Am Dienstag will das Schwurgericht in Dortmund sein Urteil fällen. Foto: dpa

Verteidiger fordern für 29-jährigen Freudenstädter deutlich weniger als zehn Jahre Haft.

Freudenstadt/Dortmund - Für Sergej W., den 29-jährigen Angeklagten aus Freudenstadt, steht viel auf dem Spiel: Am Dienstag hat die Staatsanwaltschaft vor dem Schwurgericht in Dortmund lebenslängliche Haft für ihn gefordert – wegen vielfachen Mordversuchs.

Doch der Anwalt des Angeklagten hat das am Donnerstag anders gesehen: Zwar habe sein Mandant im April 2017 drei selbstgebastelte Sprengkörper neben dem Mannschaftsbus von Borussia Dortmund (BVB) gezündet. Töten habe er damit niemanden wollen. Dann stellen die Anwälte Carl W. Heydenreich und Christos Psaltiras ihre Forderung: eine Haftstrafe von deutlich unter zehn Jahren.

Sergej W., der gelernte Elektrotechniker, der im Alter von 13 Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen ist, verfolgt das Plädoyer aufmerksam. Dann ergreift er persönlich für einige Sekunden das Wort. "Ich möchte mich bei allen entschuldigen." Mehr sagt er allerdings nicht.

Der Kernsatz im rund einstündigen Plädoyer Heydenreichs lautet: Es "war keine Tötungsabsicht vorhanden". Sein Mandant habe darauf vertraut, "dass er die Bomben kontrollieren konnte". Lediglich von einer "Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und von Körperverletzung" könne man sprechen.

Hinzu kämen erhebliche strafmildernde Umstände – schließlich habe Sergej W. bereits kurz nach Prozessbeginn seine Tat gestanden. Zudem, ergänzt Heydenreich, habe der Angeklagte eine schwierige Persönlichkeitsstruktur sowie ein geringes Selbstwertgefühl. "Töten wollte er aber nicht."

Scharfe Angriffe richten die Verteidiger zudem gegen die Staatsanwaltschaft. Von Beginn an sei nicht fair und objektiv ermittelt worden. Statt neutraler Arbeit der Justizbehörden "gab es eine unsägliche Kombination aus Vorverurteilung, Inkompetenz und Ignoranz", meint Heydenreich.

Auch den Plan des Täters, mit geliehenem Geld auf fallende BVB-Aktienkurse zu setzen und so viel Geld zu verdienen, sei laut Heydenreich differenziert zu sehen. "Die Gewinnerwartung war überschaubar", habe bei etwa 100.000 Euro gelegen, meint der Anwalt nach dem Prozess.

Seit fast einem Jahr läuft das Verfahren in Dortmund. Der Fußballspieler Marc Bartra und ein Polizist werden verletzt, als die drei Sprengköper am 11. April 2017 explodieren – kurz nachdem der BVB-Mannschaftsbus zum Champions-League-Heimspiel gegen AS Monaco in den Dortmunder Signal Iduna Park gestartet ist. Die Sprengkörper sind hinter einer Hecke versteckt – auch das laut Heydenreich ein Zeichen, dass diese nicht töten sollten.

Erst am Dienstag hat Oberstaatsanwalt Carsten Dombert sein Plädoyer gehalten. Es fällt hart und unversöhnlich aus. Geradezu vom Tisch wischt er die Behauptung des Angeklagten aus dem Schwarzwald, er habe die Bomben so gebastelt, dass sie eine geringe Durchschlagskraft haben. Als "Blödsinn" und "hanebüchenen Unsinn" weist Dombert Sergej W.s Behauptungen zurück.

Am Dienstag will das Schwurgericht in Dortmund sein Urteil fällen. Es dürfte spannend werden.