Siegfried Blickle (links) und Hans Lambacher von der Bürgerinitiative Mobilfunk demonstrieren, wie man mit einem Messgerät die Strahlung von elektrischen Leitungen in der Wand messen kann. Foto: Breitenreuter

Siegfried Blickle warnt vor immer stärkeren Sendern. In seinem Haus trifft er Vorsorge.

Freudenstadt - Er hat WLAN in seinem Haus und besitzt ein Handy. Dennoch ist Siegfried Blickle aus Freudenstadt ein Kämpfer gegen die immer weiter ausufernde Mobilfunkstrahlung. "Da läuft was aus dem Ruder", sagt er.

 

Es fing damit an, dass Siegfried Blickle einen Fledermausdetekor bauen wollte. Er bestellte sich einen Bausatz und bemerkte, dass man ihn mit einem E-Smog-Detektor kombinieren und erweitern kann, um die Abstrahlung von elektrischen Leitungen in seinem Haus auf dem Kienberg messen zu können. Als Diplom-Ingenieur für Kunststoffkunde, Umform-, Regelungs- und Steuerungstechnik sowie Funkamateur seit seiner Jugendzeit kennt er sich mit der Materie aus. Heute hat er Messgeräte, mit denen er über Lautsprecher auch Mobilfunkstrahlung hörbar machen kann.

Eindrucksvoll demonstriert er, wie die elektrischen Leitungen in den Wänden seines Hauses Strahlung absondern. Nähert er sich mit seinem kleinen Kasten einer Leitung, ertönt ein lautes Summen. Wenn er ein Fliegengitter aus Metall vor die Leitung hält, verschwindet es. Mit einer Antenne hat Blickle den Detektor dann noch weiterentwickelt und kann nun auch Mobilfunkstrahlung nachweisen. Ein im Raum relativ leises Krächzen aus dem Lautsprecher schwillt an, wenn er sich dem Fenster nähert. Macht er es auf, krächzt der Lautsprecher fast ohrenbetäubend. "Das ist der Sender auf dem Schwesternwohnheim", erklärt Blickle. Er kann das Gebäude von seinem Haus aus sehen.

So hat Blickle alle Räume in seinem Haus überprüft und festgestellt, dass die Strahlung allgegenwärtig ist. Lediglich in einem Anbau, den er 2009 erstellt hat und als Wohnzimmer nutzt, war das Signal fast nicht vernehmbar. "In unserem Schlafzimmer hat meine Frau schlecht geschlafen, im Wohnzimmer ist sie im Sessel eingeschlafen". Blickle folgerte daraus, dass das mit der Mobilfunkstrahlung zu tun hat und im Wohnzimmer die Strahlung geringer ist. Doch im Wohnzimmer die Strahlung zu verringern sei gar nicht seine Absicht gewesen, beteuert Blickle. Es sei ein Effekt durch den Einbau von neuen Fenstern und durch die Wärmedämmung, die eine metallische Folie enthalte.

Der Effekt mit dem Fliegengitter funktioniert auch gegen Mobilfunkstrahlung, stellte Siegfried Blickle durch seine Messungen fest. Vor rund einem Jahr tackerte er deshalb Fliegengitter an die Innen- und Außenwände des Schlafzimmers und verputzte sie. Auch neue Fenster wurden eingebaut. "Seitdem braucht meine Frau einen Wecker, um aufzuwachen", lacht Blickle. "Den Wert null erreichen wir nicht", weiß der Ingenieur, aber neue Fenster reduzierten die Strahlung um den Faktor 1000, das Fliegengitter sogar um den Faktor 10 000. "Wenn wir die Fassade richten, wird das Fliegengitter auch außen angebracht", sagt Blickles Frau.

Der Ingenieur hat seine Geräte ständig verfeinert und kann deutlich machen, wo die Funkwellen stark oder schwächer sind. Sein Funknetzwerk im Haus macht er ebenso hörbar, wie den Tetrafunk vom Friedrichsturm. "Der Mensch wird ständig mit den Strahlen beschossen", sagt Blickle.

Er ist aber kein militanter Gegner des Mobilfunks, sondern warnt vor der immer weiteren Aufrüstung der Sendeanlagen. "Es sollte wieder in Bahnen kommen, die für den Menschen verträglich sind", fordert er. Blickle kennt sich aus mit der Bundesimmissionsschutzverordnung und informiert sich im Internet in der Datenbank der Bundesnetzagentur, die für die Genehmigung von Sendeanlagen zuständig ist. Laien sagen die dort veröffentlichten Zahlen nichts, doch Siegfried Blickle kann sie analysieren und somit erkennen, welche Sender zum Beispiel aufgerüstet wurden. In der jüngeren Vergangenheit seien in Freudenstadt die Sender auf dem Möbelhaus Braun, auf dem Stadthaus, am Hüttenteich auf dem ehemaligen Hotel Waldlust und in der Justinus-Kerner-Straße verstärkt worden, so Blickle.

Auf dem Gebäude in der Hartranftstraße, dessen Sendeanlage schon öfter Anlass für Diskussionen lieferte, habe die Sendeleistung im UMTS-Standard noch 17.000 Watt betragen. Mit LTE sei sie auf 44.000 Watt gestiegen und werde bei der Einführung des Mobilfunkstandards 5G wohl um die 73 000 Watt betragen.

"Das geht mir gegen den Strich", sagt Siegfried Blickle. "Das steigert sich noch mehr und noch mehr. Wenn ich raus gehe, bräuchte sich streng genommen einen Strahlenschutzanzug". Anhand einer Formel, die Blickle aus einer nicht veröffentlichten Studie, die ihm vorliegt, entnommen hat, könne er nachweisen, dass die Sicherheitsabstände zu Mobilfunkanlagen für Menschen bewusst kleingerechnet werden, versichert er.

"Dabei gibt es technische Möglichkeiten, die Strahlung wesentlich zu reduzieren", sagt Blickle und nennt dabei das St. Galler Modell und die VLC-Technologie, die mit Lichtwellen funktioniert (siehe Info).

Zusammen mit Hans Lambacher von der Bürgerinitiative Mobilfunk, der er auch angehört, war Blickle auf der Insel Mainau und hat sich die VLC-Technik angeschaut. Wie sie funktioniert, kann er auch zuhause vorführen. An einem kleinen Taschenradio hat er einen Modulator angebracht, der die Radiowellen in moduliertes Licht umwandelt. Mit einem Empfangsgerät macht er die Radiosendung wieder hörbar. "Das ist ein alter Hut", betont Blickle. Er weiß, dass er zusammen mit der Initiative Mobilfunk einen fast aussichtslosen Kampf gegen die Mobilfunkstrahlung führt, wird dennoch nicht müde, der Stadtverwaltung immer wieder Briefe zu schicken, in denen er auf Veränderungen an Sendern hinweist. Nach dem St. Galler Modell könne man die Datenflut bewältigen und die Strahlung reduzieren, meint Blickle: "So muss man das in den Städten machen".