Fredi Bobic gewann mit Eintracht Frankfurt 2018 den DFB-Pokal (links) und stürmte von 1992 bis 1994 für die Stuttgarter Kickers (rechts). Foto: Baumann

Die Stationen Stuttgarter Kickers und Eintracht Frankfurt haben Fredi Bobic geprägt. Vor dem DFB-Pokal-Duell seiner Ex-Clubs spricht der Sport-Geschäftsführer von Hertha BSC über die Chancen und Perspektiven der Blauen.

Die Stuttgarter Kickers waren für Fredi Bobic das Sprungbrett in die Fußball-Bundesliga, Eintracht Frankfurt sein Durchbruch als Manager. Vor dem DFB-Pokal-Duell seiner beiden Ex-Clubs an diesem Dienstag (18 Uhr/Gazi-Stadion) spricht der 50-Jährige über die Chancen des Außenseiters und die Perspektiven der Blauen.

 

Herr Bobic, Ränkespiele, Spionage und eine Kampagne, um den Präsidenten abzusägen, wie geht’s Ihnen bei all den Turbulenzen um den Big City Club?

Seit Sommer hatten wir Ruhe und konnten schon ein paar wichtige Dinge auf den Weg bringen. Jetzt gab es paar Störgeräusche um den Investor, die wir sauber aufarbeiten. Aber meine tägliche Arbeit belastet es nicht, genauso wenig die Mannschaft.

Mit Hertha BSC mussten Sie vergangene Saison in die Relegation, Eintracht Frankfurt triumphierte in der Europa League. Wie sehr haben Sie diesen Wechsel bereut?

Gar nicht, denn es war meine eigene Entscheidung. Ich wollte nicht beharrlich auf meinem Stuhl sitzen, sondern ein neues Projekt angehen. Wir haben damals bei der Eintracht aus wenig viel gemacht, ich habe das sauber und nachhaltig übergeben, das hat sich ja dann auch vergangenes Jahr gezeigt.

Am Dienstag spielt Ihr Ex-Verein Eintracht gegen ihren Ex-Verein Kickers.

Ja, ein absolut geiles Los für die Blauen. Da ist der Laden auf der Waldau rappelvoll, und es wird mit Sicherheit ein interessantes Spiel werden.

In dem der Fünftligist gegen den Europa-League-Champion eine Chance hat?

Im Pokal zeigt sich doch immer wieder, dass das unterklassige Team eine Chance hat. Die Kickers haben in der ersten Runde Bundesliga-Absteiger SpVgg Greuther Fürth geschlagen, ich habe im Dress von Borussia Dortmund damals auch schon im Pokal bei den Blauen verloren, und die Eintracht strauchelte in der jüngeren Vergangenheit beim SSV Ulm 1846 und bei Waldhof Mannheim. Natürlich ist die Eintracht haushoher Favorit, und wenn die Profis ihr Ding sauber, sachlich und konzentriert durchspielen, dann kann es auch eine klare Sache werden.

Und wenn nicht?

Sollten die Eintracht-Spieler vom Kopf her etwas weniger machen, wenn sie nicht bereit sind, gegen Widerstände anzugehen, kann es auch gegen einen unterklassigen Gegner schwierig für sie werden.

Auf Degerlochs Höhen...

...ist es nicht so einfach. Das Stadion ist eng, das Flutlicht an, die Fans voll da, es kann kalt sein, regnen, der Platz tief sein. Wenn du dann noch das nötige Spielglück hast, ist etwas drin für den Außenseiter. Solche speziellen Tage gibt es immer wieder, gerade im Pokal, und auf einen solchen dürfen die Kickers hoffen. Wir hatten damals mit der Eintracht in Ulm 1000 Chancen und machen ein Tor, die Spatzen münzten dreieinhalb Chancen in zwei Tore um. Und wir waren raus.

„Mit Herz ist alles möglich“

Welche Rolle spielt die Champions-League-Belastung?

Die Eintracht ist alle drei Tage im Einsatz, sie spielt in Tottenham, gegen Bayer Leverkusen, die Spieler sind ein bisschen müde – dann kommen sie nach Degerloch und müssen als hoher Favorit den Schalter umlegen. Du willst das schnell über die Bühne bringen, wenn du dich quälen musst, wird’s schwierig. Dann kann der Underdog mit Herz und Euphorie alles schaffen – und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm (lacht).

Finden Sie es richtig, dass die Kickers nicht in die Mercedes-Benz-Arena umziehen?

Ja, das finde ich gut. Das ist ihr Stadion, das ist ihre Heimat, ob da jetzt ein paar Euro mehr oder weniger verdient werden, ist nicht entscheidend. Du willst ja auch eine Chance haben. Und ich habe äußerst selten einen Amateurverein erlebt, der in einem fremden, großen Stadion die Sensation geschafft hat. Der Sport sollte im Vordergrund stehen.

Die Kickers wollen sich mit Bier, Wurst, nahbarer und familiärer Atmosphäre vom Hochglanzprodukt Bundesliga abheben. Der richtige Ansatz?

Bier und Wurst gibt es auch in den Bundesligastadien, wobei die Stadionwurst bei den Kickers für mich schon immer die beste im Land war (lacht). Nein klar, das muss schon der Weg sein, dadurch können sich die Kickers abheben. Und da kann so ein Pokalspiel, wenn man eine tolle, begeisternde Leistung zeigt, enorm befruchtend sein, um neue Fans über das Stammpublikum hinaus zu aktivieren.

Mehr denn je in diesen Zeiten der Überkommerzialisierung?

Menschen leben in einer gewissen Romantik. Es ist immer schön, wenn es Vereine gibt, in denen es traditionell abläuft, so wie es die ältere Generation noch kennt. Aber du musst natürlich auch junge Menschen dazugewinnen, das gelingt nur über Highlights.

Aber suchen Kinder und Jugendliche nicht nach Stars, mit denen sie sich identifizieren?

Du identifizierst dich aber auch mit einem Verein, wenn du das erste Mal in einem stimmungsvollen Stadion bist und dann bleibst du bei der Mannschaft hängen, weil sie dir sehr sympathisch ist. Mit den Superstars kannst du auch auf der Playstation spielen.

Was haben Sie persönlich aus Ihrer Zeit bei den Kickers mitgenommen?

Ich habe über die Kickers den Sprung in die Bundesliga geschafft. Prägend war unabhängig davon der Zusammenhalt im Verein, dieses Familiäre, auch damals in der zweiten Liga. Du kanntest praktisch jeden Fan, man ging nach jedem Training in die Vereinsgaststätte, es war alles so normal. Aber jetzt kommt bei wieder der Romantiker durch (lacht).

Ist so etwas heute noch möglich?

Eher weniger.

Auch nicht in der fünften Liga?

Da müsste es eigentlich möglich sein. Da könnte vielleicht schon eine Kiste Bier in der Kabine stehen nach einem Sieg.

Wo sehen Sie die Kickers mittelfristig?

In der dritten Liga geht’s los mit den TV-Geldern. Diese Spielklasse würde mit Blick auf das Stadion, die Fans, das Umfeld gut passen. Ganz wichtig ist, dass man Schritt für Schritt seinen Weg geht.

Ihr Tipp für Dienstag?

Ich tippe nie, zumal ich bei meinen Ex-Vereinen immer neutral bin. Ich wünsche den Zuschauern aber ein spannendes, enges, begeisterndes Spiel. Dieser Abend kann speziell werden.

Zur Person

Spieler
Fredi Bobic wurde am 30. Oktober 1971 in Maribor/Slowenien geboren, wuchs aber in Stuttgart auf. Von 1990 an spielte er für die TSF Ditzingen, 1992 ging er zu den Stuttgarter Kickers, von 1994 bis 1999 stürmte er für den VfB, danach u.a. bei Borussia Dortmund, Hannover 96 und Hertha BSC. Er bestritt 37 Länderspiele (zehn) Tore, 1996 holte er mit der Nationalmannschaft den EM-Titel.

Funktionär
Bobic war Sportvorstand beim VfB (2000 bis 2003), Vorstand Sport bei Eintracht Frankfurt (2016 bis 2021), seit 1. Juli 2021 ist er Sport-Geschäftsführer bei Hertha BSC.

Familie
Er ist verheiratet mit Britta. Das Paar hat zwei Töchter (Celine/25) und Tyra (19). Sein Hobby ist Ausdauersport (jüf).