Johannes Schröder tritt mit seinem Programm "World of Lehrkraft – Ein Trauma geht in Erfüllung" am 13. September in Freudenstadt auf. Foto: Maschke Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Für den Pädagogen und Kabarettist Johannes Schröder ist die Schule eine wahre Fundgrube

Freudenstadt. Der Lehrer, Kabarettist und Komödiant Johannes Schröder eröffnet am Donnerstag, 13. September, um 20 Uhr im Kienbergsaal des Kongresszentrums die neue Theatersaison in Freudenstadt. Mit seinem Programm "World of Lehrkraft – Ein Trauma geht in Erfüllung" nimmt er den Schulbetrieb aufs Korn. Im Vorfeld stellten wir ihm einige Fragen.

An welchem Schultyp haben Sie unterrichtet?

Gymnasium, die Fächer Deutsch und Englisch; in Köln noch einige Zeit an einer Berufsschule.

Was haben zwölf Jahre Schuldienst mit Ihnen angestellt?

Ich war sehr gerne Lehrer, nur nach zwölf Jahren verspürte ich den inneren Wunsch nach einem eigenen Projekt außerhalb des Klassenzimmers. Und da ich lange Zeit begeisterter Theaterlehrer war, wollte ich ein eigenes Bühnenprogramm schreiben. Eigentlich war es keine bestimmte Situation, die den Ausschlag gegeben hat auszusteigen, sondern viele alltägliche Schulgeschichten, die wie für die Bühne gemacht waren. Beispielsweise, als die Eltern eines Schülers ihre Besorgnis äußerten, ihr Sohn hätte höchstwahrscheinlich "ADAC". Oder als sich eine Gruppe Streitschlichter im Gang prügelte. Lustige Dinge passieren auch, wenn man durch Vertretungsunterricht in andere Fächer reinschaut. An meiner ersten Schule im Stuttgarter Raum hatte ich Vertretung in Religion, Thema Islam. Auf meine Frage, was die Schüler denn schon so über den Islam wüssten, meldete sich der Jonathan und meinte: "Wenn der Moslem betet, dann betet der immer in Richtung Neckar!"

Inwiefern ist das Fach Deutsch eine besondere Fundgrube für Komödianten?

Unsere Sprache bestimmt unser alltägliches Denken und Handeln. Und sie ist reich an witzigen Erscheinungen: Warum zum Beispiel steckt in dem Wort Konfektionsgröße Konfekt drin? Darüber hinaus hat jeder von uns diese kleinen orthographischen Aussetzer. Jeder kennt das Gefühl, dass man plötzlich unsicher wird mit der Schreibung eines Wortes, und dann schaut man dieses Wort solange an, fokussiert es geradezu, bis man an sich selbst und seiner gesamten Existenz zweifelt. Ich wollte neulich unter eine Karte schreiben "Schön, dass ihr da wart!" Und ich wusste nicht, ob man "ward" oder "wart" schreibt. Dann hab‘ ich es durchgestrichen und "Schön, dass ihr dagewesen seid!" geschrieben. Dann hatte ich das gleiche Problem mit "seid" – dann hab ich mich für einen Winke-Smily entschieden.

Wie begründen Sie als Deutschlehrer den Programmtitel "World of Lehrkraft – ein Trauma geht in Erfüllung"?

"World of Lehrkraft" – ein Neologismus, eine Wortneuschöpfung! Es ist in Anlehnung an das Computer-Rollenspiel "World of Warcraft" entstanden. Letztlich hat es wenig mit diesem Computerspiel zu tun, man muss es auch nicht kennen; es geht einfach um die Welt der Schule aus Sicht der Lehrkraft. "Trauma" – die Schulzeit ist eine sehr prägende Zeit, jeder hat Erinnerungen, die tief in unserer Persönlichkeit festgeschrieben sind. Jeder hat mindestens eine Geschichte, die ihn nicht mehr loslässt. Ängste, Sorgen. Aber es ist auch die Zeit großer Glücksgefühle: die erste Liebe, der Aufbruch in die Freiheit, wenn das Abi in der Tasche ist. Konfliktreich ist die Zeit vor allem deshalb, weil so viele Regeln des Umgangs miteinander gelernt werden müssen, jeden Tag aufs Neue. Die Heranwachsenden müssen sich im sozialen Gefüge zurechtfinden, ihre Identität ausprobieren, ausloten, eine Mammutaufgabe. Humor ist immer Überspitzung und Perspektivwechsel und kann dabei helfen, nicht zu verbittern und zu resignieren, vorausgesetzt es ist nicht blanker Zynismus. Und darum gebe ich mir Mühe.

Ist die Schule nur noch aus der Distanz des Kabarettisten zu ertragen?

Nein, gewiss nicht. Aber natürlich rückt die Betrachtung aus der Distanz die Dinge in eine andere Perspektive. Eine gewisse Auszeit schärft den Blick neu, ich würde jetzt anders an bestimmte Dinge herangehen.

Auf welche Weise haben Sie von Ihrem Aufenthalt in Toronto im Hinblick auf Ihre Komödianten-Karriere Gewinn gezogen?

Ich habe sehr von meinem Aufenthalt in Toronto profitiert. Zunächst, weil ich dort fernab von meinem üblichen Umfeld meine neue Tätigkeit ausprobieren konnte. In Deutschland hätte ich mich das nicht getraut, ich bin manchmal im Ausland mutiger. Es war ein Abenteuer, dort jeden Abend auf den offenen Bühnen "Stand-up Comedy" zu machen, zu probieren, zu scheitern, weiterzumachen. Das war ein sehr wertvolles Training für die Bereiche Bühnenpräsenz, Gags schreiben, Lampenfieber und vieles mehr. Um die Lehrer- beziehungsweise Schulthematik ging es da noch gar nicht, ich habe als Deutscher von meinen Erlebnissen in Nordamerika berichtet, den kulturellen Unterschied thematisiert. Und über die Deutschen wird gerne gelacht, wenn diese versuchen locker und lustig zu sein.

Sie haben in Deutschland auf Anhieb Comedy-Preise gewonnen. Worauf führen Sie Ihren Erfolg zurück?

Die zwölf Jahre Schule muss man gewissermaßen als innere Vorbereitung mit hinzuzählen. So gesehen, kam der Bühnenerfolg gar nicht so schnell. Ganz ehrlich: viele Geschichten oder das, was ich auf der Bühne erzähle, kam einfach so aus mir heraus, ich musste nicht lange nach Themen, Titeln, Bühnenhaltung, Emotionalität oder Bühnenfigur suchen – das war alles einfach da. Was ich mit Fug und Recht behaupten kann: Das Programm ist sehr authentisch, und das spürt das Publikum.

Angenommen, Sie kehrten alsbald in die Schule zurück: Mit welchem (neuen) Blick auf die Institution würden Sie Ihre Aufgabe übernehmen?

Ich würde noch mehr als vorher versuchen, den Blick darauf zu richten, was der einzelne Schüler kann und weniger darauf, was er nicht kann. Die Defizit-Orientierung ist leider sehr stark in der Institution Schule verankert, nicht zuletzt durch das Notensystem. Ich habe in den letzten vier Jahren viele Menschen im Veranstaltungswesen kennen gelernt, die oft bizarre Biografien und Lebenswege hatten. Ich war oft überrascht und musste nicht selten umdenken, da ich Menschen falsch eingeschätzt hatte. Will sagen: Auch wenn ein Schüler gegenwärtig seiner Umwelt Sorgen bereitet, warum auch immer, dann heißt das nicht, dass sich eines Tages das Blatt nicht unvermittelt wenden könnte, ein Entwicklungsschub einsetzt, ganz anders als erwartet. Kurz: Ich würde versuchen, weniger zu be- und verurteilen und mehr zu vertrauen in die Entwicklung der Kinder. Aber Reife und Reifung braucht Zeit: Deshalb bin ich für neun Jahre Gymnasium.

Was raten Sie Lehrern, Eltern und Schülern zum Umgang mit der Lehranstalt?

Mehr darauf schauen, was ein Schüler kann, weniger sich darauf zu fixieren, was er nicht kann. Herausfinden, wo die versteckten Fähigkeiten, gar Talente liegen: das würde ich Lehrern raten. Einen Schritt weg von der Defizitorientierung, erst hervorheben, was das Kind gut kann. Das macht einen riesigen Unterschied. Manchen Eltern würde ich raten, mehr zu vertrauen: ihren Kindern, der Entwicklung, den Lehrern und das Projekt Schule nicht allzu sehr an sich zu reißen. Schülern würde ich raten, die Zeit in der Schule als wertvolle Lebenszeit zu sehen und sich immer mal wieder zu sagen: "Ich darf das hier lernen!"