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Der Arbeitskreis "Frau und Beruf" Freudenstadt veranstaltet am 15. Mär eine Online-Podiumsdiskussion. Iuliana Adam gehört der Gesprächsrunde an. Ihr Weg zum Traumjob war hart – aber erfolgreich.

Freudenstadt/Horb - In Rumänien, wo Iuliana Adam aufwuchs, genoss sie auf dem Handelskolleg eine gute Bildung. Schon in ihrer Schulzeit habe sie eine große Leidenschaft für die Buchhaltung entwickelt. Nach ihrem Abschluss zog die damals 19-Jährige zu ihrem Mann nach Deutschland – ohne ein Wort Deutsch zu können.

2001 begann die damals eher schüchterne junge Frau ihre berufliche Karriere als Reinigungskraft in einem Rottweiler Möbelgeschäft: "Natürlich war das nicht mein Traumberuf. Aber ich konnte kaum Deutsch. Viele Alternativen gab es nicht", so Adam. Als der Leiter dann von ihrem Bildungsabschluss aus Rumänien erfuhr, bot er ihr die Perspektive, im Verkauf zu arbeiten – unter der Voraussetzung, dass sie ihre Sprachkenntnisse verbessern würde.

Abends Deutsch gebüffelt

Jeden Abend arbeitete Adam intensiv an ihren Sprachkenntnissen. "Ich habe Texte gelesen, geschrieben und mir die Grammatik verinnerlicht", sagt die 41-Jährige. Im September 2001 war es dann so weit – sie durfte in den Verkauf. Dort konnte sie sich behaupten: "Ich habe sehr gute Verkaufszahlen erzielt. Das lag daran, dass ich immer mit Leidenschaft bei der Sache war."

2004 fasste sie dann den Entschluss, sich weiterzubilden: "Das Verlangen, mehr zu lernen, habe ich seit der Schulzeit nicht verloren. Nach drei Jahren im Verkauf war ich bereit für eine neue Herausforderung." Adam ließ ihre Bildungsunterlagen übersetzen, um ihre Möglichkeiten abzuwägen. Das Entsetzen war groß, als klar wurde, dass ihr in Rumänien hoch angesehener Schulabschluss in Deutschland formell nur einem Grund- und Hauptschulabschluss entsprach: "Das war sehr frustrierend. Ich hatte hart für diesen Abschluss gearbeitet."

Umfeld macht ihr Mut

Ihr Mann und ihre Kollegen hätten sie nach dem Schock aufgefangen. Motiviert durch ihr Umfeld, entschied sich Adam 2004 dazu, eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau anzutreten. Sie konnte die Lehre verkürzen – im Sommer 2006 legte sie ihre Abschlussprüfungen ab. Lange ausüben konnte sie ihren neuen Beruf aber nicht, denn im September 2006 kam ihre Tochter zur Welt. Bis diese zwei Jahre alt wurde, habe sie nicht gearbeitet. Als der Nachwuchs 2009 in den Kindergarten kam, suchte die gebürtige Rumänin wieder Erfüllung in der Arbeit: "Ich habe die Elternzeit sehr genossen, aber ich habe mich gefreut, endlich wieder arbeiten zu können – wenn auch nur in Teilzeit."

In einem Drogeriemarkt in Oberndorf fand die Mutter eine Teilzeitstelle. Dort arbeitete sie als Einzelhandelskauffrau, bis sie 2012 mit ihrer Familie nach Horb zog. Bis 2016 war sie in der Horber Filiale derselben Drogeriemarktkette beschäftigt – weiter in Teilzeit. Um der Gemeinde etwas zurückzugeben, engagierte sich Adam nebenher auch ehrenamtlich. Unter anderem war sie Mitglied des Städtebau- und Sanierungsausschusses Horb. Abseits dieser Tätigkeiten und der Arbeit habe sie sich durch konstantes Lesen von Fachliteratur über Finanzen und Buchhaltung weitergebildet.

2016 wollte Adam dann wieder in Vollzeit arbeiten und ihr erlerntes Wissen anwenden: "Meine Tochter war in der Schule, und ich hatte wieder mehr Zeit. Außerdem hat mich die Arbeit im Drogeriemarkt nicht mehr ausreichend gefordert", merkt sie an. Bei einem Bauunternehmen in Horb fand Adam 2016 eine neue Herausforderung, war unter anderem für die Buchhaltung zuständig.

Zwei herbe Rückschläge

Die Arbeit habe ihr Spaß gemacht, und es sei für sie beruflich bergauf gegangen – sie wurde zur Assistenz der Geschäftsführung befördert. Umso größer war die Ernüchterung, als die Firma Insolvenz anmeldete. "Emotional hat mich das hart getroffen. Bei der Firma hatte ich eine Perspektive", so Adam. Selbst nach dem zweiten herben Rückschlag in ihrer Karriere habe sie nicht aufgeben wollen, sondern sich bei der Agentur für Arbeit über mögliche nächste Schritte in ihrer Karriere erkundigt, wo sie ein Mitarbeiter auf die Weiterbildung zur EDV-Sachbearbeiterin der Kreisvolkshochschule in Freudenstadt verwies. Adam schrieb sich ein. In dem Kurs wurden unter anderem Grundkompetenzen in Excel, Buchhaltung, Business-Englisch und Büromanagement vermittelt. Neben der Weiterbildung besuchte sie zuerst in Herrenberg und dann in Horb die beiden Aufbauseminare des Buchhaltungsmoduls. Nachdem sie in allen drei Modulen eine Prüfung abgelegt hatte, habe sie das Zertifikat zur Fachkraft für Finanzbuchführung erhalten, teilt Adam stolz mit. Ein Steuerbüro in Dornstetten stellte sie ein. Für sie die Erfüllung: "Das ist genau meine Welt. Je kniffliger es wird, desto mehr Spaß habe ich daran." Abseits der Arbeit habe sie sich weiterhin kontinuierlich durch Fachliteratur über Buchhaltung weitergebildet. Als sie bei der Recherche über weitere Berufe im Buchhaltungssektor auf das Profil des Bilanzbuchhalters stieß, stand für Adam fest: "Das ist mein Traumberuf. Das möchte ich unbedingt machen."

Der nächste Schritt

Bei der IHK in Nagold meldete sie sich 2018 für die Fortbildung an. Um ihre frisch erlernten Kompetenzen auch großflächig im Berufsalltag anwenden zu können, wechselte Adam im November 2018 zu einer größeren Steuerkanzlei in Nagold. Nach einer intensiven und stressigen Vorbereitung bestand Adam im September 2020 ihre Abschlussprüfungen und trägt seitdem den Berufstitel der geprüften Bilanzbuchhalterin. "Für mich ist damals ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich wollte unbedingt bis zu meinem 40. Geburtstag einen höheren Abschluss erlangen. Ich war so glücklich, dass mir im Prüfungssaal die Tränen gekommen sind."

Bis heute arbeitet Adam in der Steuerkanzlei in Nagold und übt dort ihren Traumjob aus, wie sie sagt. Sie will aber noch weiter lernen: "Ich überlege gerade, ob ich eine Weiterbildung zur ›Bilanzbuchhaltung International‹ mache. Die Qualifizierung zur Steuerberaterin schließe ich auch nicht ganz aus." Seit September hat sie den IHK-Ausbilderschein und kam so einem ihrer Ziele einen Schritt näher: junge Leute, gerade unsichere Frauen, für die "wunderschöne Materie der Buchhaltung" als Dozentin zu begeistern.

Ihr Rat an alle Frauen

Im Rückblick bereut Adam nichts: "Manchmal muss man einfach was riskieren. Wer wagt, kann verlieren. Wer nicht wagt, hat schon verloren." Auf ihrem Weg hat sie Unterstützung durch ihre Freunde und Familie erfahren: "Viele Leute in meinem Umfeld haben an mich geglaubt. Sie haben mich motiviert, nicht aufzugeben."

An alle Frauen, die beruflich vor neuen Entscheidungen stehen, hat Adam noch eine Botschaft: "Auch als Frau kann man seine Träume verfolgen. Wir sind auch Vorbilder für unsere Kinder. Es ist wichtig für sie zu sehen, dass auch die Mutter beruflich erfüllt ist."

Die Veranstaltung:

Unter dem Motto "Jetzt bin ich dran – meine berufliche Zukunft beginnt heute" veranstaltet der Arbeitskreis "Frau und Beruf" Freudenstadt am Dienstag, 15. März, eine Online-Podiumsdiskussion. In der Debatte berichten berufstätige Frauen von ihren Erfahrungen und Motivationen. Neben Iuliana Adam sind Karolina Dürr, die sich kürzlich mit einer Kindertagespflege selbstständig gemacht hat, und Marlin Yakoub, die, unterstützt durch das Integrationsmanagement des Landkreises, eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin macht, dabei. Zuschauer können Fragen online einbringen.