Abgeschottet: Direkte Kontakte zu den Insassen der JVA Freiburg sind momentan nicht erlaubt. Foto: Seeger

Strafgefangene in Freiburger JVA frustriert wegen Beschränkungen. Verlegung in offenen Vollzug nicht möglich.

Freiburg - In den Gefängnissen in Baden-Württemberg soll Corona keine Chance bekommen. Lediglich sechs Fälle hat es bisher in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Mannheim gegeben. Ansonsten gilt: Der Knast ist eine Corona-freie Zone.

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Das Konzept, eine Einschleppung von außen zu unterbinden, geht bisher auf. Das ist einerseits gut, denn viele Strafgefangene gehören zu gesundheitlichen Risikogruppen. Andererseits ist der Preis hoch, denn Besuchszeiten fallen flach, worunter familiäre Bindungen nach draußen leiden.

"Bitte vergesst uns nicht", schreibt ein namentlich nicht genannter Insasse aus Freiburg dieser Tage unserer Zeitung: Er werde bald Vater, könne sein Kind wohl aber nur per Videotelefon (Skype) kennenlernen, 30 Minuten im Monat seien erlaubt. Er fragt: "Wie soll ich eine familiäre Beziehung zu dem Kind aufbauen?" Seine Verlegung in den offenen Vollzug sei derzeit wegen der Corona-Krise ausgesetzt.

Seit Mitte März keine Besuche mehr

Weiter berichtet der Mann von "extremen Spannungen" auch unter den Gefangenen aufgrund der Corona-Einschränkungen im Gefängnis: Um 15.45 Uhr würden alle Insassen weggeschlossen, viele könnten daher nicht mit ihren Angehörigen telefonieren, wenn diese bis 16 Uhr oder länger arbeiten müssen. Seit Mitte März gebe es keine Besuche mehr.

Dabei ist klar: "Für die Inhaftierten, die Partnerinnen und auch im Besonderen für die Kinder ist der persönliche Besuch in der Justizvollzugsanstalt sehr bedeutsam", erklärt Geschäftsführer Jürgen Borho von der katholischen Gefangenenhilfe SKM Freiburg.

"Das trifft uns alle irgendwie"

Besuche seien "ein wesentlicher Baustein, um die Beziehung zu einem gefestigten Umfeld außerhalb der JVA aufrechtzuerhalten", Gefangene bekämen so eine Perspektive für ein Leben nach der Haft und eine Resozialisierung ohne Straftaten. Und: "Kinder behalten durch die Besuche den Kontakt zum Vater, damit sie nicht nach Monaten oder Jahren einem fast Fremden gegenüberstehen." Gleichzeitig, führt Borho weiter aus, habe man natürlich Verständnis für die derzeitigen Schutzmaßnahmen. "Das trifft uns alle irgendwie, auch außerhalb der JVA."

Dass die Corona-Einschränkungen den Gefangenen viel abverlangen, ist auch Robin Schray bewusst, dem Sprecher von Justizminister Guido Wolf (CDU): Die Sicherheitsmaßnahmen in den Anstalten würden laufend überprüft. Er bezeichnete sie aber als notwendig, da die Folgen einer Infektion einzelner Gefangener für die anderen Mitgefangenen "besonders einschneidend" seien.

"Besuche" jetzt auch per Skype

Kurz gesagt: Von draußen kommt derzeit kaum jemand rein in die Justizvollzugsanstalten, es sei denn, er ist Lieferant, Mitarbeiter oder Verteidiger. Stattdessen ist es den Gefangenen nun leichter möglich, nach draußen zu telefonieren, und seit Kurzem dürfen sie auch per Skype am Computer sogenannte "Videobesuche" erhalten. Eine Verlegung aus dem geschlossenen in den offenen Vollzug ist dagegen nicht möglich zurzeit. Und Ersatz- und Erzwingungsstrafen, beispielsweise für Menschen, die eine Geldstrafe nicht zahlen können, werden aufgeschoben.

Letzteres kritisiert der Freiburger Strafverteidiger Jens Janssen: Auf die Justiz komme dadurch irgendwann eine "Bugwelle" von Haftstrafen zu. Hier hätte das Land großzügiger mit einer Amnestie verfahren können, meint der Anwalt. Ansonsten sehe man aber, dass Minister Wolf die Lage sehr ernst genommen und versucht habe, die zusätzlichen Beschränkungen für die Gefangenen "irgendwie auszugleichen". Er sei beispielsweise erstaunt, meint Janssen, wie leicht es für die Insassen nun sei, eine Telefonerlaubnis zu bekommen. Daraus könne man für die Zukunft lernen, dass mehr Kommunikation nicht zwangsläufig weniger Sicherheit in der Haft bedeute.

Ungeduld jetzt auch im Gefängnis angekommen

Vorwürfe, wonach es im Gefängnis an Schutzmasken und Desinfektionsmittel mangle, weist Michael Völkel, Leiter der JVA in Freiburg, zurück. Er bestätigt dagegen, dass es vonseiten der Gefangenen bisher "sehr viel Verständnis" für die strengen Corona-Schutzmaßnahmen gebe. Aber, kündigt Völkel an, "jetzt kommt Phase zwei", die Ungeduld in der Gesellschaft sei auch im Gefängnis angekommen.

"Wir müssen überlegen, welche Schritte wir gehen können." Jeder wolle Freiheiten zurück. Und jeder habe gleichzeitig die Sorge, "dass eine zweite Welle kommt und wir alles auf null setzen müssen". Die Situation sei nicht einfach. Auf dem Weg zurück zu einem normalen Alltag im Vollzug werde die Reduktion der Außenkontakte daher sicher erst als letzte Maßnahme fallen können.