Berauschend, beklemmend, berührend: Denis Patkovic schuf mit seinen "Gold Mine Variations" ein musikalisches Erlebnis, das über Hörgenuss weit hin-ausging. Foto: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Denis Patkovic präsentiert mit den "Gold Mine Variations" ein ebenso klassisches wie progressives Programm

Von Tina Eberhardt Freudenstadt. Es war ein langer, kreationistischer Moment, der sich mit den "Gold Mine Variations" beim Schwarzwald Musikfestival vollzog. Die musikalische Kombination versprach bereits im Vorfeld Ungewöhnliches: Eine neue Beleuchtung von Bachs Goldberg-Variationen – auf einem Akkordeon.

Denis Patkovic, geboren in Calw, mittlerweile als Künstler in der ganzen Welt unterwegs, hat Bachs barockes Variationskunstwerk nicht nur im Original auf das schwere Handzuginstrument übertragen, sondern gemeinsam mit dem finnischen Komponisten Jukka Tiensuu durch neuzeitliche Elemente ergänzt. In Gegenrede zu Bachs Variationen entstand durch Tiensuus Hand die Komposition "Erz", deren 14 Sätze von Patkovicćkorrespondierend in das Originalwerk eingeflochten wurden.

Podium für dieses außergewöhnliche Werk war die Kreissparkasse in Freudenstadt, der "Philharmonie des Schwarzwald Musikfestivals", wie Intendant Mark Mast titelte. Seit der ersten Stunde ist die Institution Förderer des Festivals. Da war es passend, dieses so klassische und zugleich progressive Programm hier zu präsentieren.

Mit klangstarkenMelodien verschmolzen

Schweigende Spannung breitete sich in der Schalterhalle aus, als Patkovic Platz nahm und minutenlang über seinem Instrument verharrte, während fast unmerklich die ersten Töne des Auftaktwerks, Toshio Hosowakas "Melodia", aus dem Korpus drangen. In einem schöpfungsgleichen Akt steigerten sich die dissonanten Akkorde unter Patkovics Händen zu einem eigenen Klanguniversum von nahezu physischer Intensität, um dann in einem ergreifenden schönen Übergang in die leicht wehmütige Melodie des ersten Goldberg-Satzes "Aria" zu gleiten.

Zu keinem Moment hob Patkovic den Blick ins Publikum. Der Akkordeonist verschmolz mit seinen klangstarken Melodien. Nahtlos fließend, in perfekter Homogenität reihten sich Tiensuus "Erz"-Sätze in Bachs barocke Variationen. Es war nicht nur die wunderbare Musik, die für bewegende Momente sorgte, sondern die Authentizität von Patkovis innigem Spiel, dieser Symbiose von Mensch und Instrument. Musik war hier kein Akt mehr, sondern ein Zustand des Seins.

In berauschender Folge reihten sich die Sätze aneinander. Wie ein gespieltes "Amen" verhallten Bachs Variationssätze teils in den Hallen der Sparkasse, um unmittelbar folgend von Tiensuus drängend intensiven Kompositionselementen weitergetragen zu werden. Als der Künstler nach 85 Minuten erstmals den Blick hob, zog sich Applaus durch die Reihen. Und plötzlich wurde aus dieser schöpferischen Gewalt ein gelassener Mensch, der in seinen schwarzen Turnschuhen erfreut die Honorierungen des Publikums entgegen nahm.

Mit einem bescheidenen Lächeln erklärte Patkovic, er würde zum Abschluss gerne nochmals die "Aria" spielen, denn so hätte es sich auch Bach ursprünglich gedacht. Es hatte niemand etwas dagegen. Und das mit der "Philharmonie" in der Sparkasse – da hatte Intendant Mark Mast gar nicht so Unrecht.