"Kein Bedarf": Eine große Neuordnung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen um Grüntal, Wittlensweiler, Musbach und Frutenhof ist wohl gestorben. Archiv-Foto: Rath Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Offenbar kein Bedarf für großes Verfahren im Nordosten der Stadt

Freudenstadt. Ein großes Flur-ordnungsverfahren für Grüntal und Wittlensweiler wird es nicht geben. Auch in Musbach erscheint das derzeit eher als unwahrscheinlich. Das zeigen die Erfahrungen nach zwei von drei Bürger-Workshops. Wir sprachen mit Andreas Oeynhausen, dem Leiter des Amts für Vermessung und Flurneuordnung im Landratsamt Freudenstadt.

Herr Oeynhausen, für die beantragte Flurneuordnung Grüntal, Wittlensweiler, Musbach und Frutenhof fordert die CDU im Gemeinderat ein so genanntes Schwarzwaldverfahren. Was halten Sie davon?

Die Stadt hat 2003 für ihre Ortsteile Schwarzwaldverfahren bei der Flurneuordnungsstelle beantragt. Insofern ist es für mich nachvollziehbar, dass die CDU-Fraktion darauf drängt, dass diese Verfahren durchgeführt werden. Von Seiten der Flurneuordnungsverwaltung sind wir bestrebt, die vor Ort vorhandenen Wünsche umzusetzen. Die Voraussetzungen für ein Verfahren müssen jedoch vorliegen.

Was ist ein Schwarzwaldverfahren überhaupt? Was macht den Unterschied zu einem normalen Flurneuordnungsverfahren?

Schwarzwaldverfahren sollen die Ziele des Schwarzwaldprogrammes von 1973 unterstützen. Ziele in diesem Verfahren sind vor allem die bessere Erschließung der Schwarzwaldhöfe, der Flur und des Waldes durch Wege. Durch die Struktur in diesen Gebieten ist ein Normalverfahren nicht sinnvoll. Die für den Wegebau benötigten Flächen werden im Schwarzwaldverfahren lediglich durch Grunddienstbarkeiten gesichert, es werden hierzu Vereinbarungen mit den Eigentümern abgeschlossen. Die Zusammenlegung von Grundstücken durch Tausch erfolgt zumeist nur in einem geringen Umfang und auf freiwilliger Basis. Eine katastertechnische Neuvermessung der Grundstücke im Verfahren erfolgt nicht.

Stimmt es, dass das Land bereits mit den Augen rollt, wenn die Sprache auf dieses Verfahren zu sprechen kommt?

Nein, sicherlich nicht. Im Landkreis Freudenstadt ist erst im Sommer mit Loßburg-Schömberg ein Schwarzwaldverfahren angeordnet worden. Wenn die entsprechenden Strukturen vorliegen, ist das Schwarzwaldverfahren ein sinnvolles Verfahren. Richtig ist allerdings, dass seit gut einem Jahr das Thema Schwarzwaldverfahren in diesen drei Gemarkungen auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Personen, einschließlich des Ministeriums für ländlichen Raum und Verbraucherschutz, erörtert wird.

Ist eine Flurneuordnung zu Beginn des Verfahren nicht immer von Skepsis und Sorgen begleitet?

Nicht immer, jedoch durchaus häufig. Das ist auch nachvollziehbar, da eine Flurneuordnung ein sehr komplexes Thema ist. Da gibt es dann auch viele Vorbehalte und Sorgen: Was passiert mit meinem Grund und Boden? Was kostet mich das? Bringt es mir wirklich Vorteile? Im oder am Ende eines Verfahrens werden dann die Vorteile erkannt, und man ist froh, dass ein Verfahren durchgeführt wurde.

Was macht die Situation im aktuellen Fall so schwierig?

Die Stadt Freudenstadt hat schon 2003 für ihre Ortsteile Schwarzwaldverfahren beantragt. Freudenstadt-Igelsberg/Zwieselberg wurde als Schwarzwaldverfahren durchgeführt, Freudenstadt-Dietersweiler/Kniebis wurde 2010 als Zusammenlegungsverfahren angeordnet, und im Frühjahr steht die Genehmigung des Ausbaukonzeptes an. Aufgrund der vielen Flurneuordnungsverfahren, die in den jüngsten Jahren in der Flurneuordnungsstelle bearbeitet wurden, und der schwierigen personellen Situation konnten Freudenstadt-Grüntal/Wittlensweiler und Freudenstadt-Musbach bisher nicht bearbeitet werden.

In anderen Gemeinden im Landkreis ging es über ein Schwarzwaldverfahren. Warum hier nicht?

Bei diesen drei Gemarkungen liegen die Voraussetzungen für ein Schwarzwaldverfahren nicht vor. Gründe sind hierfür unter anderem die Struktur mit starker Realteilung in Verbindung mit den Zielen eines Schwarzwaldverfahrens, eine geänderte Rechtsprechung hinsichtlich der Erschließung von Flurstücken sowie die Erfahrungen aus den bisherigen Schwarzwaldverfahren.

Zwei von drei Workshops haben getagt. In welcher Atmosphäre sind sie verlaufen?

In den Workshops können die Grundstückseigentümer, die Bewirtschafter und interessierte Bürger für ihre Gemarkungen Mängel unter anderem in der Erschließung der Grundstücke, bei den Wegen und im Bereich der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse aufzeigen und darauf aufbauend Maßnahmen entwickeln, die aus ihrer Sicht die Situation verbessern. Die Mehrheit der anwesenden Bürger hat diese Art der direkten Beteiligung gut angenommen. Es ist aber auch in einem solchen Termin festzustellen, wer einem Verfahren offen gegenübersteht.

Zwei Biobäuerinnen erklärten, sie könnten ihre Flächen nicht so einfach tauschen, weil sie seit Jahrzehnten nach biologischem Landbau bewirtschaftet würden. Wie kann in solchen Fällen eine Lösung aussehen?

Eine häufig genannte Sorge der Bewirtschafter ist, dass bei einem Normalverfahren die Bewirtschaftungseinheiten, wie sie zurzeit zusammenhängend bewirtschaftet werden, auseinander gerissen werden. Von Seiten der Flurneuordnungsstelle unterstützen wir in einem Flurneuordnungsverfahren durch Nutzungskonzepte, Pachtmanagement und Zuteilung die Bewirtschaftung. Die spezielle Situation eines biologisch bewirtschaftenden Betriebes wird natürlich auch berücksichtigt. In enger Zusammenarbeit mit dem Betrieb wird, wie in anderen laufenden Flurneuordnungsverfahren schon erfolgt, gegebenenfalls eine Lösung gefunden.

Sie haben erklärt, das Land drücke kein Verfahren gegen einen Mehrheitswillen durch. Wie sähe eine belastbare Mehrheit in etwa aus?

Nach dem Gesetz kann die Flurneuordnungsverwaltung eine Flurneuordnung anordnen, wenn sie eine Flurneuordnung objektiv für erforderlich und das Interesse der Beteiligten für gegeben hält. Eine klare rechtliche Definition mit Prozenten gibt es nicht. Die Flurneuordnungsverwaltung möchte bei der ländlichen Entwicklung unterstützen. Insofern soll in der Aufklärungsversammlung, in der über das geplante Verfahren aufgeklärt wird, eine große tragfähige Bereitschaft, also eine deutliche Mehrheit, für ein Verfahren gegeben sein. Ansonsten werden wir ein Verfahren nicht anordnen.

Ihre Prognose: Wird die Flurneuordnung kommen?

Die Ergebnisse der Workshops in Wittlensweiler und Grüntal haben gezeigt, dass nur geringer und punktueller Bedarf an Maßnahmen der Flurneuordnung besteht. Der Workshop in Musbach wird zeigen, inwieweit dort Bedarf besteht. Wenn auch dort nur punktueller Bedarf besteht, werden wir schauen, ob wir durch Verfahren mit begrenztem Umfang diesem Bedarf Rechnung tragen können.

Das heißt, die Stadt müsste die Wirtschaftswege selbst bezahlen?

Genau. Wir können nur Maßnahmen fördern, die in einem Verfahren liegen.

 Die Fragen stellte Volker Rath