Bei einem Großeinsatz des Landeskriminalamts wurden am Freitag in Freiburg mehrere Objekte durchsucht. Foto: Salzer-Deckert

Bundesinnenminister verbietet Seite der gewaltbereiten Linken. Bei Durchsuchungen findet Polizei Waffen.

Freiburg/Berlin - Wer ist "linksunten.indymedia.org"? Die Seite war seit 2009 im Netz und galt als Abspaltung des internationalen, links ausgerichteten "indymedia" Netzwerks von politisch motivierten Webseiten. Der Begriff "linksunten" sollte dabei nicht nur den politischen Standpunkt abbilden, sondern auch die geografische Verortung der Macher "links unten" auf der bundesdeutschen Landkarte: in Südbaden.  

Die Seite war ein Sammelbecken für alle möglichen politisch links positionierten Umtriebe. Nationale und internationale Politik wurde auf "linksunten" genauso diskutiert, wie es Bekennerschreiben und Aufrufe zu Gewalt und Sachbeschädigungen gegenüber Staat und Polizei gab.

Diese wurden auf der Seite von den grundsätzlich anonym beteiligten Diskutanten mitunter zwar kontrovers debattiert. Zensiert wurden Aufrufe zur Gewalt jedoch nicht: Es gab Einträge, in denen die linksextremistische Terrorgruppe "RAF" verherrlicht wurde ("Irgendwann wird wieder zurückgeschossen!") und in denen eine Art Gebrauchsanleitung gegeben wurde, wie man Polizisten mit Böllern angreifen und verletzen kann.

Damit ist jetzt Schluss. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat am Freitag "linksunten.indymedia.org" verboten. Das Verbot stützte der Minister, ähnlich wie zuletzt bei der rechtsradikalen Seite "Altermedia" und der islamistischen Kampagne "Die wahre Religion", auf die These, dass die Betreiber einem Verein gleichzusetzen seien, der einen verbotenen Zweck verfolgt. Die Seite galt seit Jahren als wichtigste Internetplattform der linksradikalen Szene in Deutschland und wurde von Freiburg aus betrieben.

Dort wurdenam Freitag ab den frühen Morgenstunden mehrere Objekte bei einem Großeinsatz des Landeskriminalamts durchsucht, darunter auch das autonome Zentrum "KTS" beim Hauptbahnhof, das als Stützpunkt der "linksunten"-Macher gilt. Bei den Dursuchungen seien zahlreiche Hieb- und Stichwaffen gesichert worden, erklärte de Maizière in Berlin. Der Einsatz in Freiburg habe morgens gegen 5.30 Uhr begonnen, rund 250 Polizeikräfte waren laut einer Mitteilung des baden-württembergischen Innenministeriums im Einsatz.

Landesinnenminister Thomas Stobl betonte, dass man Extremisten jedweder Couleur im Blick habe: "Wir sehen scharf mit dem rechten und mit dem linken Auge", beteuerte der CDU-Politiker. "In jüngster Vergangenheit gab es Verbote im rechtsextremistischen und im islamistischen Bereich, zuletzt das Verbot der Vereinigung ›Die Wahre Religion‹ einschließlich der ›Lies-Kampagne‹", berichtete Stobl. Jetzt  sei ein linksextremistischer Verein verboten worden.

Polizei lobt Verbot als "starkes Signal gegen extremistische Hetze"

Die Gewalt bei den G20-Protesten in Hamburg habe gezeigt, "dass die linksextremistische Szene ein ganz erhebliches Gewalt- und Mobilisierungspotenzial hat", erläuterte Stobl. "linksunten.indymedia.org" als wichtigster Kommunikationskanal der autonomen Szene in Deutschland habe dabei eine wichtige Rolle gehabt.

Im Februar 2017 machte die Seite bundesweit Schlagzeilen, als sie Chats von AfD-Politikern aus Sachsen-Anhalt veröffentlichte, in denen unter anderem die Abschaffung der Pressefreiheit propagiert und im NPD-Jargon "Deutschland den Deutschen" eingefordert wurde. Die AfD war am Freitag auch unter den ersten politischen Kräften, die sich zu dem Verbot äußerte: Der Freiburger Sprecher Andreas Schumacher begrüßte, dass "linksunten" nun "endlich" verboten worden sei und forderte die Stadtverwaltung auf, der "KTS" die jährlichen Mietzahlungen für ihre Räume zu streichen.

Das Verbot von "linksunten.indymedia.org" stieß gestern auf  breite politische Zustimmung. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) betonte, dass das Verbot der Seite "ein wichtiger Schlag gegen gewaltbereite Linksextremisten" in Deutschland sei. Extremismus, egal aus welcher Ecke, dürfe in Deutschland keinen Platz haben, auch nicht im Internet. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lobte de Maizières Verbot als "starkes Signal gegen extremistische Hetze".

Scharfe Kritik übte dagegen der baden-württembergische Vorstandssprecher der Partei "Die Linke", Dirk Spöri. Der Freiburger Politiker monierte, das Verbot sei ein "Angriff auf die Pressefreiheit", der Bund habe offenbar ein Problem, wenn jemand "gegen rechts" sei. Eine kritische Stimme würde "mundtot" gemacht werden, die von de Maizière zitierten Gewaltaufrufe auf der Seite seien "billige Ausreden" des Ministers. Er hoffe nun auf eine "große Demo und Proteste" in Freiburg gegen das Verbot der linken Seite.

Dass es dazu kommen könnte, steht in Freiburg mehr oder minder außer Frage: Die linke Szene in der Stadt hat zuletzt zwar vor allem für mehr Wagenburgen und gegen Sperrzeiten im Nachtleben demonstriert, ist aber durchaus als gewaltbereit bekannt: Brennende Straßenbarrikaden gab es in der Stadt zuletzt vor sechs Jahren bei der Räumung der Wagenburg "Kommando Rhino" im Öko-Stadtteil Vauban.

Zunächst blieb es am Freitag jedoch ruhig in der Stadt: Die Polizei zeigte viel Präsenz, das autonome Zentrum "KTS" blieb am Nachmittag menschenleer. Man sei aber, beschwichtigt Polizeisprecherin Laura Riske, auf mögliche Protestaktionen der linken Szene in der Stadt vorbereitet.