Unter Druck: Robert Zollitsch. Foto: dpa

Emeritierter Freiburger Erzbischof überzeugt: Hätte Missbrauchsfälle anzeigen müssen. Diözesanrat fordert Transparenz.

Freiburg/Oberharmersbach - Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch (80) hat in einem Interview mit dem Hamburger Journalistenbüro "Crimespot" bestätigt, dass er in seiner Zeit als Personalreferent des Bistums Anfang der 90er-Jahre Missbrauchstaten nicht zur Anzeige gebracht hat. Eigentlich hätte er "entsprechende Täter" aber anzeigen müssen.

In dem Video, das unserer Redaktion vorliegt, sagt Zollitsch, dass er mit Fällen von Missbrauch durch Kleriker zu tun gehabt habe und lange mit sich gerungen habe, den Schritt an die Öffentlichkeit zu unternehmen: "Ich bin im August 80 Jahre alt geworden und nur noch Gott und meinem Gewissen verpflichtet. Die Missbrauchsfälle in unserer Kirche beschäftigen und bedrücken mich schon seit langer Zeit." Er "leide darunter" und bitte um Verzeihung, den Opfern sei "tiefes Unrecht geschehen", meint Zollitsch. Das "Maß an Unrecht" sei damals nicht rechtzeitig erkannt worden.

Aktenvernichtung habe er keine angewiesen

"Ich habe lange Zeit nicht begriffen, wie furchtbar dieses Geschehen (der Missbrauch, Anmerkung der Redaktion) war." Er habe sich als "zwischen zwei Polen" stehend empfunden: Die jungen Opfer der Missbrauchstaten hätten sich zumeist nicht öffentlich als Zeugen äußern wollen. "Auf der anderen Seite war die Kirche, die sich lange Zeit schwertat, die Geschehnisse als das zu akzeptieren, was sie waren: nämlich Verbrechen." Mit der Verantwortung dafür und der Vergangenheit müssten er und die Kirche leben, erklärt Zollitsch. Ebenso müsse er mit dem Vorwurf der Vertuschung klarkommen, wenngleich es nie Anweisungen gegeben habe, Akten zu vernichten oder "etwas zu vertuschen".

Er habe nie alleine entschieden, auch wenn er die Verantwortung getragen habe, sagt Zollitsch weiter. "Ich war stets eingebunden in die Gemeinschaft der katholischen Kirche und ich habe nie alleine für mich entschieden, sondern es ist eine gemeinsame Entscheidung."

Erst am Wochenende hatte in Freiburg der Diözesanrat des Bistums mehr Transparenz bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche gefordert. Der Einsatz externer Aufklärer und mehr Entschiedenheit im Vorgehen wurden angemahnt, um dem entstandenen Misstrauen gegenüber der Kirche zu begegnen. Erzbischof Stephan Burger hatte in der vergangenen Woche am Freitag mitgeteilt, dass die von ihm angeordnete "Kommission Macht und Missbrauch" ihre Arbeit aufgenommen habe und nun exemplarisch Missbrauchsfälle im Bistum aus den vergangenen Jahrzehnten aufgearbeitet werden würden.

Im Freiburger Ordinariat hat sich am Montag niemand zum Zollitsch-Interview äußern wollen: Man habe es bisher nicht zu sehen bekommen, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Somit könne man auch keine Auskunft darüber geben. Das Gleiche gelte auch für das Gespräch zwischen Zollitsch und seinem Nachfolger Burger. Dieser hatte in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit den zahlreichen Missbrauchsfällen durch einen Pfarrer in Oberharmersbach (Ortenaukreis) zwischen 1968 und 1991 deutliche Kritik an Zollitschs Verhalten geübt: Zollitsch hatte den Mann lediglich in den Ruhestand versetzt, den Fall aber nicht zur Anzeige gebracht.

Ein Gespräch der beiden Bischöfe hinter verschlossener Tür wurde angekündigt. Dazu heißt es aber seit Tagen in Freiburg lediglich, die beiden Männer stünden in Kontakt. Ob das Gespräch stattgefunden hat und was dabei möglicherweise herausgekommen ist, bleibt ein Rätsel.

Bereits 2010 hatte Zollitsch im Zusammenhang mit dem Fall in der Ortenau Versäumnisse in der Sache eingeräumt. Damals war auch kurzzeitig wegen des Verdachts der Beihilfe zum Missbrauch gegen den Erzbischof ermittelt worden. Die fraglichen Fälle aus den 60er-Jahren waren da aber schon längst verjährt und somit nicht mehr strafrechtlich von Relevanz.