Gesundheit: Warum Wildschwein-Fleisch vor allem im Westkreis öfter mal radioaktiv belastet ist

Kreis Freudenstadt. Ein Viertel der Wildschweine, die im Kreis Freudenstadt geschossen werden, sind radioaktiv belastet. Woher kommt das? Wir sprachen mit Edmund Hensler. Er ist Leiter des Veterinär- und Verbraucherschutzamts im Kreis.

Herr Hensler, woher kommt die radioaktive Belastung von Wildschwein-Fleisch – aus der Natur oder sind das immer noch die Langzeitfolgen von Tschernobyl?

Es gibt eine natürliche Radioaktivität. Im Südschwarzwald beispielsweise wurde früher auch Uran abgebaut. In unserem Fall geht es aber um die Folgen der Reaktorkatastrophe 1986 in Tschernobyl. Die radioaktive Wolke hat damals auch unsere Region erreicht. Drei Isotope spielten eine Rolle: Cäsium 137, Jod und Strontium. Die Belastung beim Schwarzwild ist durch radioaktives Cäsium bedingt. Es hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren. Das heißt, in 30 Jahren ist die Hälfte zerfallen.

Betrifft die Belastung nur Wildschwein oder noch andere Nahrungsmittel aus der Region?

Während in den ersten Jahren nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl auch Speisepilze belastet waren, sind jetzt nur noch Wildschweine betroffen. Dies erklärt sich so: Inzwischen ist das radioaktive Cäsium in tiefere Schichten des Erdbodens gewandert, rund 20 bis 30 Zentimeter unter der Erdoberfläche. Dort wächst der Hirsch-Trüffel, ein besonderer Pilz, der das Cäsium aufnimmt und anreichert. Sofern Wildschweine keine andere Nahrung finden, wühlen sie in der Erde und suchen den Trüffel. Dadurch nehmen sie das radioaktive Isotop auf.

Warum ist nur ein Teil der Tiere belastet, andere nicht?

Der Hirsch-Trüffel wächst nicht überall. Wildschwein-Fleisch aus dem östlichen Teil ist praktisch unbelastet. Wir beobachten zwar auch, ob es dort radioaktive Belastung über das Gebiet hinaus gibt. Aber sie liegt dort fast immer bei Null. Die Grenze des Überwachungsgebiets dürfte bei Schopfloch verlaufen.

Wo sammelt sich Radioaktivität an?

Cäsium verhält sich wie Kalium, deshalb reichert es sich im Muskelfleisch an. Das wird ja vom Menschen gegessen. Es ist aber ein dynamischer Prozess. Die Tiere scheiden das Cäsium auch wieder aus.

Wie hoch darf die Belastung mit Cäsium sein?

Der Grenzwert liegt bei uns bei 600 Becquerel pro Kilo Fleisch, in der Schweiz ist er höher. Bei Stichproben wurde 2004 festgestellt, dass es unter anderem im Landkreis Freudenstadt ein Problem gibt. Daraufhin wurden Pflichtkontrollen im westlichen Landkreis eingeführt, die bis heute gelten. Fleisch, das höher belastet ist, gilt als nicht für den Verzehr geeignet und muss entsorgt werden.

Wie oft kommt es vor?

2017 haben wir 564 Tiere untersucht, 133 davon waren entsorgungspflichtig.

Was passiert mit den Kadavern?

Diese müssen entsorgt werden. Es gibt eine Sammelstelle auf dem Gelände der Deponie Bengelbruck. Von dort werden sie vom Zweckverband tierische Nebenprodukte Süd Baden-Württemberg, früher Tierkörperbeseitigungsanstalt genannt, abgeholt und in die Anlage in Warthausen gebracht. Dort werden sie zerkleinert und nach der Drucksterilisation zu Tiermehl verarbeitet, zusammen mit unbelastetem Material. Auf diese Weise wird die Konzentration immer weiter verdünnt. Das Tiermehl gelangt nicht mehr in die Nahrungskette, es wird als Brennstoff beispielsweise in der Zementindustrie verwendet.

Wenn in manchen Revieren praktisch jedes vierte Wildschwein ungenießbar ist, bekommen die Jäger einen Ausgleich?

Jäger können über das Veterinäramt beim Bund eine Entschädigung beantragen. Sie liegt bei etwa 200 Euro pro Tier.

Essen Sie selbst Wildschwein?

Ja, zuletzt habe ich voriges Wochenende Wildschwein gegessen. Mir schmeckt es gut. Heimisches Wild überhaupt.

Keine Angst vor der möglichen Belastung?

Nein, ich habe volles Vertrauen, zumal bei ins im Westkreis alle Wildschweine untersucht werden.  Die Fragen stellte Volker Rath