Die beiden Ärzte Matthias Kraft (links) und Peter Wasel legen ab 1. Januar ihre Praxen zusammen. Wasel praktiziert noch ein Jahr als angestellter Arzt weiter. Bis dahin soll das Konzept "Hausärzte am Markt" entwickelt werden. Foto: Schwenk

Medizinische Versorgung: Matthias Kraft und Peter Wasel werden die "Hausärzte am Markt". Situation wird sich weiter zuspitzen.

Freudenstadt - "Wir wollen, dass es hier weitergeht", sagt Matthias Kraft. Er ist Hausarzt und Facharzt für Innere Medizin am Marktplatz in Freudenstadt. Ab Januar übernimmt er die Praxis von Peter Wasel im gleichen Haus.

Kraft gehört zu den "Internisten am Markt", einem Zusammenschluss von fünf Mediziner. Im gleichen Haus befindet sich auch die Hausarztpraxis von Peter Wasel. Seit über zwei Jahren sucht der 66-Jährige nach einem Nachfolger. Ohne Erfolg. Trotz intensiver Suche habe sich einfach kein Interessent gemeldet, berichtet Wasel. Was also tun? Die Praxis dicht machen? Rund 1400 Patienten auf die Suche nach einem neuen Hausarzt schicken?

Wasels Patienten bleibt das erspart. Zumindest vorerst. Denn ab 1. Januar werden aus den Praxen von Wasel und Kraft die "Hausärzte am Markt". Das Konzept: Kraft übernimmt Wasels Praxis und seinen Medizinerkollegen gleich mit. Beide Praxen bleiben bestehen, Wasel führt seine bisherige Praxis als angestellter Arzt weiter. Für die Dauer eines Jahres, so lange hat Kraft Zeit, das Projekt "Hausärzte am Markt" zu entwickeln. Kraft würde gerne ein oder zwei Kollegen als angestellte Ärzte ins Boot holen. Die Zahlen geben das allemal her, zusammen bringen es die beiden Praxen auf gut 3000 Patienten.

Bürokratie schreckt Nachwuchs oft ab

Die Obergrenze dessen, was zwei Ärzte leisten können. "Alles darüber wird ungesund", sagt Wasel. Ab Mai bekommen die Hausärzte Unterstützung von einer Ausbildungsärztin. Kraft hofft, dass die Kollegin fest bei ihm einsteigt.

Denn den Medizinernachwuchs zieht es eher selten in den ländlichen Raum. Was die jungen Kollegen abschreckt? Teilweise lange Anfahrtswege bei Hausbesuchen, dazu strenge Auflagen der Kassen und überbordende Bürokratie, zählt Wasel unter anderem auf.

"Das ist ein komplexes Problem", meint Kraft. Und zu dem gehöre sicher auch das negative Bild vom Dasein als niedergelassener Arzt. Mit dem will Kraft aufräumen: "Uns geht es gut. Wo können Sie sich so ausleben, wie in einer eigenen Praxis?"

Klar, die 60plus-Stundenwoche ist für Kraft und Wasel Realität, täglich stehen Hausbesuche im Umkreis von zwölf Kilometern an. Andererseits: "Ich verdiene gut. Dadurch kann ich in meine Praxis investieren, kann den Patienten eine moderne Infrastruktur anbieten", meint Kraft.

Apropos Patienten: Die gibt es im Kreis Freudenstadt in großer Zahl. Während sich seine Kollegen in der Großstadt einen regelrechten Wettbewerb liefern, kann sich Kraft entspannt zurücklehnen. "Wir haben genug Patienten", sagt er. Und denen will das Ärzteteam Kontinuität bieten.

Situation wird sich weiter zuspitzen

Keine leichte Aufgabe, angesichts der Nachfolgerproblematik. Statistisch gesehen, sagt Wasel, sei Freudenstadt was die Ärztedichte angehe schon jetzt unterversorgt. Eine Situation, die sich in den kommenden Jahren wohl noch zuspitzen werde. Schaue man sich den Altersdurchschnitt der niedergelassenen Kollegen an, stünden mindestens drei weitere Hausarztpraxen vor der Herkulesaufgabe einen Nachfolger zu finden.

Jetzt sei die Politik gefordert, sagt Wasel. "Was wir hier machen, ist Regionalentwicklung. Die ärztliche Versorgung ist auch ein Standortfaktor", ergänzt Kraft. "Wir sehen uns hier als Keimzelle."

Doch was passiert, wenn sich bis Ende 2016 kein neuer Kollege findet? "Das wäre der Worst Case", sagt Kraft. Dann müsste er die Praxis seines Kollegen Wasel doch noch schließen. "3000 Patienten allein, das geht nicht."