Stolz präsentierten die Schüler der zwölften Klasse zusammen mit Kunstlehrerin Barbara Ihme ihre Kunstwerke. Fotos: Günther Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: In Freudenstadt wird 100-jähriges Bestehen der Waldorfschulen gefeiert / Tanz und Ausstellung

Weltweit feiern die Waldorfschulen ihr 100-jähriges Bestehen. Dazu leistete auch die Freudenstädter Schule mit einer Ausstellung und einem Tanztheater ihren Beitrag.

Freudenstadt. "100 Jahre Waldorfschule, wer hätte das gedacht?", fragte Lehrerin Barbara Ihme. Dass dabei allerdings auch ein zweites Datum nicht vergessen werden darf, war ihr wichtig, denn "Die Freie Walddorfschule Freudenstadt ist gerade dabei, volljährig zu werden."

Die Ausgangsbedingungen beider Neugründungen waren völlig unterschiedlich. Denn während 1919 in Stuttgart Rudolf Steiner auf Initiative des Direktors der dortigen Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik die erste Waldorfschule gegründete, verdankt die Freie Waldorfschule Freudenstadt ihr Entstehen den Bemühungen einer beharrlich agierenden Elterninitiative. Dass daraus eine Schule entstanden ist, in der sich Schüler wohl fühlen und beachtliche Leistungen erbringen, bewies der Festabend eindrücklich.

Da gab es eine Präsentation der im Rahmen des Kunstunterrichts der elften Klasse hergestellten Gemälde. Hierfür hatten sich die Schüler mit der Malerei vor 100 Jahren auseinander gesetzt, die von ihnen ausgewählten Kunstwerke kopiert, verwandelt und in die Gegenwart transponiert: Ihre Kunstschüler seien "ein Stückweit in den Meisterschuhen gelaufen", analysierte Ihme den Entstehungsprozess, "um danach die Kopien in etwas Eigenes zu verwandeln".

Wie gut ihnen dies gelungen ist, zeigte der anschließende Rundgang durch die Ausstellung. Da waren Kunstwerke von Max Ernst, Paul Klee, Andrea Robbi, August Macke oder Pablo Picasso zu bewundern, in der jeweiligen Interpretation der Kunstschüler der elften Klasse.

Der Kunstverein unterstützt Projekt

Zum Festabend gekommen waren auch zahlreiche Mitglieder des ehemaligen Freudenstädter Kunstvereins, der die diese Aktion durch Spenden unterstützt hatte, sowie Azra Czycholl, die über Rudolf Steiner und die Kunst referierte. Ihrem Resümee "Kunst ist da, um die Erkenntnis und das Bewusstsein zu erweitern", konnten die Besucher nach dem beeindruckenden Abend nur zustimmen.

Der zweite Teil des Festabends war dem zeitgenössischen Tanztheater vorbehalten. Unter der Leitung der Waldorflehrer Torsten Brandes und Nataliya Byelgrad überzeugten die Oberstufenschüler durch eine Tanz-Performance, untermalt durch beeindruckendes Cello- und Geigenspiel und durch zwei von Paul Celan übersetzte Gedichte Ossip Mandelstams. In der von Torsten Brandes entwickelten Performance ging es darum, Bewegungsmöglichkeiten und unterschiedliche Berührungen – alleine und im Zusammenspiel mit anderen – zu erforschen und zu erspüren, was diese auslösen. Die drei Motivstränge Liebe, Kunst und Tod des Stücks wurden dabei durch das Thema Wald verknüpft.

Die Vorstellung, die sich neben Bewegung und Musik auch durch Texte in russischer und deutscher Sprache auszeichnete, endete in einem furiosen Finale: Farbe, Klang und Text vereinten sich zu intensiver Bewegungs- und Begegnungsfreude. Erarbeitet und uraufgeführt hatten die jungen Künstler ihre Performance während einer dreiwöchigen Ukraine-Studienfahrt. Wie Brandes berichtete, erregte dort das fächerübergreifende Projekt so großes Aufsehen, dass die Gastgeber die weiteren Aufführungen kurzerhand in große Studios verlegten. Während dabei die Texte allerdings ausschließlich auf russisch vorgetragen wurden, sprachen die jungen Künstler ihre Texte in Freudenstadt mehrheitlich auf Deutsch. Für ihre Darbietungen ernteten die Schüler viel Beifall.

Die Freudenstädter Waldorfschule geht auf eine Elterninitiative zurück, die bereits in den 80er-Jahren den Waldorfkindergarten in Dietersweiler gründete. Der Weg bis zur Waldorfschule war allerdings steinig und lang. Es waren weder Gebäude noch ausgebildete Waldorflehrer vorhanden, zudem hatte der Bund Freier Waldorfschulen damals einen Gründungsstopp verhängt.

Erst im Jahr 2002 konnte im früheren Gebäude der EnBW beim Hauptbahnhof, dem Standort des heutigen Campus Schwarzwald, mit Gründungslehrerin Ulrike Clauder der Schulbetrieb aufgenommen werden, unter schwierigen räumlichen und personellen Bedingungen. Bereits 2013 konnte dann der Unterricht für einzelne Klassen am neuen Standort an der Friedrich-List-Straße gegenüber dem Berufsschulzentrum beginnen.

Während zunächst lediglich zwei Bürocontainer als Klassenzimmer dienten, steht den 230 Schülern heute ein helles Schulhaus zur Verfügung. In drei Bauabschnitten wurde das Holzgebäude fertiggestellt, ein vierter Bauabschnitt ist schon geplant. Wie Waldorflehrer Martin Zabel berichtet, ist dies notwendig, weil derzeit rund 230 Schüler von der ersten bis zur 13. Klasse die Freudenstädter Schule besuchen und der Platz bereits beengt ist. Das Einzugsgebiet der Schule erstreckt sich auf den gesamten Kreis Freudenstadt, aber auch aus Nachbarorten wie Dornhan, Hausach oder Enzklösterle kommen zahlreiche Schüler.