Eine Polizeibeamtin hält am Fundort ein Flugblatt mit einem Foto des getöteten achtjährigen Jungen in den Händen. Foto: dpa

Einen Monat nach dem Mord an dem Achtjährigen in Freiburg gestaltet sich die Tätersuche immer schwieriger für die Polizei.

Freiburg - Peter Egetemaier, Leitender Kriminaldirektor am Freiburger Polizeipräsidium, ist nicht zu beneiden: Mehr als einen Monat nach dem Mord an dem achtjährigen Armani R. in Freiburg kann er noch immer keinen Fahndungserfolg verkünden. Auch wenn zahllose Hinweise bei der Freiburger Polizei eingegangen sind, war bisher noch immer keine heiße Spur zum Täter oder den Tätern dabei. Dennoch ist Egetemaier im Interview mit unserer Zeitung zuversichtlich, früher oder später den "Fall Armani" erfolgreich abschließen zu können.

Herr Egetemaier, es gibt bei Mordfällen so eine Art Faustregel, wonach die Taten entweder sehr schnell oder aber ganz lange überhaupt nicht aufgeklärt werden. Wo steht die Freiburger Polizei da im Fall des getöteten Armani?

Vermutlich mittendrin: Wir sind immer noch bienenfleißig am Abarbeiten von Spuren und Hinweisen, stellen uns aber auch darauf ein, dass der Fall zäher wird und uns noch länger beschäftigen könnte. Wir geben aber die Hoffnung nicht auf, zumal unsere kriminaltechnischen Möglichkeiten auch zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen können. Es kommen auch noch immer Hinweise. Nicht mehr so viele wie am Anfang, aber genug, um die Sonderkommission "Bach" weiterzubeschäftigen. Urlaubsbedingt und aufgrund der nachlassenden Hinweise haben wir derzeit aber nicht mehr 50 Beamte an dem Fall dran. Unsere Leute sind bis zur Schmerzgrenze belastet, der Fall des getöteten Jungen war ja bereits das sechste Tötungsdelikt innerhalb von fünf Monaten, an dem wir zu arbeiten haben. So eine Häufung haben wir in der Region noch nicht erlebt. Wir hoffen, dass das kein Trend, sondern nur ein Zufall ist. Und die übliche Alltagsarbeit ruht ja auch nicht. Aber die "SoKo Bach", in der Fachleute mit ganz unterschiedlichen Ar-beitsgebieten vom Kriminaltechniker über den Fahnder vor Ort bis hin zur Pressesprecherin zusammenarbeiten, ist derzeit natürlich unser Schwerpunkt. Unsere Arbeit wird übrigens dadurch erleichtert, dass wir als Folge der Polizeireform heute leichter Kollegen zu einer SoKo hinzuziehen können als früher. Und wir haben bei Fachleuten wie Internet-Ermittlern eine besser gebündelte Dichte an Fachleuten hier in Freiburg als vor der Reform. Das hilft enorm.

Wie frustrierend ist es für sie, Armanis Mörder noch nicht gefasst zu haben?

Die Motivation, Tötungsdelikte aufzuklären, ist für Kripobeamte immer sehr hoch. Das ist ja einer der Gründe, warum man sich für diese Arbeit entscheidet. Viele von uns sind selbst Eltern. Die Motivation, bei einem Kindsmord an der Lösung mitzuarbeiten, ist bis in die Haarspitzen spürbar. Die Kollegen in der "SoKo Bach" haben in den letzten Wochen über 2000 Überstunden angehäuft. Irgendwann kommt da der Punkt, an dem die Arbeit schwieriger wird, an dem man schauen muss, wie leistungsfähig jemand noch ist. Aber diese Erfahrung kennen die Kollegen. Selbst wenn die Sonderkommission irgendwann alle Hinweise abgearbeitet hat und aufgelöst werden muss, bleibt der Fall bei einem Hauptsachbearbeiter und kann im Fall neuer Hinweise sofort wieder mit Hochdruck weiterverfolgt werden. Der Täter kann sich nicht entspannt zurücklehnen. Wir kriegen ihn auch nach Jahren noch.

Der Fall hat viele Menschen erschüttert und verunsichert. Das öffentliche Interesse daran ist groß, und es hat viele Gerüchte rund um Armanis Tod gegeben. Wie hinderlich ist das für die Polizeiarbeit?

Das behindert uns schon, weil es uns zusätzliche Arbeit macht. Zum Beispiel die Geschichte mit dem angeblichen Phantombild im Internet. Da müssen wir natürlich nach dem Verbreiter fahnden, und im Internet ist das sehr schwierig. Ich sage es ganz bewusst: Solche Idioten, die so etwas machen, haben keine Ahnung, was sie damit anrichten können. Stellen Sie sich vor, das vermeintliche Phantombild gleicht zufällig einer realen Person, die daraufhin auf offener Straße angegangen wird.

Sie haben bei der Pressearbeit immer betont, wie wichtig es ist, dass sogenanntes Täterwissen nicht in die Öffentlichkeit getragen wird. Warum ist das so wichtig?

Weil es bestimmte Details gibt, die nur der Täter und die Ermittler kennen. Da ist es natürlich wichtig, dass solche Details in Form von Aussagen für uns hieb- und stichfest gemacht werden können, um einem Täter eine Tat nachzuweisen. Andernfalls kommt es nachher vor Gericht vielleicht zu einer Situation, in der ihnen ein Verteidiger erklärt, dass dieses oder jenes aus der Aussage vorher schon in der Zeitung gestanden hat und daher wertlos ist. Das Täterwissen ist unser wichtigstes Faustpfand in so einem Fall.

Trotzdem ist in der vergangenen Woche die Todesursache Armanis, also ein sehr wichtiges Stück Täterwissen, durch die Presse gegangen – mit Berufung auf "verlässliche Quellen". Gibt es etwa eine undichte Stelle bei der Freiburger Polizei?

Diese Frage treibt uns natürlich nun um. Aber beweisen kann man so etwas nur schwer. Es gab ja außer den Ermittlern auch andere Personen, die über die Todesursache Bescheid wussten.

Wie geht man als Ermittler eigentlich persönlich mit so einem belastenden Fall um? Wie viel nimmt man nach Feierabend im Kopf mit nach Hause?

Sehr viel! Manche Kollegen in der Sonderkommission haben vor allem in den Tagen direkt nach der Tat täglich 14 bis 16 Stunden gearbeitet. Kollegen, die zum Beispiel aus Waldshut zur SoKo hinzugezogen wurden, haben in Freiburg übernachtet und zum Teil tagelang ihre Familien nicht gesehen. Das belastet, das schüttelt man nicht ab, egal wie professionell man arbeitet. Das nimmt man im Prinzip mit, bis der Fall geklärt ist. Aber bisher haben wir ja noch nicht einmal einen Tatort. Wir kennen das Tatmotiv nicht. Und die rund 12 Stunden zwischen dem Verschwinden des Jungen und dem Auffinden seiner Leiche beschäftigen uns natürlich. Aber wir haben bisher schon eine ganze Reihe von Personen überprüft, die wir als Täter ausschließen können. Das ist ja auch schon ein Schritt.