Rückzug ist nicht. Bei prasselnden Graupelschauern stellte Kreisforstamtsleiter Georg Jehle den Gemeinderäten das LEADER-Projekt "Ellbachseeblick" vor. Foto: Eberhard

An den "Ellbachseeblick" fahren Busse bis zum Steg heran. Stadträte machen sich vor Ort ein Bild.

Freudenstadt - Die Aussichtsplattform am Ellbachsee ist ein viel gelobtes Vorzeigeprojekt. Probleme bereiten allerdings die Interpretationen des Begriffs "barrierefrei". Denn mittlerweile sind bereits Busse an der tief im Wald gelegenen Anlage gesichtet worden.

Der Gemeinderat zeigte sich vorbildgebend: Der Bus hielt am Buchschollenweg, und zu Fuß ging es im Tross hinüber an die barrierefreie Aussichtsplattform "Ellbachseeblick". Dort wollten Oberbürgermeister Julian Osswald und Kreisforstamtsleiter Georg Jehle eigentlich die Gemeinderäte mit dem grandiosen Panorama des außergewöhnlichen Bauwerks beeindrucken. Nur dass es mit der Aussicht leider nichts war. Denn pünktlich zur Ankunft der Besucher schob sich eine prasselnde Graupelwand über Köpfe und Blickfeld der Teilnehmer.

Rückzug kam trotzdem nicht in Frage. "Wir sind doch keine Weicheier", setzte der OB einen Pflock, als Georg Jehle mitleidig anbot, weitere Ausführungen zum Projekt im Bus fortzusetzen. Das interkommunale Vorzeigeobjekt war immerhin Neuland für knapp die Hälfte der Anwesenden, die tapfer den technischen und konzeptionellen Abrissen Jehles in der Kälte folgten. Die Baukosten von rund 100.000 Euro wurden zu 75 Prozent über LEADER-Fördermittel finanziert, den Rest der Kosten teilten sich Freudenstadt und Baiersbronn.

Denn das Projekt steht zwar auf Gemarkung Baiersbronn, ist aber barrierefrei von Kniebis aus zugänglich und wird auch von dort betreut. Gerade die Zugänglichkeit ist es allerdings, die sowohl Kreisforstamtsleiter Georg Jehle als auch Helmut Klaißle, Ortsvorsteher des Ortsteils Kniebis, Stirnrunzeln bereitet. Denn barrierefrei interpretiert mancher Besucher offenbar synonym mit befahrbar – und zwar mit allem, was Räder hat.

Die Zugangswege sind bislang alle unbeschrankt, was dazu führt, das Autos und sogar Busse teils bis an die Plattform heranfahren. Dies sei nicht nur schädlich für Wege und Umwelt, es torpediere auch den eigentlichen Zweck des Projekts – die ungehinderte Zugänglichkeit mit Rollstuhl oder Kinderwagen. "Probleme ergeben sich insbesondere auf dem Buchschollenweg", erklärte Helmut Klaißle auf Nachfrage weiter.

Die asphaltierte Straße darf mit Sondererlaubnis befahren werden, doch inzwischen sind dort auch zunehmend ortsfremde Fahrzeuge zu finden. Nutzerübergreifend ist offenbar ein ausgeprägter Besitzanspruch auf die Straße mit wenig Verständnis und Rücksicht auf die Not von Rollstuhlfahrer oder Kinderwägen. "Denn diese können nicht ausweichen", erklärt Klaißle. Gemeinsam überlegen Forstamt und Ortsverwaltung nun, das wachsende Verkehrsaufkommen mit einer Halbschranke an der Straße zu stoppen. Bis dahin bietet sich mit dem anstehenden Winter eine naturnahe Problemlösung, denn da ist die Straße ohnehin geschlossen.

Weitere Anregungen kamen von Friedrich Volpp (Freie Wähler): "Es ist ein tolles Projekt", erklärte er, für eine ganzheitliche Barrierefreiheit brauche es aber mehr als eine frei zugängliche Aussichtsplattform. In die Broschüren gehörten daher auch detaillierte Hinweise zur nächstgelegenen behindertenzugänglichen Toilette und Gastronomie. Vor allem Letzteres, weiß Volpp, sei nicht zu unterschätzen. "Unter den behinderten Besuchern gibt es zahlungskräftiges Klientel, das ein solches Angebot auch gerne nutzen würde."