Ein 33-Jähriger aus Spanien hat im Missbrauchsprozess von Staufen ein Geständnis abgelegt. (Symbolfoto) Foto:  vkara /Fotolia.com

Kind mehrfach vergewaltigt und hierfür Geld bezahlt. Vergewaltigung ohne Gewalt?

Freiburg/Staufen - "Hallo, junger Mann": Das seien seine ersten Worte gewesen, als er sein Opfer kennenlernte. Javier G.-D. (33) ist einer von nur zwei Angeklagten im Prozessmarathon um den Staufener Missbrauchsfall, der öffentlich über sich, seine sexuellen Neigungen und Taten aussagt. Seit Donnerstag steht er in Freiburg vor Gericht. Die Anklage umfasst 17 Punkte, darunter die Erstellung und den Vertrieb von Kinderpornos, Körperverletzung und 15 Fälle des Missbrauchs und der Vergewaltigung.

Nahezu alles, was man ihm vorwirft, stimme auch, lässt der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung über seine junge Stuttgarter Verteidigerin Mona Hammerschmidt verlesen. Ihrem Mandanten sei bewusst, was er getan hat, behauptet die Verteidigerin. Ihm sei aber auch wichtig, zu betonen, dass er keine Gewalt gegenüber dem Jungen angewendet habe und das Kind auch nicht gefesselt habe bei den Vergewaltigungen, fügt die Anwältin hinzu. Man spürt, dass es der Frau fast unangenehm ist, diese Details im Auftrag des Angeklagten vorzutragen.

Kein Wunder: Ist doch der Widerspruch offensichtlich, wenn ein geständiger Vergewaltiger behauptet, "keine Gewalt" gegenüber seinem Opfer angewendet zu haben. Für Staatsanwältin Nikola Novak ist jedenfalls klar: Javier G.-D. ist ein klarer Fall für die Sicherungsverwahrung, das betont sie schon beim Verlesen der Anklage.

Der im März 1985 in der Nähe von Barcelona geborene EDV-Experte ist in der Zeit zwischen September 2016 und August 2017 mehrfach in Südbaden gewesen, um sich mit den Haupttätern im Missbrauchsfall, Michaela Berrin T. (48) und Christian L. (39), zu treffen und den Sohn von T. zu missbrauchen. Dazu wurden bei vier Gelegenheiten Ferienwohnungen in Ringsheim und Kippenheim in der Ortenau als Tatorte gemietet. G.-D. zahlte insgesamt eine fünfstellige Summe, spendierte dem Opfer und der Familie einen neuen Fernseher, Videospielkonsolen und andere elektronische Geräte. Vom gemeinsamen Ausflug in den Europa Park in Rust (Ortenaukreis) fand man später ein Erinnerungsfoto in der Wohnung von Berrin T.

Der Angeklagte hatte sich zuvor über seine Vorlieben ("Schläge, Blut") mit Christian L. ausgetauscht. Er soll, behauptet Christian L. in mehreren Aussagen, auch Tötungsfantasien gehabt haben und in einem bis heute verschollenen Tötungsvideo eines Mädchens zu sehen sein.

Ansehen kann man dieses düstere Innenleben Javier G.-D.s freilich nicht: Mit seinem korrekten Kurzhaarschnitt, dem Dreitagebart und der spitz zulaufenden Nase sieht der eher kleine, stämmige Brillenträger fast aus, als sei er einem Comic-Heftchen entsprungen. Schon als Kind habe er geglaubt, dass er schwul sei, sagt der Angeklagte aus. Dann habe er aber festgestellt, dass seine sexuelle Vorliebe sich auch weiterhin auf Jungs im Alter von neun oder zehn Jahren ausrichtet.

"Ich habe versucht, mein Leben normal einzurichten", beteuert der Angeklagte. Beziehungen mit Frauen habe er ausprobiert, sie seien aber gescheitert. Beim Sex habe er stets an kleine Jungs gedacht. Manchmal habe er das Gefühl, als seien zwei Menschen in ihm. Therapeutische Hilfe habe er gesucht, aber nicht bekommen; ein Psychiater habe ihm gesagt, dass man ihm nicht helfen und er sich lieber gleich umbringen solle.

Irgendwann sei er depressiv geworden, lässt der Angeklagte durchblicken und vermittelt dabei den Eindruck, dass ihm seine Taten am Sohn von Berrin T. schwer auf dem Gewissen lasteten. "Sollte ich in Deutschland ins Gefängnis kommen, will ich umgehend die Sprache lernen und eine Therapie beginnen", verspricht G.-D., gegen den in der übernächsten Woche nach fünf Verhandlungstagen ein Urteil ergehen soll.