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Höchststrafe gegen Hussein K. verhängt. Richterin bezeichnet Täter als gewissenlosen, selbstsüchtigen Mann.

Freiburg - "Mit großem Respekt", schreiben Clemens und Friederike L. in ihrer Stellungnahme am Donnerstag, "nehmen wir Kenntnis vom heutigen Urteil, mit dem der Mord an unserer geliebten Tochter Maria angemessen geahndet worden ist." Die Eltern der ermordeten Maria L. haben nach dem Urteil gegen den Mörder ihrer Tochter mit bewundernswerter Stärke reagiert: "Der Rechtsstaat hat unter Beweis gestellt, wie viel ihm das Leben eines Menschen und die Ermittlung der Wahrheit wert sind." Seine Reaktion auf die Tat könne sicherstellen, dass von dem Verurteilten keine Gefahr mehr ausgehen kann "und dazu beitragen, dass sich solches Geschehen hoffentlich nie wiederholt". Maria, erklären ihre Eltern, "war für uns ein großer Sonnenschein und wird es immer bleiben".

Zuvor hatte das Landgericht Freiburg gegen den Mörder Hussein K. die schärfste Strafe verhängt, die das Strafgesetzbuch hergibt: eine lebenslängliche Haft, die aufgrund der besonderen Schwere der Schuld des Angeklagten nicht nach frühestens 15 Jahren in eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung münden kann. Und die Option auf eine anschließende Sicherungsverwahrung, sollte Hussein K. bis dahin noch immer als gefährlich gelten. Zweifel, dass dies so sein wird, ließ Richterin Kathrin Schenk kaum aufkommen. Sie bezeichnete den Täter in ihrer Urteilsbegründung als gewissenlosen, selbstsüchtigen Mann, von dem wohl auch in der Zukunft die Gefahr schwerer Delikte vor allem gegenüber Frauen ausgehe. Es liege an ihm, sich in der Haft zu ändern und irgendwann in ferner Zukunft eine bessere Prognose für eine Haftentlassung zu bekommen. Die Aussichten dafür seien aber gering, wenn man beispielsweise in Betracht ziehe, dass Hussein K. aus seiner Verurteilung wegen des versuchten Mordes an einer jungen Frau in Griechenland 2014 nichts gelernt habe, sondern stattdessen im Herbst 2016 in Freiburg ein noch schlimmeres Verbrechen begangen habe.

Urteil mit verhaltenem Applaus aufgenommen

Das Urteil gegen K. wurde im Gerichtssaal mit verhaltenem Applaus aufgenommen, während vor dem Gerichtsgebäude die Jugendorganisation der AfD den Urteilstag für eine ihrer rechtsgerichteten Propaganda-Auftritte mit Megafon, fremdenfeindlichen Parolen und Polit-Schelte nutzte. Der Fall habe viele solche "Hintergrundgeräusche" verursacht, meinte die Richterin. Dabei hätten am Ende weder die Herkunft des Angeklagten noch sein Flüchtlingsstatus oder die politischen Rahmenbedingungen für das Verfahren eine Rolle gespielt: Der Mord sei "eine Tat, die von einem Menschen begangen wurde, der allein verantwortlich ist und sich über das Tötungsverbot hinweggesetzt hat". Dies sei alles nicht im Affekt geschehen und auch nicht in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit. Hussein K. habe vielmehr den Tod seines Opfers "unbedingt gewollt" und herbeigeführt, um einer möglichen Anzeige wegen der Sexualstraftat, die er an Maria begangen hatte, zu entgehen.

Knapp eineinhalb Jahre nach dem brutalen Mord an Maria L. ist damit nach sechs langen Verhandlungsmonaten ihr Mörder verurteilt worden. Richterin Schenk und Marias Eltern in ihrer Stellungnahme betonten am Donnerstag übereinstimmend, wie akribisch die Polizei in diesem Fall gearbeitet hat. Dass der Prozess so lange gedauert habe, sei vor allem dadurch bedingt gewesen, dass es schwer und langwierig war, das Handy des Angeklagten auszuwerten und die nötigen Details zur Straftat des Verdächtigen an einer jungen Frau in Griechenland im Mai 2013 zusammenzutragen.

Unsicherheit in Bevölkerung

Die Tat an Maria L. war seinerzeit ein Schock für die Menschen in und um Freiburg, zumal nur wenige Wochen später im nahen Endingen (Kreis Emmendingen) eine weitere Frau von einem Sexualstraftäter brutal ermordet wurde. Auch wenn die Verbrechen beim Vorgehen der Täter wenig gemein hatten, war die Unsicherheit in der Bevölkerung enorm: Trieb da etwa ein Serientäter sein Unwesen in und um Freiburg? DNA-Spuren an den beiden Ermordeten sprachen gegen diese These, und es sollte bis Juni 2017 dauern, bis auch der mittlerweile verurteilte Mörder von Endingen verhaftet werden konnte. Da saß Hussein K. schon seit einem halben Jahr im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg ein, da er als suizidgefährdeter Häftling galt. Hussein K. war der Polizei in Freiburg Anfang Dezember 2016, sechs Wochen nach dem Mord an Maria, in die Fänge geraten.

Zwei Streifenbeamten hatten ihn als Fußgänger im Stadtteil Littenweiler auf der Straße erkannt. Zuvor war der junge Mann den Ermittlern anhand seiner ungewöhnlichen Frisur auf einem Überwachungsvideo aus einer Straßenbahn in der Tatnacht aufgefallen: Sie passte zu einem Haar, das man am Tatort gefunden hatte und welches zweifellos vom Mörder stammen musste. Den Haarschnitt hatte K. zwar nach der Tat umgehend geändert, dennoch kam sein Gesicht den Streifenbeamten aus dem Video bekannt vor. Marias Mörder ließ sich widerstandslos festnehmen. Seine DNA erwies sich als identisch mit der Spurenlage vom Tatort an der Dreisam. Alle Details passten zusammen, Hussein K. kam in U-Haft.

Fall nimmt politische Dimension an

Als die Polizei bei einer groß angelegten Pressekonferenz am Tag darauf mitteilte, dass man einen Tatverdächtigen im Fall Maria L. verhaftet habe und dass es sich bei dem Mann um einen jungen Afghanen handelt, der als unbegleiteter Flüchtling im Herbst 2015 nach Freiburg gekommen war, verbreitete sich die Meldung bundesweit wie ein Lauffeuer. Schnell nahm der Fall die zu erwartende politische Dimension an, zumal die Tagesschau der ARD zunächst nicht über die Festnahme berichtete, weil es sich bei dem Mord angeblich lediglich um ein lokal bedeutsames Ereignis handelte. Ein Fehlschluss, wie sich schnell zeigte: Ganz Deutschland diskutierte über den Frauenmörder von Freiburg; die Festnahme war Wasser auf den Mühlen fremdenfeindlicher Gruppen. Unter anderem verhöhnte der AfD-Politiker Holger Arppe die Eltern der Ermordeten wegen ihres Engagements für Flüchtlinge als "pathologische Realitätsverweigerer".

Parallel zur aufgeheizten politischen Debatte um den Mord kam der Freiburger Justiz nach dem kriminalistischen Meisterstück der Überführung und Festnahme des Verdächtigen die komplizierte Aufgabe zu, den Prozess gegen Hussein K. vorzubereiten. Dies war eine schwierige Angelegenheit, da man letztlich nicht wirklich wusste, wer dieser verhaftete Mordverdächtige ohne Pass überhaupt war: Kommt er tatsächlich aus Afghanistan? Oder nicht vielleicht doch aus dem Iran, wie sich im Prozessverlauf immer mehr abzeichnete? Wie alt ist er? Wie ist es um seine Schuldfähigkeit bestellt?

Anwendung des Erwachsenenstrafrechts für Hussein K.

Mittlerweile ist klar: Hussein K. war zur Tatzeit zumindest volljährig. Vermutlich war er, wie ein Gutachten an einem Zahn nahelegte, tatsächlich sogar schon über 22 Jahre alt, als er zum Mörder wurde. Das viel zitierte Zahngutachten ließ Richterin Kathrin Schenk in ihrer Urteilsbegründung jedoch außen vor: Zu unsicher schien es ihr offenbar für ein rechtssicheres Urteil im vorliegenden Fall zu sein. Schließlich zielt die Methode der Forscherin Ursula Wittwer-Backofen in erster Linie auf die Datierung historischer Leichenfunde und nicht auf aktuelle Kriminalfälle ab. Schenk begründete die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts für Hussein K. stattdessen damit, dass dieser, selbst wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass er ein maximal 21 Jahre alter Heranwachsender ist, längst die Reife eines Erwachsenen habe und daher auch als solcher verurteilt werden müsse.

Ein Argument, dem sich auch Verteidiger Sebastian Glathe kaum verschließen konnte: Er kündigte nach dem Urteil zwar auf Wunsch seines Mandanten eine Revision an, bezeichnete aber die Chancen, dass Hussein K. je wieder aus dem Gefängnis kommen wird, als "verschwindend gering". Rechtsfehler, räumte Glathe ein, könne man im Urteil wenn überhaupt, dann allenfalls bei der Frage der Schuld- und Steuerungsfähigkeit seines Mandanten finden. Doch auch hierzu hat das Gericht keine Zweifel geäußert. Zu zielgerichtet und komplex sei der rund eine Stunde lange Tatablauf gewesen, als dass Hussein K. ihn im Alkohol- oder Drogenvollrausch und somit im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen haben könnte. Richterin Schenk und die Jugendkammer am Landgericht folgten damit weitgehend der Sicht von Staatsanwalt Eckart Berger und Nebenklagevertreter Bernhard Kramer, die sich bei nach dem Urteil, welches Hussein K. nahezu regungslos und mit verschlossener Miene über sich ergehen ließ, mit dem laut Kramer "erwartbaren" Ausgang des Verfahrens zufrieden zeigten.