Interview: Ein Leben mit Parkinson

Kreis Freudenstadt. Der 11. April ist der Welt-Parkinson-Tag. Günter Nöller (57) aus Baiersbronn lebt mit der Krankheit. Als er die Diagnose erhielt, war er gerade mal 39 Jahre alt. Heute unterstützt er andere, die die Krankheit haben. Wir sprachen mit ihm über seinen Alltag.

Herr Nöller, schon vor Ihrem 40. Geburtstag haben Sie die Diagnose Parkinson erhalten. Welche Gedanken gingen Ihnen damals durch den Kopf?

Die Diagnose habe ich von einem örtlichen Neurologen erhalten und zwar folgendermaßen: "Das Ergebnis der Computertomografie ist negativ, ein Tumor oder ein andere Erkrankung kann somit ausgeschlossen werden. Also ist der Verdacht auf Parkinson positiv ausgefallen. Ich habe Ihnen hier ein Rezept für ein Medikament. Lesen Sie am Besten die Nebenwirkungen im Beipackzettel nicht. Wenn Sie es nicht ganz verwenden, bringen Sie es uns, denn es ist sehr teuer. Und jetzt entschuldigen Sie mich, mein nächster Patient wartet schon." Ich war buchstäblich vor den Kopf gestoßen. Wir hatten noch am selben Tag vor, in den Urlaub zu fahren. Das Rezept löste ich nicht ein. Stattdessen nahm ich Informationen über diese bis heute nicht heilbare Krankheit mit als Urlaubslektüre. Ich brauchte noch ein halbes Jahr, bis ich innerlich bereit war, die Diagnose anzunehmen.

Wie sieht Ihr Leben mit der Krankheit aus?

In der ersten Phase der Krankheit hielten sich die körperlichen Symptome noch sehr zurück. Wegen häufiger Fehlklicks bediente ich die PC-Maus eben mit der anderen Hand. Die psychischen Auswirkungen und wohl auch die Nebenwirkungen der Medikation setzten sehr früh ein: Ich war immer weniger Multi-Tasking-fähig, hatte Schlafstörungen und litt unter Antriebslosigkeit. Zunehmend musste ich mir helfen lassen beim Zuknöpfen der Hemden oder dem Binden der Schuhe. Und ich hatte motorische Probleme mit dem Kleingeld beim Bezahlen. 13 Jahre nach der Diagnose entschied ich mich für die Tiefenhirnstimulation. Bei dieser etwa siebenstündigen Operation werden zwei Elektrosonden etwa von der Stirn bis in die Mitte des Gehirns eingeführt. Sie sind mit einem Impulsgeber verbunden, der über der Brust implantiert ist. Dieser sogenannte Hirnschrittmacher bringt mir eine großartige Erleichterung. Obwohl ich jetzt 18 Jahre Parkinson-Patient bin, kann ich nach dem Einsetzen des zweiten Stimulators meinen Alltag alleine bewältigen. Ich fahre viel Rad, schwimme fast täglich und reise sehr gerne. Ich versuche, mich geistig fit zu halten, indem ich fotografiere, aus den Fotos Videos oder Kalender produziere und im Bekanntenkreis helfe, den Computer flott zu kriegen oder das Smartphone zu bedienen. Eine besondere Bedeutung in meinem Leben hat die Musik, auch wenn ich selbst immer weniger aktiv welche mache. Und nicht zuletzt ist mein Gottvertrauen und der christliche Glaube die Basis, auf der ich mich nicht vor der Zukunft zu sorgen brauche.

Können Sie denn auch Arbeiten gehen?

Das war die erste Frage, die ich dem Neurologen stellte. Ich war bei einer Genossenschaftsbank im Landkreis angestellt und hatte erst zwei Jahre zuvor die Weiterbildung zum Bankleiter abgeschlossen. Es waren dann noch gut vier Jahre, in denen ich immer höhere Aktenstapel vor mir herschob, die Geschäftsleitung mehrfach um Entlastung bitten musste, in der Reha war, es mit Wiedereingliederung versuchte. Den Anforderungen des Arbeitsplatzes war ich immer weniger gewachsen.

Wie ging es dann weiter?

Zuhause fiel mir die Decke auf den Kopf. Ich habe deswegen schon früh angefangen, das Mögliche auch zu tun: bewegte mich viel, nahm die unterschiedlichen Therapien wahr und beteiligte mich an mehreren Studien zur Erforschung der Krankheit. Besonders günstig für mich war der aushilfsweise Einsatz als Kurierfahrer. So konnte ich interessante Touren durch Deutschland und das benachbarte Ausland machen. Unterwegs hatte ich das Gefühl, mehr von dem Botenstoff Dopamin zu produzieren, der bei Parkinson-Kranken immer weniger vorhanden ist, weil die produzierenden Nervenzellen absterben. Dazu kam das positive Erleben, die eingeschränkte körperliche Mobilität durch die Bewegung des Fahrzeugs kompensieren zu können.

Welche Hilfsangebote gibt es in der Region Freudenstadt für Menschen, die an Parkinson erkrankt sind?

Wir haben Fachärzte in der Region, also Neurologen in Freudenstadt, Nagold, Oberndorf. Ich empfehle zudem die regelmäßige Vorstellung in den Parkinson-Ambulanzen der Neurologischen Kliniken, vor allem in den umliegenden Uni-Städten. Ich habe zudem die Erfahrung gemacht, dass der Austausch unter Betroffenen sehr hilfreich sein kann und empfehle die Kontaktaufnahme mit der Selbsthilfegruppe des Parkinson-Verbands hier in Freudenstadt.

 Die Fragen stellte Lena Wind