Im Schwurgerichtssaal am Tübinger Landgericht wird verhandelt. Foto: Müssigmann

Unternehmertochter entführt. Opfer verwickelt Entführer in Gespräche. Mann erwägt Freilassung.

Tübingen/Freudenstadt - Die Unerschrockenheit des Opfers bringt den Entführer aus der Fassung: »Das Mädchen hat mich weichgekocht«, sagt der 51-jährige Angeklagte gestern vor dem Tübinger Landgericht. Er wird beschuldigt, am 10. Mai dieses Jahres eine damals 13-jährige Tübinger Unternehmertochter entführt und von ihrer Familie mehrere Millionen Euro erpresst zu haben.

Er habe die Unternehmerfamilie am Tattag nur ausspionieren und zu einem späteren Zeitpunkt den Vater entführen wollen, sagt der Angeklagte. Als das Mädchen das Haus verließ, habe er eine »Zwei-Sekunden-Entscheidung« getroffen und es durch eine List in sein Auto gelockt. Zunächst habe das Mädchen ängstlich gewirkt, habe dann aber angefangen, ihn auszufragen.

»Sie hat dann die ganze Zeit mit mir geredet. Das hat mich unglaublich gefordert«, sagt der Angeklagte. Er habe sich ohnehin ein einem Ausnahmezustand befunden. »Meine Schläfen haben gepocht.« Einen Plan für die Tat habe er nicht gehabt und habe ihn im Lauf des Tages auch nicht entwickeln können. »Ich hatte keine Zeit, mir Gedanken zu machen.«

Die 13-Jährige ließ sich zumindest nicht offensichtlich einschüchtern: Sie habe ihm das Spiel Personenraten beigebracht. Knapp zwölf Stunden war er mit ihr rund um Freudenstadt im Auto unterwegs. Seine Erpresseranrufe setzte er aus Telefonzellen ab.

Am Morgen habe für ihn bereits festgestanden, wie der Tag enden soll: Er habe gehofft, von Polizisten in der immer wieder aufgesuchten Freudenstädter Telefonzelle erschossen zu werden. Am Abend habe er überlegt, aufzugeben und das Mädchen in eine Kirche zu bringen. »Durch das andauernde Reden hätte ich es abends auch nicht mehr geschafft, sie nur in den Schwitzkasten zu nehmen«, sagt der Angeklagte.

Die 13-Jährige wurde von der Polizei am Abend in Freudenstadt unverletzt befreit, der Entführer überwältigt und festgenommen. Nach der Befreiung habe das Kind hemmungslos geweint, berichtet ein Polizist. Wie die Mutter sagte, habe es die Tat gut verkraftet.