zeugenaussagen brachten dann alles andere als Licht in den undurchsichtigen Sachverhalt. So bestätigte beispielsweise die Tochter des Angeklagten, dass sie schon von ihrer Freundin auf die Blicke ihres Vaters angesprochen worden sei. Was aber diese Freundin in ihrer Vernehmung deutlich zurückwies.
Ob der damals einjährige Enkel sich zur angegebenen Tatzeit wirklich bei den Großeltern befand, konnte von der Mutter nicht hunderprozentig bestätigt werden. Die vagen Zeugenaussagen schienen das Gericht nicht wirklich zu überzeugen. Es stand also Aussage gegen Aussage. Dennoch: Nachdem alle Zeugen angehört waren, sah Richter Achim Ruetz die Beweislage als ausgeschöpft.
Die Plädoyers fielen dabei ziemlich deutlich aus. Beide Anwälte sprachen sich für einen Freispruch des Angeklagten aus. Denn, so die Meinung des Staatsanwalts und des Verteidigers, es bestünden noch zu viele Zweifel an dem Missbrauch, die nicht eindeutig geklärt werden konnten. Und da in Deutschland der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" gilt, sollte der Freispruch in dieser Verhandlung die richtige Entscheidung sein.
Auch Richter Achim Ruetz schloss sich seinen Vorrednern an. Die Zweifel an den Anschuldigungen konnten nicht beseitigt werden. "Ich will keinen mutmaßlichen Kinderschänder freisprechen, aber ich mochte auch keinen Unschuldigen verurteilen."