Ortsbildprägendes Gebäude: das Geschäuftshaus am unteren Marktplatz, Ecke Murgtalstraße. Die Firma Eisen-Wagner schließt ihr Ladengeschäft für Haushaltswaren und Geschenke. Foto: Rath

169-jährige Ära im Einzelhandel endet. Rechtsanwalt Tobias Reich kauft Gebäude.

Freudenstadt - Am unteren Marktplatz in Freudenstadt geht eine Einzelhandels-Ära zu Ende: Eisen-Wagner schließt sein Ladengeschäft für Haushaltswaren und Geschenkartikel. Das geschichtsträchtige Geschäftshaus ist bereits verkauft.

Dies teilte die Familie Reichl, Inhaber von Eisen-Wagner, jetzt in einem Pressegespräch mit. Das Unternehmen will sich künftig auf die beiden anderen Sparten konzentrieren: den Stahlhandel und das Fachmarktzentrum, beide im Industriegebiet Wittlensweiler. Dort beschäftigt Eisen-Wagner rund 35 Mitarbeiter. Das Fachmarktzentrum bietet auf rund 6000 Quadratmetern Lager- und Verkaufsflächen nach Firmenabgaben rund 80.000 Artikel für Handwerker, Heimwerker und Industrie, etwa Werkzeuge und Maschinen, Beschläge und Befestigungstechnik sowie Forst- und Gartengeräte.

Mit den rund ein Dutzend Mitarbeitern, die von der Aufgabe des Ladengeschäfts in der Innenstadt betroffen sind, wurden "einvernehmliche und gütliche Lösungen" gefunden, sagt Helmut Reichl. Begründet wird die Entscheidung mit "dramatischen Veränderungen" im Einzelhandel. Großvertrieb und Online-Handel hätten Umsatz gekostet, zuletzt auch die Sperrungen in der Innenstadt. Ferner seien große Möbelhäuser dazu übergegangen, Haushaltswaren wie Geschirr, Porzellan, Besteck, Pfannen und Töpfe sowie Accessoires in ihr Sortiment aufzunehmen. Das Geschäft mit exklusiver Markenware werde zunehmend schwerer, das "Alleinstellungsmerkmal" sei entfallen.

Die Perspektiven versprächen keine Besserung. "Das ist der Lauf der Zeit", so Reichl. Er vermisst außerdem "ein gesamtstädtisches Konzept" für den Einzelhandel, das "nie verwirklicht" worden sei. Stattdessen seien "innenstadt-relevante Warengruppen" an die Peripherie gewandert. Auch das ziehe Umsatz vom Marktplatz ab.

Trotzdem sei es der Familie "nicht leicht gefallen", das Ladengeschäft zu schließen. Der Standort am unteren Marktplatz, Ecke Murgtalstraße, hat eine 169-jährige Geschichte und ist das Stammhaus von Eisen-Wagner. Helmut Reichl hatte dort noch seine Lehre absolviert und sich dann hochgearbeitet. 1995, mittlerweile Prokurist und Geschäftsführer, übernahm er die Firma. 2009 und 2013 seien zwei Stockwerke umgebaut und modernisiert worden; Inhaber und Mannschaft hätten stets "viel Engagement, Kreativität und Herzblut" ins Geschäft investiert.

Eisen-Wagner ist das letzte von drei alteingesessenen Geschäftshäusern am Marktplatz, das nun "das Feld räumt". Derweil bereitet die Firma den Räumungsverkauf vor, der vom 11. Mai bis 30. Juni stattfindet. Davor sei das Geschäft drei Tage lang geschlossen, um die dafür notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Das Gebäude hat bereits einen neuen Eigentümer: den Anwalt Tobias Reich.

Info: Eckpunkte aus der Firmengeschichte

Die Firma Eisen-Wagner wurde 1849 gegründet, von Georg Wagner, am unteren Marktplatz/Ecke Murgtalstraße. Als Kolonialwarengeschäft bot er zunächst Sensen, Sicheln und Hauen an. 1907, mittlerweile vom Gründer-Enkel Otto Wagner junior geführt, wurden Stabeisen, Bau- und Möbelbeschläge, Werkzeuge, Öfen und Herde ins Sortiment aufgenommen. 1923 wurde das ursprüngliche Gebäude nach Angaben der Firma abgerissen und in seiner heutigen Größe neu aufgebaut. 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde das Haus stark beschädigt und abermals neu aufgebaut. 1953 kam das Hinterhaus in der Schickhardt-straße dazu, 1964 begann der Bau der Lagerhalle im Industriegebiet Wittlensweiler für Walzerzeugnisse, 1971 erfolgte der Bau des Fachmarkts. Fachmarkt und Stahlhandel wurden 1992 erweitert. 1995 ging die Firma Eisen-Wagner an den damaligen Geschäftsführer Helmut Reichl über, er und seine Frau Karin waren die Inhaber. Mittlerweile sind auch deren beiden Söhne Alexander (41) und Timo (38) Mitinhaber. Eine Übergabe des Unternehmens an die Söhne sei in naher Zukunft geplant.

Interview

Tobias Reich aus Empfingen hat das Eisen-Wagner-Gebäude gekauft. Der Anwalt in der Horber Kanzlei Avolegis trat schon als Investor des ehemaligen "Ochsen", heute "Speckwirt", am unteren Marktplatz auf. Das Haus hat rund 800 Quadratmeter Nutzfläche auf vier Etagen. Wir sprachen mit ihm über seine Ziele.Tobias Reich aus Empfingen hat das Eisen-Wagner-Gebäude gekauft. Der Anwalt in der Horber Kanzlei Avolegis trat schon als Investor des ehemaligen "Ochsen", heute "Speckwirt", am unteren Marktplatz auf. Das Haus hat rund 800 Quadratmeter Nutzfläche auf vier Etagen. Wir sprachen mit ihm über seine Ziele.

Herr Reich, was ist Ihre Motivation, nach dem ehemaligen "Ochsen" auch das Gebäude von Eisen-Wagner zu kaufen?

Das ist eher ein professionelles Hobby für mich, kein Geschäft. Ich möchte etwas Tolles daraus machen und freue mich darauf, einen Beitrag zu leisten, dem unteren Marktplatz ein neues Gesicht zu geben.

Was haben sie mit dem Gebäude vor?

Eine komplette Sanierung, inklusive Schaufenster, Dach und Fassade. Erste Gespräche mit Stadt und Denkmalamt verliefen positiv.

Soll das Haus künftig gewerblich oder zu Wohnzwecken genutzt werden?

Ziel ist es, etwas für den unteren Marktplatz zu tun, ihn damit auch optisch attraktiv zu beleben, auch im Zusammenspiel mit dem "Speckwirt". Im Erdgeschoss soll es auf jeden Fall Handel geben. Oben wäre Handel ebenfalls denkbar, aber auch Büroflächen sind eine Option. Wir sind zwar schon am Entwickeln und es gab schon interessante Anfragen. Es ist aber noch alles offen. Wir sind auch noch offen für Ideen.

Wann soll’s losgehen?

Im Lauf des Sommers soll die Planung stehen. Sanierungsbeginn könnte dann im Herbst sein. Die Partner, die schon beim "Speckwirt" mit dabei waren, und ich freuen uns drauf. Wir haben Lust, etwas zu entwickeln.