Bei der Durchsuchung findet die Polizei bei dem Angeklagten auch Cannabis-Pflanzen. (Symbolbild) Foto: dpa

Handel nicht nachweisbar. Polizei findet bei Durchsuchung Amphetamine, Marihuana und Cannabis-Pflanzen.

Freudenstadt - Wegen Besitzes von Amphetaminen und Marihuana sowie des Anbaus von vier Cannabis-Pflanzen urteilte das Schöffengericht Freudenstadt unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Michael Gross mit einer deutlich milderen Strafe als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

Sechs Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf Bewährung, plus 80 Stunden gemeinnützige Arbeit sowie die Betreuung durch einen Bewährungshelfer sollen einen Angeklagten wieder auf die richtige Spur bringen.

Vier Cannabis-Pflanzen im Kinderzimmer, 364 Gramm Amphetaminpaste im Kühlschrank und in einer Küchenschublade ließen zunächst den Verdacht aufkommen, dass der Polizei ein richtiger "Fisch" ins Netz gegangen sein könnte. Hinzu kam, dass der angeklagte 36-jährige Mann sich anfangs zu den Vorwürfen nicht äußern wollte, sie dann aber doch einräumte. Es ging um Besitz und Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Details konnte der Mann, der sich selbst als Cannabis-Konsument bezeichnente, nicht nennen.

Im Frühjahr wohnte der Mann in der Wohnung seines Neffen, die von der Polizei durchsucht wurde. Der Neffe wurde zunächst verhaftet und wieder freigelassen, nachdem sein jetzt angeklagter Onkel vier Tage später bei der Polizei ein Geständnis abgelegt hatte.

Kurierfahrten zwischen Freudenstadt und Straßburg

Der Neffe des Angeklagten verweigerte vor dem Schöffengericht Freudenstadt aufgrund seines Zeugnisverweigerungsrechts die Aussage. Licht ins Dunkel brachte die Zeugenaussage eines Freudenstädter Polizeibeamten, der seit jahren Einblick in die örtliche Drogenszene hat. Er berichtete über das mehrere Monate andauernde Ermittlungsverfahren wegen Drogenhandels und Kurierfahrten zwischen Freudenstadt und Straßburg.

Der Angeklagte habe im Vorfeld zu diesem Verfahren und der sich daraus ergebenden Wohnungsdurchsuchung keine Rolle gespielt, erläuterte der Polizist. Er vermutete vielmehr, dass der Angeklagte zum "Bauernopfer" wurde, da ihm die Drogen vermutlich gar nicht gehört hätten und er den Kopf für andere hinhalte. Bei dem gefundenen Amphetamin handelte es sich um ein synthetisch hergestelltes Heroin in Pulverform, das bisher noch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Dieser Substanz wird eine wesentlich stärkere Wirkung als Heroin nachgesagt, die Todesfolgen nach sich ziehen kann.

Der arbeitslose Angeklagte gab an, dass er seit längerer Zeit nicht mehr arbeite, eine Entgiftung hinter sich habe und sich selbst als nicht lebenswert ansehe. Als Grund dafür nannte er einen vor vielen Jahren passierten Unfall, bei dem ein anderer Mensch gestorben war. Deswegen mache er sich immer noch große Vorwürfe. Er selbst hätte dabei sterben sollen, so seine Sicht.

Verteidigerin sieht Mandanten als Bauernopfer

Er belastete sich bei der Polizei und vor Gericht selbst – seine Verteidigerin ging sogar davon aus, dass er verurteilt werden wollte und bereit war, eine Freiheitsstrafe in Kauf zu nehmen. Der Staatsanwalt plädierte wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe. Mit einer dreijährigen Bewährungszeit sollte dem Angeklagten die Chance gegeben werden, sein Leben in den Griff zu bekommen.

Die Verteidigerin zeigte Zweifel, dass mit ihrem Mandanten der Polizei ein "Fisch ins Netz" gegangen war. Sie sah, so wie der Polizeibeamte, in ihrem Mandanten ein "Bauernopfer". Ob seine Schuld zweifelsfrei festgestellt werden könne, überließ sie dem Urteil des Richters.

Michael Gross verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. In seiner Begründung betonte der Richter, dass dem Angeklagten wegen widersprüchlicher Angaben nicht ohne Zweifel geglaubt werden könne. Die Zweifel hätten sich auch nach der Zeugenaussage des leitenden Ermittlers erhärtet. Der Angeklagte nahm das Urteil an.