Besucher, Journalisten und Polizisten stehen vor Prozessbeginn vor dem Landgericht Freiburg. Foto: dpa

Angeklagter im Dreisam-Mordprozess um Medizinstudentin Maria L. macht erstmals umfassende Aussagen.

Freiburg - Monatelang hat Hussein K. nach seiner Festnahme und in der Untersuchungshaft zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft und zu seiner eigenen Person geschwiegen. Am Dienstag hat er eingeräumt: Als er im Herbst 2015 nach Freiburg kam und dort angab, er sei 16 Jahre alt, hat er sich zwei Jahre jünger gemacht, um die Vorteile einer besseren Unterbringung als jugendlicher Asylsuchender zu genießen.

Bekannt wurde zu Prozessauftakt, dass der junge Mann, der als seinen Geburtstag überdies nach wie vor den 12. November 1999 angibt, möglicherweise iranischer Staatsbürger ist und sich womöglich fälschlich beim Asylantrag als Afghane ausgab, als er in Freiburg ankam. Der Angeklagte im Prozess um den Mord an der 19 Jahre alten Medizinstudentin Maria L. in Freiburg im vergangenen Oktober will sich am Montag zur Tat äußern. Eigentlich wurde seine kurzfristig angekündigte Aussage schon für den Prozessauftakt am Dienstag erwartet.

Im Laufe des Verhandlungstages sagte der Angeklagte dann aber, er sei nach den Ausführungen zu seinem Lebenslauf "zu müde", um auch gleich noch die Tat zu schildern. Hussein K. wirkt schon müde und niedergeschlagen, als er mit Jeans und einem dunkelroten Pulli bekleidet am Morgen in Handschellen und Fußfesseln ins Gericht gebracht wird: Pflichtverteidiger Sebastian Glathe zufolge hat sein Mandant eine starke Beruhigungspille genommen und in der Nacht vor dem Prozessauftakt nicht geschlafen. Mit gesenktem Haupt lässt Hussein K. das Blitzlichtgewitter der zahlreichen anwesenden Pressevertreter im voll besetzten Saal 4 des Freiburger Landgerichts über sich ergehen. Der kräftig wirkende junge Mann mit den asiatisch anmutenden, fast kindlich wirkenden Gesichtszügen erscheint wie ein eingeschüchterter Schulbub bei seinem ersten Auftritt vor Gericht.

Als er später seine Aussage beginnt, ist seine Stimme kaum wahrnehmbar, nur die des Dolmetschers ist hörbar. Schwer vorstellbar, dass der in sich zusammengesunkene junge Mann eine so schwerwiegende Tat begangen haben soll, wie Oberstaatsanwalt Eckart Berger sie ihm in der Anklage vorwirft: Demzufolge hat Hussein K. sein Opfer Maria L. in der Nacht zum 16. Oktober 2016 auf dem Radweg an der Dreisam in Freiburg angehalten, vom Rad gezerrt und bewusstlos gewürgt. Dann schleppt er sie auf einen Grasstreifen an der Dreisam, entkleidet sie teilweise und vergeht sich an der jungen Frau. Er beißt ihr ins Gesicht, in die Brust und in den Bauch, und vergewaltigt und misshandelt die 19-Jährige auch "mit einem Gegenstand", erklärt die Anklage.

Für Oberstaatsanwalt Berger ist der Fall klar: Der Angeklagte begeht einen heimtückischen Mord zur Befriedigung seines Sexualtriebes. Dabei fügt er ihr im Genital- und Analbereich schwere Verletzungen zu. Anschließend, legt er die bewusstlose junge Frau mit dem Gesicht nach unten in die Dreisam, sodass sie dort ertrinkt. Eine Joggerin findet Maria L. am folgenden Morgen tot in dem Flussbett. Für Oberstaatsanwalt Berger ist der Fall klar: Hussein K. hat einen heimtückischen Mord zur Befriedigung seines Sexualtriebes begangen. Er soll dafür nicht nur eine lebenslängliche Haftstrafe erhalten, sondern nach 15 Jahren auch in Sicherungsverwahrung kommen.

Mord hatte schwer erschüttert

Der Mord an Maria L. hatte im vergangenen Herbst die Menschen nicht nur in Freiburg schwer in ihrem Sicherheitsgefühl erschüttert. Dazu kam die große Empörung als klar wurde, dass ein Mann, der als Schutzsuchender nach Deutschland gekommen ist, sechs Wochen nach der Tat als Verdächtiger verhaftet wurde. Entsprechend groß ist am Dienstag zu Prozessbeginn auch das öffentliche Interesse am Mordprozess: Schon früh bilden sich lange Warteschlangen vorm Freiburger Landgericht, wo alle der 100 Zuschauer und viele der knapp 50 Journalisten einer Sicherheitskontrolle unterzogen werden, bevor sie den Zuschauerraum betreten dürfen. Vertreter des linken Spektrums demonstrieren vor dem Gericht gegen die Vereinnahmung des Falls durch rechtsgerichtete Gruppen wie die AfD, deren regionale Mitglieder am Dienstag zum Teil als Zuschauer an dem Verfahren teilnehmen.

Mehrere Stunden berichtet Hussein K. über sein Leben, seine Herkunft und seinen Weg nach Deutschland: Nicht alle Details aus dem Leben des Angeklagten werden am Dienstag öffentlich verhandelt: Richterin Kathrin Schenk akzeptiert einem Antrag des Verteidigers, wonach die Zeit des Angeklagten als Jugendlicher in der Koranschule, in der Hussein K. angeblich misshandelt und selbst sexuell missbraucht wurde und weshalb er Afghanistan verließ, nicht öffentlich zu Gehör kommt. Auch Details zu den sexuellen Einstellungen des Angeklagten werden zunächst nicht öffentlich verhandelt: Der Schutz der Persönlichkeit des Angeklagten stehe hier über dem öffentlichen Interesse, zumal zumindest theoretisch noch immer unklar ist, ob Hussein K. nicht vielleicht doch noch ein Jugendlicher sein könnte. Sehr wahrscheinlich ist dies indes nicht: Zwei medizinische Gutachten legen nahe, dass Hussein K. sogar bereits Mitte 20 sein dürfte.

Hussein K. behauptet er sei 19

Auch Oberstaatsanwalt Berger konfrontiert den mutmaßlichen Mörder mit dessen eigenen Angaben, wonach er sich bei seiner Einreise nach Deutschland jünger gemacht habe, als er in Wirklichkeit sei. Legt man diese Rechnung zugrunde, so ist Hussein K. derzeit zumindest 20 Jahre alt. Er selbst bestreitet dies am Dienstag jedoch wiederholt und behauptet, er sei 19. Die Altersfrage ist eine der Kernfragen in dem Prozess, da sie Auswirkungen auf das mögliche Strafmaß in dem Fall hat. Er sei in Afghanistan geboren und dort in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, berichtet der junge Mann. Früh habe er Sachen geklaut Über mehrere Stunden hinweg erzählt Hussein K. seine Lebensgeschichte: Er sei in Afghanistan geboren und dort in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, berichtet er mit leiser Stimme. Schon früh habe er Diebstähle begangen, vor allem nach dem Tod seines Vaters im Krieg gegen die Taliban. Es folgte die Ausreise in den Iran, wo Hussein K. in Teheran bei seinem älteren Bruder gearbeitet haben will, von dem er aber weder Name noch Alter wissen will. Vom Iran aus habe der Bruder ihn wegen seiner Medikamentenabhängigkeit in die Türkei geschickt. Über verschiedene Schlepper sei er schließlich in Griechenland gelandet, wo das Leben "die Hölle" gewesen sei: Armut, Raub und Diebstahldelikte prägen dort zwei Jahre lang seinen Alltag. Ab und an hat er wohl auch einen Job.

Dann folgt schließlich die Verurteilung wegen eines versuchten Mordes an einer jungen Frau, über die Hussein K. aber nichts berichten will. Im Jahr 2015 schließlich, nach der vorzeitigen Haftentlassung in Griechenland, folgt die Flucht über Mazedonien, die Slowakei und Österreich nach Köln. Von dort verschlägt es Hussein K. im Herbst 2015 schließlich nach Freiburg, weil ein Freund ihn dort haben will. Hussein K. kommt bei einer Pflegefamilie unter und erhält 400 Euro Taschengeld im Monat, die er größtenteils für Drogen und Wodka ausgegeben haben will. Nach der Schule habe er meist mit Freunden in der Innenstadt gekifft und getrunken. Seine afghanischen Pflegeeltern hätten davon nichts mitbekommen. Er habe es gut bei ihnen gehabt. Alkohol und Drogen habe er genommen, weil er "nachdenklich" gewesen sei und seine Familie vermisst habe.