Blumen und Grablichter stehen an Baum in Freiburg.  Warum wurde Verdächtiger aus griechischer Haft entlassen?

Freiburg/Athen - Ist das der Durchbruch im Fall der getöteten Studentin in Freiburg? Eine griechische Anwältin will den Verhafteten wiedererkannt haben. "Ja, das ist der junge Mann, den ich 2013 verteidigt habe. Ich habe keine Zweifel", sagte die Rechtsanwältin Maria-Eleni Nikopoulou gestern in Athen. Sie habe ihn auf Fotos identifizieren können. Den Freiburger Fall habe sie in den Medien verfolgt. Schon 2013 soll der afghanische Flüchtling 16 bis 17 Jahre alt gewesen sein.

Opfer auf der Insel Korfu war damals eine 20-jährige Geschichtsstudentin, die er eine zehn Meter hohe Ufermauer heruntergeworfen haben soll. Das Opfer überlebte schwer verletzt. Der Angeklagte wurde dafür zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Nach etwa eineinhalb Jahren sei er unter Auflagen entlassen worden, sagte die Anwältin der "Bild". Danach verliert sich seine Spur. Die Hintergründe der Freilassung in Griechenland sind unklar.

Zwei Monate nach dem Mord an einer Studentin in Freiburg und knapp zwei Wochen nach der Festnahme des Verdächtigen stehen die Ermittler unter Druck. In Freiburg wird dem angeblich 17-Jährigen vorgeworfen, Mitte Oktober dieses Jahres eine 19 Jahre alte Studentin vergewaltigt und ermordet zu haben.

Wegen Suizidgefahr wird der mutmaßliche Täter in der JVA-Klinik Hohenasperg rund um die  Uhr  bewacht

Am Tatort in Freiburg waren DNA-Spuren von ihm gefunden worden, sieben Wochen nach dem Tod der Studentin wurde er festgenommen. Seit seiner Festnahme Anfang Dezember sitzt er in Untersuchungshaft. Er äußert sich nicht und hat einen Anwalt. Zur Frage, wo und wie er in Haft sitzt, will die Staatsanwaltschaft nichts sagen. Aus Ermittlerkreisen sickerte durch, dass der mutmaßliche Mörder sich inzwischen im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg bei Ludwigsburg befindet, wo Gefangene speziell betreut und medizinisch versorgt werden. Er werde wegen möglicher Suizidgefahr rund um die Uhr bewacht.

Die Staatsanwaltschaft ging bislang davon aus, dass das mit 17 angegebene Alter korrekt ist. Nun hat sie bei der Rechtsmedizin der Freiburger Universität ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Experten dort sollen das Alter des Verdächtigen bestimmen. "Wir haben eine richterliche Anordnung, die Röntgenaufnahmen von Hand und Schlüsselbein erlauben", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Außerhalb von Strafverfahren, also etwa bei der Erstregistrierung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, sind solche Methoden mittlerweile unüblich. Es solle mit "schonendsten Maßnahmen" das Alter überprüft werden, heißt es in einem Bundesgesetz zur Unterbringung und Versorgung minderjähriger Flüchtlinge vom November 2015. In einer Handreichung des Innenministeriums an die Jugendämter vom Sommer 2016 heißt es, auf Röntgenaufnahmen solle verzichtet werden.

Das genaue Alter ist für das Gericht wichtig: Ist ein Täter zur Tatzeit jünger als 18 Jahre, gilt Jugendstrafrecht. Es drohen maximal zehn Jahre Haft. Ist er älter, können Juristen auch härter bestrafen.

Die Freiburger Ermittler stehen nun vor einem Problem: Sie müssen nach Angaben einer Sprecherin verwertbare Informationen der griechischen Polizei und der dortigen Justiz abwarten. Möglich ist unter anderem das Abgleichen von auffälligen Tätowierungen. Medienberichten zufolge hatte der Täter in Griechenland solche Tätowierungen am Körper, offiziell bestätigt ist dies von der Polizei aber nicht.

Nach Erkenntnissen deutscher Behörden ist der Verdächtige Mitte November 2015 ohne Pass von Griechenland über Österreich nach Deutschland eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Man müsse auf Angaben des Verdächtigen zu seinem Alter vertrauen, "insbesondere wenn keine Personaldokumente mitgeführt und dementsprechend auch nicht vorgelegt wurden", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gestern in Berlin.

Auf Anfragen zum Verdacht eines weiteren Verbrechens auf der Insel Korfu warte Deutschland noch auf Antwort Griechenlands. Der junge Mann sei "vollständig erkennungsdienstlich behandelt" worden, beim Prüfvorgang habe es keinen Treffer gegeben. Der Asylbewerber sei "weder bei Interpol noch im Schengener Informationssystem zur Fahndung ausgeschrieben" gewesen.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Freiburg sagte, die Ermittler seien auf Auskünfte der griechischen Polizei angewiesen. Beweise, dass es einen Zusammenhang gibt, fehlten bislang. Der Kontakt nach Griechenland laufe über das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden. Ob und wann Antworten auf die übersandten Fragen kommen, ist unklar. Das Verfahren, sagt eine Sprecherin, sei kompliziert und zeitaufwändig. Klar ist: Die nach der Tat gebildete Sonderkommission "Dreisam" ermittelt weiter mit 68 Beamten. Laut Polizei gibt es keine Augenzeugen. Zudem ist offen, ob der Verdächtige und das Opfer sich kannten.

Ex-Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) sprach sich dafür aus, für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) generell ein Asylverfahren zu eröffnen, um damit Datenabfragen bei anderen EU-Staaten in Gang zu setzen: "Wenn sich herausstellen sollte, dass dies eine Sicherheitslücke ist, müssen wir die schließen", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion unserer Zeitung. Bisher seien solche Datenabgleiche bei UMA kein Standard, weil die Jugendämter, denen die Minderjährigen zugewiesen wurden, nur im Ausnahmefall einen Asylantrag für sie stellten.

Im vorliegenden Fall soll dies sogar bereits geschehen sein. Ob eine routinemäßige Datenabfrage erfolgte, ist unklar. "Alle Abfragen, die man hätte machen können, hätten ohnehin kein Ergebnis erbracht, weil die Griechen offenbar nichts über den Mann in die Dateien eingestellt hatten", sagte der Lörracher CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Leiter der Bundespolizeidirektion in Weil am Rhein, Armin Schuster. Die Rolle der Griechen sei "extrem merkwürdig", sagte Schuster.

Den Mitarbeitern in der Jugendhilfe des zuständigen Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald wollte Schuster keine Vorwürfe machen. "Ein Jugendamt ist keine Polizeibehörde." Allerdings stelle sich die Frage, ob im Falle der UMA das Vertrauen der deutschen Seite von einer kleinen Gruppe "heftig missbraucht" werde. "Wir müssen prüfen, ob wir das so lassen können."

Auch Gall votierte dafür, dass das rechtliche Instrumentarium, das für Asylbewerber gelte, auch bei Minderjährigen greife, um so eventuelle Straftäter erkennen zu können. Am besonderen Schutzstatus von minderjährigen Flüchtlingen ändere dies nichts.