Alles im Griff: David Siegel (rechts) und sein Bruder Jonathan fühlen sich auf den Skisprungschanzen pudelwohl. Foto: Geideck Foto: Schwarzwälder-Bote

WintersportDie Dürrenmettstetter Jonathan und David Siegel leben für das Skispringen / Olympia 2018 haben sie fest im Visier

Von Tim Geideck

Bei den Olympischen Spielen in Sotschi waren sie nur Fernsehzuschauer, 2018 aber in Südkorea wollen David und Jonathan Siegel bei den Skisprungwettkämpfen selber mitmischen. Für ihren großen Traum haben die beiden Brüder aus Dürrenmettstetten schon wichtige Weichen gestellt.

Schaut man sich das Foto auf der Internetseite der Bundespolizei an, erkennt man David Siegel fast nicht wieder. Die Uniform lässt das Fliegengewicht beinahe bullig erscheinen, der 17-Jährige wirkt wie ein Erwachsener. Im Elternhaus in Dürrenmettstetten erlebt man ihn hingegen als normalen Teenager mit Zahnspange, der lässig am Wohnzimmertisch sitzt und mit seinem jüngeren Bruder Jonathan (15) viel lacht. Doch nicht nur sein Ohrstecker in Form eines Skispringers zeigt, wohin der Weg führen soll: auf die großen Schanzen dieser Welt.

"Die nächst höhere Schanze kostet schon Überwindung"

Zum Skispringen kam David Siegel eher durch Zufall. Als Fünfjähriger machte er einen Skikurs in Baiersbronn. Der Winter erlebte seine letzten Tage, der Schnee war größtenteils schon getaut, gerade so konnte er seinen Kurs noch beenden. "Aber ich wollte nicht weg vom Schnee", erinnert sich David Siegel, der auf der gegenüberliegenden Schanze sah, dass dort noch Betrieb herrscht – und prompt zum Skispringen angemeldet wurde. "Wenn da Alpine trainiert hätten, wäre ich heute vielleicht Skifahrer", gibt der 17-Jährige zu, der eigentlich aus einer durchweg musikalischen Familie stammt. Der Vater spielt im Posaunenchor, der Onkel ist Organist in der Kirche.

Zunächst fing David Siegel aber – wie in dem Alter üblich – als Nordischer Kombinierer an und holte dort seine ersten Medaillen. Unter anderem wurde er beim Schüler-Cup Zweiter in der Gesamtwertung. Mit dem Laufen wurde er jedoch nie so richtig warm, in den Wettkämpfen warf ihn die Teildisziplin nach guten Ergebnissen im Springen oft zurück. "Ich habe keine Fortschritte mehr gemerkt", sagt David Siegel, der 2010 der Nordischen Kombination den Rücken kehrte und aufs Skispringen umsattelte – mit großem Erfolg. Vor zwei Jahren wurde er deutscher Juniorenmeister im Team, letztes Jahr schließlich auch im Einzel.

Sein jüngerer Bruder Jonathan zog nach und wurde als Fünfjähriger ebenfalls zunächst Kombinierer beim SV Baiersbronn, später dann Skispringer. Angst vor der Höhe hatte er nie. "Ich war eh immer der Draufgängertyp", gesteht Jonathan Siegel, während sein größerer Bruder ergänzt: "Als Kind bekommt man die Gefahren noch gar nicht so mit. Heute kostet das schon eher Überwindung, wenn man auf die nächst höhere Schanze geht."

Ihr Ziel haben die beiden Brüder aus Dürrenmettstetten klar vor Augen: Weltcup und Olympia. "Beim Andreas Wellinger hat man ja gesehen, dass das sehr schnell gehen kann", meint David Siegel. Das Erreichen ihres "großen Lebenstraums", wie sie sagen, fordert jedoch schon jetzt ebenso große Einschnitte. Jonathan Siegel: "Es ist schon ein großer Aufwand, den wir betreiben. Das kostet viel Zeit."

Freizeit haben die Brüder kaum. Fast jeden Tag wird trainiert, hinzu kommen 15 bis 20 mehrtägige Lehrgänge pro Jahr. Die Freizeit aber wie viele andere Jugendliche zu gestalten, darauf haben sie ohnehin keine Lust. "Den ganzen Tag vor dem Computer sitzen ist Zeitverschwendung. Da sind wir schon stolz darauf, etwas Sinnvolles in unserer Freizeit zu machen", merken die beiden Brüder an, die vor allem ihren Eltern und den beiden Trainern Klaus Faißt und Christoph Klumpp für die Unterstützung danken, auch wenn es mal nicht so läuft.

"Größe, Gewicht, Material – das passt ziemlich gut"

Entscheidende Weichen für die Profikarriere haben beide Talente bereits gestellt. David Siegel ist Mitglied des Landeskaders und wurde im September 2012 – nur vier Tage nach seinem 16. Geburtstag – bei der Bundespolizei angestellt. Von April bis Juli wird er dort zum Polizisten ausgebildet, die übrige Zeit für das Skispringen freigestellt. Jonathan Siegel gehört zum D/C-Kader, macht im Sommer seinen Realschulabschluss und will anschließend das Skiinternat in Furtwangen besuchen, das bereits Olympiasieger wie Martin Schmitt, Sven Hannawald und Hansjörg Jäkle hervorgebracht hat.

In diese Fußstapfen wollen auch die beiden Dürrenmettstetter Brüder treten. David Siegel, dessen Stärke besonders der Flug ist, hat derzeit ein sehr gutes Gefühl: "Größe, Gewicht, Material – das passt ziemlich gut." Joanathan Siegel befindet sich noch in der Wachstumsphase und hat daher im Sommer viel experimentiert: "Das war eine schwierige Hürde, jetzt wird es aber besser."

Hinzu kommt der Bruder-Bonus: Beide motivieren sich gegenseitig, die Leistung des anderen gilt immer als Ansporn. "Das ist sehr von Vorteil", unterstreicht Jonathan Siegel, und sein älterer Bruder betont: "Ich freue mich, wenn ich ihm einen Tipp geben kann oder einen von ihm bekomme." Als Besserwisser gehe man in dem Fall nie durch. Beide sagen: "Man weiß ja, dass der andere Ahnung vom Skispringen hat."

Im Wohnzimmer in Dürrenmettstetten geht es inzwischen etwas hektischer zur Sache. Die Skier werden ausgepackt, das Training ruft in Kürze. Kein Bock – das gibt es nicht. Ein Nachwuchstalent, das mit David Siegel die Lehrgänge besucht, durfte im Dezember sogar bei der Vier-Schanzen-Tourne in Oberstdorf antreten. Die Chance ist also da, vielleicht ist er ja dieses Jahr an der Reihe? In solchen Momenten kann man den 17-Jährigen wieder als normalen Teenanger erleben, der von der großen Bühne träumt und sich schon einmal ausmalt, "wie man da oben auf der Schanze sitzt und unten so unglaublich viele Leute jubeln".