Der Angeklagte Andreas J. wird in den Gerichtssaal gebracht. Foto: Deckert

Staatsanwaltschaft hält Notwehr für Unsinn. 33-Jähriger entschuldigt sich bei Mutter des Opfers.

Freiburg - Aus Notwehr geschossen – diese Aussage kommt bei der Anklage nicht an. Im Auftragsmord-Prozess fordert die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe.

Der Prozess um den mutmaßlichen Auftragsmord an einem 24 Jahre alten Drogenhändler in Freiburg im Sommer 2019 steht vor dem Ende. Am Montag ergingen in dem Verfahren die Plädoyers: Oberstaatsanwalt Matthias Rall forderte für den 33-jährigen Angeklagten Andreas J. eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes. Er sah es als erwiesen an, dass J. den Dealer Niklas E. im Auftrag von dessen Anwalt Guntram L. aus Habgier und heimtückisch mit zwei Kopfschüssen ermordet haben soll.

Für die Tat hat er 50.000 Euro von dem Anwalt bekommen. Verteidiger Volker Lehnert plädierte lediglich auf ein Tötungsdelikt und überließ das Strafmaß dem Gericht unter Vorsitz von Richterin Eva Kleine-Cosack. Er habe Zweifel an den Mordmerkmalen Habgier und Heimtücke in dem Fall, es bestehe zumindest die Möglichkeit, dass sein Mandant die Wahrheit sage und in Notwehr geschossen habe.

Nebenklagevertreter Patrick Melcher schloss sich den Forderungen der Staatsanwaltschaft an: Niklas E. sei zwar einerseits ein Dealer gewesen, er habe andererseits aber auch einen Weg aus der Kriminalität gesucht. "Er wollte einen neuen Weg einschlagen und als Handwerker arbeiten", sagte Melcher über das Mordopfer. Für die Mutter des Getöteten sei Niklas bereits das zweite Kind, das sie verloren hat. Die Schwester des Ermordeten ist vor sechs Jahren bei einem Vulkanausbruch im Urlaub ums Leben gekommen. Sie sei "eine besondere Stütze" für den nun ebenfalls toten jungen Mann gewesen, meinte der Anwalt.

Am Ende der Beweisaufnahme sorgte am Montag zunächst noch ein angeblich aus dem Nachlass des mutmaßlichen Mordanstifters und Freiburger Strafverteidigers Guntram L. (39) stammendes Dokument für neuerliche Verwirrung um die Tatumstände: Dem Dokument zufolge, das der Verteidiger des angeklagten Kochs Andreas J. am Montagmorgen in seinem Briefkasten gefunden haben will, soll die Tat nun doch kein Auftragsmord, sondern ein Waffengeschäft gewesen sein, das "aus dem Ruder gelaufen" sei. Einen Mordauftrag habe es nie gegeben, schrieb der Autor des nicht unterzeichneten Dokuments, von dem Anwalt Lehnert sagte, dass er es im Original noch nachreichen könne.

Doch so weit kommt es nun nicht mehr: Lehnert scheiterte mit einer ganzen Reihe von Beweisanträgen, die darauf abzielten, den Mordvorwurf gegen seinen Mandanten abzuschwächen. Das passte auch zum Aussageverhalten des hoch verschuldeten 33-Jährigen, der derzeit wegen Zuhälterei eine Haftstrafe absitzt und dessen U-Haft deshalb unterbrochen worden ist. Gegenüber seinen ursprünglichen Einlassungen vom vergangenen September hat der Angeklagte im Prozess mit einer neuen Version der Tat für Irritationen gesorgt, bei der er im Wesentlichen ausgesagt hat, den 24-Jährigen mehr oder minder in Notwehr erschossen zu haben. Eine Mordabsicht habe er nicht gehabt, er habe dem Getöteten lediglich eine Waffe verkaufen wollen.

Was er seinem Auftraggeber Guntram L., der in Freiburg wohl in diverse kriminelle Waffen-, Prostitutions- und Drogengeschäfte verstrickt war, dann gesagt habe, habe er nicht bedacht, so der Mann zu Verhandlungsbeginn. Ein Gutachter hatte im Lauf des Verfahrens festgestellt, dass der Steckschuss im Kopf und der Durchschuss der Schläfe des Opfers, der am Tatort einen kleinen Krater im Straßenbelag verursachte, wohl eher nicht in Notwehr erfolgt sein dürften. Beide Kugeln wären für sich gesehen tödlich gewesen.

"Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären damit durchgekommen", sagte Rall. Letztlich habe aber die Aussage des Angeklagten in der U-Haft im September 2019 geholfen, die Tat aufzuklären, für die es zunächst "zumindest theoretisch" viele Motive gegeben habe: Die Polizei dachte an mögliche Konkurrenten oder Mitwisser des Dealers, oder aber an einen Abnehmer des Mannes. Dass der Angeklagte seine Aussage im Prozess zumindest teilweise zurückgenommen und von Notwehr gesprochen habe, sei "bedauerlich". Denn ein Fall von Notwehr sei die Tat keineswegs gewesen.

Andreas J. sei mit geladener und entsicherter Waffe zum Tatort gegangen. "Der Angeklagte ist kein hilfloses, manipuliertes Opfer von Guntram L., er hat die Tat schließlich selbst aus übersteigertem Gewinnstreben begangen und war an der Planung beteiligt."

Ein eiskalt geplanter Auftragsmord wie dieser sei ein seltenes Delikt, sagte Rall weiter. Strafe dafür könne nur eine lebenslange Haft sein. Eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten liege nicht vor und habe auch zur Tatzeit nicht bestanden, obwohl dieser angeblich vor dem Verbrechen viel Alkohol und "Speed" konsumiert hatte. Am Mittwoch wird das Urteil gesprochen. Andreas J. sagte in seinem letzten Wort an die Mutter des Toten gerichtet, dass ihm seine Tat leid tue. "Ich würde es wieder gutmachen, wenn ich das könnte."