Soziales: Neue Konzeption für die Notfallseelsorge im Landkreis Freudenstadt steht / Angebot für Opfer und Einsatzkräfte

Erste Hilfe für die Seele – und das rund um die Uhr: Die Notfallseelsorge im Landkreis Freudenstadt hat jetzt einen festen Rahmen und klare Strukturen. Ein ganzes Netzwerk ist entstanden, um beispielsweise Opfern und Betroffenen von schweren Verkehrsunfällen beizustehen – oder auch den Rettern.

Kreis Freudenstadt. Die dafür neu erarbeitete Konzeption der Notfallseelsorge wurde am Freitag im Landratsamt unterschrieben. Mit dabei waren Vertreter des Landkreises, der evangelischen, katholischen und evangelisch-methodistischen Kirche im Bezirk Freudenstadt, der Polizei und der Rettungsdienste im Kreis, Rotes Kreuz und Johanniter. Das Regelwerk, von allen Seiten unterzeichnet, soll die schon bisher existierende Hilfe auf eine ganz neue Qualitätsstufe gehoben werden.

"Dies hier ist ein sehr guter Termin", sagte der Koordinator, Pfarrer Stefan Itzek. Notfallseelsorge-Konzeption klinge "zunächst sehr technisch", das Ergebnis sei es hingegen nicht. "Es geht um Menschen in schwierigen Lebenslagen. Wir schaffen ein Netz, in dem sie aufgefangen werden", sagte Itzek.

Die Bilder im Kopf

Pfarrer Timo Stahl, leitender Notfallseelsorger, erklärte die Konzeption. Sie entspreche den Standards auf Landes- und Bundesebene. Im Kreis Freudenstadt decke die Notfallseelsorge zwei Bereiche ab: Sie ist in den ersten Stunden nach einem Schicksalsschlag für direkt Betroffene da, etwa Menschen, die einen Unfall oder Brand erleben mussten, sowie deren Angehörige. Speziell geschulte Mitarbeiter betreuen aber auch Angehörige von Feuerwehren, Rettungsdiensten und Polizei, die belastende Einsätzen ebenfalls als traumatisch erleben könnten. Notfallseelsorger bräuchten für für beide Bereiche spezielle Qualifikationen. Fortbildungen seien wichtig, um Hilfe anbieten zu können, "die Bilder im Kopf zu verarbeiten".

46 Mal wurden die Notfallseelsorger im vorigen Jahr gerufen, rund 20 Mal in 2018. Als Beispiel nannte Stahl den schweren Busunfall vor Loßburg. Die Tendenz der Einstätze sei steigend. Mit der Konzeption wird der Dienst nicht nur besser organisiert, sondern auch zielgerichteter auf die anderen Partner abgestimmt. Die Seelsorger sind nun fester Teil des Gesamtsystems. Außerdem erhalten sie einen höheren jährlichen Zuschuss von künftig 3000 Euro pro Jahr vom Landkreis für Fortbildungen und die Ausrüstung der Seelsorger mit Funkempfänger, Spezialrucksack sowie Einsatzjacke und schuhe. Um das alles finanzieren zu können, sei der Seelsorgerdienst dennoch weiterhin auf Spenden angewiesen.

Noch Spender gesucht

Das neue Konzept erleichtere es den Pfarrern auch, den zusätzlichen Dienst mit ihren Hauptaufgaben unter einen Hut zu bringen. Denn sie wollen rund um die Uhr in Bereitschaft sein. Das funktioniert laut Stahl so: Jeweils eine Woche am Stück haben die aktuell 17 eingebundenen Geistlichen – Frauen wie Männer – Bereitschaft. Kann er im Einsatzfall nicht sofort aufbrechen, weil er etwa einen Gottesdienst hält, kann er über den Empfänger einen Kollegen verständigen. Auf Knopfdruck ließen sich auch weitere Seelsorger hinzuziehen oder gleich ein kompletter Sammelruf absetzen, etwa bei Groß-Einsatzlagen. Fünf Seelsorger von DRK und Johannitern helfen ebenfalls mit.

Da die Seelsorger nur in der akuten Krisenphase helfen, also den ersten Stunden nach einem Ereignis, sind sie mit den Nachsorge-Teams von Rotem Kreuz und Johannitern vernetzt. Sie betreuen bei Bedarf dann weiter. "Die Zusammenarbeit funktioniert schon jetzt recht gut", findet Stahl. Es sei alles vorhanden, "um gut und gerne Dienst tun zu können". Vom Landratsamt – Landrat Klaus Michael Rückert, Kreisbrandmeister Frank Jahraus und Katharina Stenzel vom Katastrophenschutz – fühle er sich gut unterstützt.

Landrat Rückert beteuerte, ihm liege die Notfallseelsorge "sehr am Herzen". Heutzutage gebe es für viele Lebenslagen Hilfe und Unterstützung. "Aber man hat den Eindruck, dass Herz und Seele dabei oft vergessen werden", so Rückert. Das Seelisch-Spirituelle komme oft zu kurz. Dabei könnten Einsätze auch bei den Helfern "seelische Not verursachen". Dass die Notwendigkeit erkannt werde, dass auch Helfer bisweilen Hilfe brauchen, sei ein wichtiger Schritt. "Man muss Menschen Zeit geben und ihnen zuhören", so Rückert. Organe und Knochen könnten "geflickt" werden, aber auch auf der Seele blieben Narben.

Bleibt eine Frage: Wenn Opfern und Helfern geholfen wird, wer kümmert sich dann um die Seelsorger? Auch sie müssen mit den Eindrücken fertig werden, etwa Bilder, Geräusche oder Gerüche. "Ich danke Gott, dass ich meine Sorgen und Nöte bei ihm vortragen kann", so Pfarrer Stahl.