Reinhard Keck und Marc-André Rüssau ist mit Buch über Expertenwissen der Polizei ein Coup gelungen

Von Alexandra Alt Freudenstadt. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Auto, um sie herum nichts als Wasser. An Ihrem Fenster steigen kleine Bläschen vorbei – der Rest des Sauerstoffs, Ihres Sauerstoffs. Die letzten sich brechenden Lichstrahlen werden von der Dunkelheit geschluckt. Sie sinken tiefer und tiefer. Der Tod ist unausweichlich. Wenn Sie nun das Buch des gebürtigen Freudenstädters Reinhard Keck gelesen haben, haben Sie vielleicht eine Überlebenschance. Wenn nicht, Pech für Sie.

Ganz schön schonungslos, oder? In ihrem Buch "Menschen durchschauen wie ein Polizeipsychologe – Von den Experten der Polizei für den Alltag lernen" verkaufen Keck und Marc-André Rüssau Expertenwissen, wie es sonst wohl nur Profilern der Polizei zugänglich ist. Verhören wie ein Kommissar, kämpfen wie ein SEKler, Spuren lesen wie ein Zielfander – die beiden Autoren verraten Tipps und Tricks der Profis, die der Leser wenn nötig auch für sein eigenes Leben anwenden kann.

In der Sprache immer klar und ein bisschen emotionslos, was an manchen Stellen ob der Absurdität des Beschriebenen dem Leser ungewollt ein Grinsen ins Gesicht treibt. So beispielsweise im Kapitel "Putzen wie ein Tatortreiniger". Wer erwartet, dass es darin um Tipps geht wie die Hausfrau besonders gut in die hinterste Ecke eines verwinkelt eingebauten Küchenschranks kommt, wird überrascht sein.

Die Szenen sind makabrer. Es geht um Blut und sonstige Körpersäfte, die nach dem Eintritt des Todes aus dem menschlichen Körper herauswollen. Zu Wort kommt der bekannteste Tatortreiniger Deutschlands, Christian Heistermann. Der Gebäudereinigermeister und staatlich geprüfte Desinfektor ist der Mann fürs Grobe, wenn in Berlin eine Leiche bereits etwas längere Zeit in einer Wohnung liegt. "Etwas länger", so beschreibt es der Tatortreiniger, "ist die Umschreibung (..), dass die Verflüssigung des Körpers schon eingesetzt hat." Welcher Duft dem Tatortreiniger dann entgegenschlägt? "Vielleicht haben Sie schon einmal vergessen, vor dem Urlaub, den Müll rauszubringen. Addieren Sie diesen Gedanken dazu, dass die Menge der Mülltonne ein Zehntel des Gewichts eines erwachsenen Mannes ausmacht." Aha.

Ein weiteres Problem für den Tatortreiniger ist verlegter Teppichboden. Ist der Teppich-Klebstoff wasserlöslich, sickern Körperflüssigkeiten langsam in den Estrich. Und da bleiben Sie dann. Dem Gestank komme man auch mit schärfsten Reinigungsmitteln nicht bei. Und damit blieben nur zwei Lösungsmöglichkeiten. Erstens: Den Estrich rausstemmen und entsorgen; oder Zweitens: den Estrich versiegeln. "Verkürzt gesprochen: Opa bleibt im Estrich. Aber er kann nicht mehr ins Zimmer dünsten." Für alle, die an altersgerechtes Wohnen denken, haben die Autoren noch einen Tipp parat: An sterbegerechtes Wohnen denken – zum Beispiel mit einem wasserunlöslichen Teppichkleber.

Reinhard Keck, Jahrgang 1981, und Sohn der stellvertretenden Direktorin der Volkshochschule Kreis Freudenstadt, Ursula Keck, ist in Freudenstadt geboren und aufgewachsen, lebt aber heute in Berlin. Als Sport- und Polizeireporter berichtet er für die Münchner Abendzeitung und die Londoner Times. Außerdem ist er Redakteur bei Bild am Sonntag. Das verbindet ihn auch mit Co-Autor Marc-André Rüssau, der im Bereich Justiz und organisierte Kriminalität recherchiert. Das die Recherche allein eben noch keinen Spezialisten macht, verdeutlicht der kleine Hinweis: "Wir übernehmen für Schäden, die sich aus der Umsetzung der in diesem Buch versammelten Vorschläge ergeben, keine Haftung."

Erhellend sind aber eben diese Vorschläge allemal, wie sich dem Leser spätestens dann zeigt, wenn er in einem sinkenden Auto sitzt. Also zurück zum Kapitel "Wie Sie (fast) jeden Unfall überleben". Der ehemalige Oberkommissar Mike Caspers rät: "Schalten Sie sofort das Licht ein. (..) Schlagen Sie die Fenster ein. Dafür haben Sie einen Nothammer oder Federkörner dabei. Ohne diese Hilfsmittel brauchen Sie nun ganz starke Nerven." Gelangt das Unfallopfer aus dem sinkenden Autowrack, hat es noch lange nicht überlebt. Weil das Auto sinkt, entwickelt sich ein Sog. "Sie werden mehr Zeit als erwartet brauchen, um vom Wrack wegzuschwimmen." Und das alles, ohne Sauerstoff aber dafür mit einer gehörigen Portion Todesangst.

Das Buch: Reinhard Keck und Marc-André Rüssau "Menschen durchschauen wie ein Polizeipsychologe – Von den Experten der Polizei für den Alltag lernen", 250 Seiten, rivaverlag, 16,99 Euro