Gegenüber dem ehemaligen Fahrdienstleiterstellwerk des Freudenstädter Hauptbahnhofs erinnert eine ehemalige Flakstellung an den Zweiten Weltkrieg. Die Flakstellung weicht nun dem geplanten Kreisverkehr im Zuge des Ausbaus der Stuttgarter Straße. Foto: Schwark Foto: Schwarzwälder-Bote

Bei Bauarbeiten Relikt aus Zeit des Nationalsozialismus entdeckt / Freudenstadt vor 66 Jahren massiv zerstört

Von Lothar Schwark Freudenstadt. Der Beschuss von Freudenstadt vor 66 Jahren war ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte. 52 Menschen verloren ihr Leben, 40 Prozent der Kernstadt wurden zerstört. Rund 1400 Familien wurden obdachlos.Bei den Vorarbeiten zum geplanten Kreisverkehr und für die Straßenbrücke über die Bahnanlagen des Hauptbahnhofs wurde nun ein Relikt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs entdeckt: eine Flakabwehrstellung. Das kreisrunde, aus Ziegelsteinen gemauerte Bauwerk gegenüber dem ausgedienten Fahrdienstleiterstellwerk wurde von der Natur längst zurückerobert. Im Sommer soll es den Baggern weichen.

Rund um den Freudenstädter Hauptbahnhof waren zur Zeit des Zweiten Weltkriegs mehrere Flakgeschütze aufgestellt. Eines befand sich beim ehemaligen Stellwerk zwei am Südwestende des Bahnhofs. Zeitzeugen erinnern sich, dass die Flakgeschütze teilweise von zwangsrekrutierten jungen ukrainischen Soldaten bedient wurden. Diese waren in Baracken untergebracht, die sich in den Gartenanlagen beim Hauptbahnhof befanden. Aufzeichnungen aus dem Bahnhofskriegstagebuch verzeichnen mehrfach Luftangriffe der alliierten Streitkräfte. Dabei konnte sich das Bahnpersonal in einen Schutzraum neben dem Fahrdienstleiterstellwerk flüchten.

Freudenstadt wurde, wie auch aus dem Buch "Die Zerstörung von Freudenstadt" von Stadthistoriker Gerhard Hertel hervorgeht, relativ lange von Fliegerangriffen verschont. Ab 8. Oktober 1944 kam es dann zu Angriffen durch alliierte Flugzeuge. Strategisch waren die Eisenbahnbrücken rund um Freudenstadt von besonderer Bedeutung. Als Ausgangspunkt dreier Bahnstrecken wurde zudem der Hauptbahnhof mehrfach angegriffen. Bis zum 15. April 1945 sind 27 Luftangriffe in der Region Freudenstadt aufgelistet. Tote und Verwundete waren zu beklagen. Wiederholt waren die Wittlensweilener, Grüntaler und Lauterbader Bahnbrücken das Ziel. Mit den Flakstellungen wurde den Zügen ein gewisser Schutz vor Tieffliegern geboten. Dennoch waren etwa am 15. April 1945 von 9.30 bis 17 Uhr alle Gleise im Freudenstädter Hauptbahnhof nicht befahrbar. Zugverkehr gab es zum Ende des Krieges hin meist nur noch im Schutz der Dunkelheit.

Am 16. April 1945 fuhr der letzte Zug Richtung Eutingen/Gäu in den frühen Morgenstunden ab. Um 23 Uhr war der letzte Zug Richtung Hausach unterwegs. Er beförderte auch Flaksoldaten, die ihre Stellung am Forchenkopf aufgaben. Vier von fünf Eisenbahnbrücken wurden von Pioniereinheiten gesprengt. Einzig die Wittlensweilener Brücke entging durch einen Zündversager der Sprengung. Freudenstadt wurde an diesem Tag vor 66 Jahren ab 14.30 Uhr mit kurzen Unterbrechungen 16 Stunden lang von der französischen Artillerie beschossen. 52 Menschen starben. Von etwa 2000 Häusern wurden 597 beschädigt oder zerstört.

Heute ist das Kapitel des Zweiten Weltkriegs Zeitgeschichte. Der Aufbau des zerstörten Freudenstadt wurde als "das Wunder von Freudenstadt" bekannt. Aus Feinden wurden Freunde: Mit der französischen Stadt Courbevoie pflegt Freudenstadt seit 1961 eine intensive Städtefreundschaft.