Felix Huby und Hildegard Plattner Foto: FACTUM-WEISE

Das Bühnenbild, ein Schrebergarten, ist Schauplatz für das Freilufttheater „55 Sommer“, das am 21. Juni beim Hofgut Mauren bei Ehningen im Kreis Böblingen Premiere hat. Hildegard Plattner, die Theaterleiterin der Böblinger Kunstschule, gibt dort ihren Abschied.

Das Bühnenbild, ein Schrebergarten, ist Schauplatz für das Freilufttheater „55 Sommer“, das am 21. Juni beim Hofgut Mauren bei Ehningen im Kreis Böblingen Premiere hat. Hildegard Plattner, die Theaterleiterin der Böblinger Kunstschule, gibt dort ihren Abschied.

 

Böblingen - „Hildegard Plattner lässt es zum Schluss noch mal richtig krachen“, umschreibt Elke Gohmert vom Vorstand des Fördervereines der Kunstschule die Dimension dieser Theaterproduktion. Denn für ihren Schlussakkord zieht die passionierte Theaterschaffende und Regisseurin alle Register. Setzt ein Ensemble von mehr als 80 Mitwirkenden in Szene, gestaltet ein Stück Landschaft neu, scheut nicht vor einer gewaltigen Logistik zurück und besitzt den langen Atem, den Kunst und Natur zum Reifen gleichermaßen brauchen.

Entstanden ist „Sommerglück“ pur, wo sonst Markus Scheible und seine Frau Elisabeth Kenntner-Scheible vom Hofgut Mauren ihren Acker bewirtschaften. Mit sieben Gartenhäuschen, das eine schwäbisch ordentlich, das andere eher etwas liederlich und ein drittes so winzig, dass nur ein Gartenzwerg reinpassen würde. Mit Bäumen, Sträuchern, Blumenkästen und Töpfen voller Geranie, Dahlien, Studentenblumen, Tagetes und Ringelblumen. Und mit Beeten, in denen bald Erdbeeren, Salat, Lauch, Kohlrabi und gelbe Rüben geerntet werden können. Professionell gepflanzt und angelegt von dem Dettenhäuser Gärtner Sven Kornherr. Alles im Dienste der Theaterkunst. Doch nichts ist künstlich, alles ist echt, genau wie im richtigen Leben.

Das gilt auch für das Stück „55 Sommer“, das der Krimi-, TV-Serien und Theaterautor Felix Huby zusammen mit seinem Co-Autor Hartwin Gromes geschrieben hat und das in dieser Kulisse unter freiem Himmel gespielt werden wird. „In der Schrebergartenanlage ,Sommerglück‘ tobt das Leben“, verspricht Hildegard Plattner. Hier werden die Zuschauer mitgenommen auf eine Zeitreise von 1945 bis zum Jahr 2000 und vermutlich so manches aus dem eigenen Leben wiedererkennen und nachfühlen können. Im Mai 1945 bejubeln die Kögels, die Kümmerles und wie sie alle heißen, das Kriegsende. Nur Egon Steinhardt, überzeugter Parteigenosse, muss schnell seine Hakenkreuzbinde verschwinden lassen.

Die Währungsreform bringt frisches Geld, gegen die Quartier suchenden Flüchtlinge aus Ostpreußen will man auch kein Unmensch sein, Männer kommen vom Krieg heim und sind nicht nur willkommen, das Wirtschaftswunder macht die ersten Schrebergärtner zu stolzen Autobesitzern. Dafür hat Claus Scherer, Architekt, Mitspieler und begnadeter Organisator, eine ganze Kollektion Oldtimer aufgetrieben. Bis hin zum BMW-Motorradgespann mit Beiwagen von 1941, dessen Besitzer versichert, dass das Motorrad mit Erwin Rommel in Afrika gewesen sei. Und später rollt auch ein pinkfarbener Trabbi an. Denn authentische Requisiten, vor allem modischer Art, verleihen diesem Bilderbogen, der sich bis in unsere Tage spannt, einen besonderen Reiz- Die Kostüme, für die Bärbl Kehrer zuständig ist und aus einem reichen Fundus schöpfen konnte, hängen schon aufgereiht in den Garderobe-Containern.

Wie ist Hildegard Plattner nur auf die Idee dieses wahrlich einmaligen Projektes gekommen? „Ich wollte persönliche Geschichten, aber auch von Böblingen und von Deutschland erzählen. Und es sollten alle, die in den Jahren zuvor mit mir Theater gemacht haben, bei meinem Abschied dabei sein“, sagt die Kärntnerin. „Und das sind mehr als 80 Männer, Frauen und Kinder.“ Felix Huby bekennt, dass er beim Wunsch von Hildegard Plattner nach einem Stück mit so vielen Rollen auch erst mal ratlos gewesen sei: „Vielleicht eine Hausgemeinschaft?“ Nein, lehnte die Prinzipalin ab, das geht gar nicht“. „Besser ein Schrebergarten?“ Volltreffer. Hier wird bald geliebt, gestritten und gelacht. Und gesungen. Nach Texten von Huby und der Musik des Komponisten Martin Johnson.

In dieser Kulisse hätten leicht noch mal so viele Darsteller Platz und Entfaltungsmöglichkeit. Aber wie schafft man es als Regisseur, so viele Rollen in Szene zu setzten? Die Theaterprinzipalin, die schon ganz andere Brocken wie 2003 die Bauernoper mit 800 Mitwirkenden zum 750-Jahr-Jubiläum von Böblingen gestemmt hat, seufzt trotzdem: „Es ist ein richtig schwerer Brocken und ich denke mir manchmal, wer sich eingebildet hat, dieses Stück machen zu wollen, muss richtig bescheuert sein.“

Denn auch finanziell nötigt das Unternehmen Respekt ab: Die Produktion kostet an die 270 000 Euro“, gibt Hildegard Plattner Auskunft. Aus Fördertöpfen von Stadt und Land hat sie dafür 115 000 Euro locker gemacht, „der Rest muss jetzt noch eingespielt werden“.

Endspurt für die Proben, die seit dem 1. Mai hier auf Hochtouren laufen: Dafür müssen alle Mitwirkenden, Laien wohlgemerkt, aber mit Lust und Leidenschaft, ihre Wochenenden voll zur Verfügung stellen, in den Pfingstferien wird bis zur Premiere durchprobiert.

„Es ist ein Wahnsinn“, staunt Elisabeth Kentner-Scheible, „mit wie viel Herzblut und Einsatz hier gearbeitet wird. Darum stellen die Besitzer des Hofgutes Mauren mit der schönen alten Kirche aus dem 13. Jahrhundert gern ihren Grund und Boden „als Heimat auf Zeit zur Verfügung“, wie Markus Scheible betont.