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Mutter und Stiefvater verkauften Buben an Pädophile. Acht Verdächtige sollen sich an Kind vergangen haben.

Freiburg - Markus K. ist 41 Jahre alt. Ein vorzeitig gealterter Mann von hünenhafter Gestalt. Seinen Kopf mit dem grauen Vollbart und das schüttere, kurz geschnittene graue Haar verbirgt er hinter einem Umschlag mit Papieren, als er am Donnerstagvormittag in den kaum halb vollen Saal 4 des Freiburger Landgerichts geführt wird. Der erwartete Publikumsansturm zum ersten von einer ganzen Reihe von Prozessen im erschütternden Staufener Missbrauchsfall ist ausgeblieben, wenn auch der Andrang der Medien überwältigend groß ist.

Der Prozess beginnt jedoch nur holprig: Der Angeklagte wird verspätet aus dem Gefängnis zum Gericht transportiert, weil auf der A 5 so viel Verkehr ist. Richter Stefan Bürgelin ist spürbar genervt von den Verzögerungen zum Auftakt des Verfahrens. "Wir sind hier eng getaktet", meint der Richter. Die Justiz in Offenburg, wo K. seit Herbst 2017 in U-Haft sitzt, nachdem er an seinem Arbeitsplatz verhaftet worden war, hätte sich doch denken können, dass auf der Autobahn nach Freiburg richtig viel Verkehr ist. Mit einer halben Stunde Verzögerung beginnt Staatsanwältin Nikola Novak schließlich, die Anklage gegen K. vorzulesen.

Täter filmten Vergewaltigung

Die Anklageschrift ist gespickt mit erschütternden Details: Zweimal soll K. im vergangenen Jahr den neun Jahre alten Sohn der Hauptverdächtigen Berrin T. (47) unter Gewaltanwendungen, Drohungen und Beleidigungen vergewaltigt haben. Beide Male soll der Freund von Berrin T., der mehrfach verurteilte Sexualstraftäter Christian L. (39), dabei gewesen sein. Im zweiten Fall soll auch er den Jungen vergewaltigt haben. Auf den Beweisvideos soll der Mann bei seinem Tun gut erkennbar sein Von den Taten haben die beiden einschlägig vorbestraften Kinderschänder, die sich im Gefängnis kennengelernt und angefreundet haben, Videos angefertigt. Die Filme wurden am Donnerstag – aus Gründen des Opferschutzes unter Ausschluss er Öffentlichkeit – als Beweismittel in das Verfahren eingebracht. K. und L. waren nach der Haft per Internet in Kontakt geblieben.

Den Missbrauch des neunjährigen Jungen hatte K. mit der Frage eingeleitet, ob L. denn "etwas für ihn im Angebot" habe. Auch die Aussage von Markus K. zu seinem Vorleben und den Taten fand auf Antrag der Verteidigerin Julia Schlindwein hinter verschlossenen Türen statt. Dem Angeklagten Ortenauer blüht im Fall einer Verurteilung aufgrund seiner Vorstrafe als Kinderschänder nun neben einer langen Haft auch darüber hinaus ein Leben hinter Gittern in der Sicherungsverwahrung. Laut einem Bericht von der ersten Verurteilung von Markus K. im Jahr 2010 habe er damals geltend gemacht, dass er als Kind selbst sexuell missbraucht worden sei.

Angeklagter kannte Vater aus dem Gefängnis

Klar ist: K., der zuletzt in Kappel-Grafenhausen in der Ortenau gelebt hat und bei dem dort auf diversen Computern mehrere hundert kinderpornografische Bilder und Filme entdeckt wurden, hat laut Novak gegenüber dem Gericht hinter verschlossenen Türen seine Verbrechen gestanden. Er habe, meint Richter Bürgelin, auch gegenüber dem psychologischen Sachverständigen Hartmut Pleines ein Geständnis abgelegt und dies auch für die Verhandlung vor Gericht angekündigt. Verwunderlich ist das kaum: Auf den Beweisvideos soll der Mann bei seinem Tun gut erkennbar sein.

Die Anklage wirft ihm schwere Vergewaltigung und Missbrauch von Kindern, Besitz und Verbreitung von sogenannten Kinderpornos, schwere Zwangsprostitution, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und den Verstoß gegen seine Führungsauflagen vor: Seit seiner Haftentlassung im Jahr 2013 durfte sich Markus K., der 2010 wegen der Vergewaltigung eines Mädchens in der Ortenau zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden war, Kindern eigentlich nicht nähern. Bei der zweiten Tat hat man den Neunjährigen gefesselt auf einen Stuhl gesetzt Minutiös schildert die Anklage, was K. seinem Opfer angetan haben soll.

Jungen mit Drohungen gefügig gemacht

Vor dem ersten Übergriff soll der Junge gefügig gemacht worden sein, indem Christian L. ihm sagte, dass sein Peiniger ein Polizist sei, der ihn ins Kinderheim stecken werde, wenn er nicht mache, was man von ihm verlangt. Bei der ersten Tat habe der Junge, der zehn oder 20 Euro von dem Täter bekommen haben soll, aber so viel Ekel empfunden und so sehr geweint, dass die Vergewaltigung nicht bis zum Ende durchgeführt wurde. Bei der zweiten Tat habe man den Neunjährigen dann an Händen und Füßen gefesselt auf einen Stuhl gesetzt, bevor er von Markus K. brutal vergewaltigt wurde.

Seinem Martyrium sei das Kind während der Tat damit begegnet, dass es sich offenbar, am ganzen Körper zitternd, in eine Fantasiewelt und Selbstgespräche geflüchtet habe. Die eigene Mutter habe im Zimmer nebenan gesessen. Für den Prozess gegen Markus K., der am kommenden Mittwoch fortgesetzt wird, sind drei Verhandlungstage angesetzt. Da teils hinter verschlossenen Türen verhandelt werden wird, werden auch die Plädoyers und das Schlusswort des Angeklagten nicht öffentlich sein.

Das Hauptverfahren in dem Fall gegen die Mutter des Opfers und gegen deren Lebensgefährten Christian L. findet im Juni statt. Insgesamt sind in dem Missbrauchsfall an dem Neunjährigen acht Verdächtige aus dem In- und Ausland in Haft. Der Fall wurde im Januar bekannt und hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Christian L. und Berrin T. sollen ihr neun Jahre altes Opfer über Jahre missbraucht haben und anderen für Geld zum Missbrauch und zur Vergewaltigung überlassen haben. Als das zuständige Jugendamt im vergangenen Jahr auf einen Hinweis der Polizei hin den Jungen aus der Familie nahm, wehrte sich die Mutter vor Gericht vehement und erzwang, dass das Kind wieder seinen Peinigern überlassen wurde.