Stephan Schlensog, Generalsekretär der Tübinger Stiftung Weltethos. Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Stephan Schlensog spricht über Notwendigkeit globaler Regeln auf Grundlage von Werten

Kreis Freudenstadt (dh). Gesellschaftliche Konflikte; Populismus; Politiker, die spalten und sogar Hass säen, anstatt Brücken zu bauen; "Me first" statt "We all" ("Ich zuerst" statt "Wir alle") – und das alles weltweit: Phänomene unserer Zeit, die längst zum Problem geworden sind, waren der Ausgangspunkt des Vortrags des prominenten Gastes beim Neujahrsempfang des Landkreises und der Kreissparkasse, Stephan Schlensog. Und, führte der Referent ins Thema ein, dieser Zeitgeist sei nichts Abstraktes: "Er prägt das Verhalten im Privaten wie im Öffentlichen."

Es brauche also Gegenentwürfe – für ein Leben in Vielfalt. Der Hauptredner des Abends präsentierte einen, und er heißt wie die Tübinger Stiftung, deren Generalsekretär Schlensog ist: "Weltethos".

In seinem Vortrag "Gemeinsame Werte für eine globalisierte Welt" skizzierte Schlensog das Entstehen und das Anliegen der Weltethos-Idee. Die Frage nach einem Weltethos geht zurück auf die Programmschrift "Projekt Weltethos" des Theologen Hans Küng, mit dem Schlensog seit 1984 zusammenarbeitet. Grundidee war es, dass die Menschen kulturübergreifend gemeinsame "Spielregeln" brauchen – Werte, Normen, ethische Standards –, damit sie über Nationen und Religionen hinweg friedlich zusammenleben können.

Eine Konsequenz daraus: Menschen müssen mehr voneinander wissen. "Um Vertrauen zu bilden, braucht es auf allen Seiten Grundkenntnisse", sagte Schlensog. Dies sei Küng schon 1980 klar gewesen. Und es brauche den Dialog. Mit Küngs These "Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden" habe der interreligiöse Dialog eine politische Dimension erlangt.

Beim Weltethos gehe es im Grunde um einen einfachen Zusammenhang, führte Schlensog aus: das als goldene Regel bekannte Sprichwort "Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg auch keinem andern zu". "Das verstehen selbst kleine Kinder."

Küngs Ideen zogen weite Kreise, sogar weltweit, und wurden weiterentwickelt. 1995 gründete Küng die Stiftung Weltethos. Möglich war dies durch den Unternehmer Graf K. K. von der Groeben, der eine namhafte Summe für die Verbreitung der Weltethos-Idee bereitstellte. Die obersten Ziele der Stiftung sind die Vermittlung ethischer und interkultureller Kompetenz sowie Dialog, Zusammenarbeit und Frieden zwischen den Religionen und Kulturen.

Wie setzt die Tübinger Stiftung dies nun konkret um? Schlensog zufolge beruht deren Arbeit auf zwei Säulen. Die erste ist der interreligiöse Dialog. "Religionen sind nicht nur die großen Brandstifter", erklärte der Referent. "Sie verfügen auch über Potenzial zur Beilegung von Konflikten."

Das habe mittlerweile auch die Politik verstanden. Gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg hat die Stiftung Weltethos das Projekt "Lokale Räte der Religionen" ins Leben gerufen. Ziel ist es, Kommunen im Land dabei zu unterstützen, eigene Räte der Religionen auf lokaler Ebene aufzubauen. 14 dieser lokalen Gesprächskreise, in denen sich alle Religionen austauschen, gibt es mittlerweile im Land. Sie sind Partner der Verwaltungen. Schlensog regte einen solchen Rat auch für den Kreis Freudenstadt an.

Zweite Säule der Stiftungsarbeit ist die Wertevermittlung. In Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen hat die Stiftung das Weltethos-Institut gegründet. Es agiert international, mit dem Ziel, moralisches Handeln in der globalen Wirtschaft sowie den Dialog der Kulturen zu fördern. Die zentralen Aufgaben des Instituts sind somit die Lehre und Forschung sowie das Engagement und der Dialog in der Wirtschafts- und Globalisierungsethik und im interkulturellen Lernen.

Letzteres setze schon früh – in Familien – an, so Schlensog, und werde im Idealfall in Kindergärten und Schulen durch Unterstützung von Lehrkräften und Vermittlung interkultureller und ethischer Kompetenz weitergeführt. Mittlerweile seien 20 Weltethos-Schulen zertifiziert, die die Ideen der Stiftung in ihr Leitbild aufnehmen und im Schulalltag verankern, der wiederum von Respekt und Achtung geprägt ist.

Mit Landesministerien arbeitet die Stiftung in vielen weiteren Projekten zusammen. Das Projekt "Achtung?!" will, in Zusammenarbeit mit der Polizei, eine Radikalisierung von Jugendlichen bereits in einem frühen Stadium verhindern, das Projekt "World Lab" zur Integration von Flüchtlingen bringt Jugendliche aus Vorbereitungs- und Regelklassen an beruflichen Schulen zusammen, um sich mit gemeinsamen Werten zu beschäftigen.

Darüber hinaus arbeitet die Stiftung in Sachen Integration seit Jahren mit dem Deutschen Fußballbund zusammen für eine von Werten getragene Sportkultur bei Aktiven, Betreuern und Funktionären im Amateurfußball – immerhin eine Zielgruppe von 1,8 Millionen Menschen.

Die Wertefrage, schloss Schlensog, sei elementar für das Zusammenleben von Menschen, und es sei alternativlos, den Dialog über Religionen und Grenzen hinweg zu führen. Einen prominenten Unterstützer darf der Generalsekretär an seiner Seite wissen. Die Idee des Weltethos sei keinesfalls obsolet geworden, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier jüngst bei seiner Weltethos-Rede in Tübingen. Sie sei sogar von historischer Dringlichkeit.