Der Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ verbeugt sich vor den kämpferischen Politikerinnen der männlich dominierten Bonner Republik.
Politik, hat die spätere SPD-Ministerin Käte Strobel einst gesagt, „ist eine viel zu ernste Sache, um sie den Männern zu überlassen“. Der Satz stammt von 1959. In gewissen Kreisen ist es bis heute nicht selbstverständlich, dass Frauen mitbestimmen wollen, sogar Freude an der Macht empfinden. Aber wer keine Macht hat, sagt die frühere Bundestagsvizepräsidentin Renate Schmidt (SPD), „ist ohnmächtig“.
„Die Unbeugsamen“ hat der vielfach dekorierte Dokumentarfilmer Torsten Körner sein Werk genannt. Es ist eine Hommage an die Frauen, die in der Bonner Republik Angela Merkel den Weg geebnet haben – vor allem nach 1983, als die Grünen erstmals in den Bundestag kamen und mit unvergessenen Redebeiträgen dafür sorgten, dass die deutsche Politik sich langsam, aber sicher wandelte. Körner (Jahrgang 1965) berücksichtigt Frauen aus allen Parteien, und in der Unionsfraktion hatten Politikerinnen einen ungleich schwereren Stand.
Ein erschreckendes Bild
Der Autor und Regisseur hat mit einem Dutzend Zeitzeuginnen gesprochen und ihre Aussagen durch viel zeitgenössisches Material ergänzt. Die stets schlüssige Montage ergibt ein Bild, das ähnlich erschreckend ist wie die Diskriminierungen dunkelhäutiger Sportlerinnen und Sportler, die er in seinem Film „Schwarze Adler“ (2021) gezeigt hat. Sexismen waren im Bundestag an der Tagesordnung, sexuelle Übergriffe keine Seltenheit. Die entsprechenden Berichte klingen wie Erzählungen aus einer anderen Zeit, was ja auch stimmt; doch spätestens seit dem Einzug der AfD erleben die Parlamente einen Rückfall, was Verbalinjurien angeht. Sexuelle Belästigung gibt es nach wie vor.
Dies ist, wenn überhaupt, die einzige Schwachstelle an Körners mitreißendem, oft berührendem Film: blickt in die Vergangenheit, aber nicht auf die Gegenwart. Er hätte dann natürlich woanders kürzen müssen, und es wäre wirklich schade um jede Sekunde: Viele seiner Gesprächspartnerinnen hinterlassen bleibende Eindrücke. Anders als die Kollegen verstehen es Frauen offenbar besser, loszulassen; aber sie haben nach wie vor etwas zu sagen.
Erfrischend: Christa Nickel von den Grünen
Sehr erfrischend ist zum Beispiel Christa Nickels (Jahrgang 1952), Gründungsmitglied der Grünen in NRW und von 1983 bis 2005 mit kurzen Unterbrechungen Bundestagsabgeordnete. Körner dokumentiert zwei Redebeiträge zum Doppelbeschluss (1983), als Nickels Helmut Kohl im Gedenken an Hiroshima eine Kette aus tausend gefalteten Papierkranichen überreichte, und die erste Wehrmachtssausstellung (1997), als sie auf bewegende Weise von der Beteiligung ihres eigenen Vaters berichtete. Ähnlich eindrucksvoll sind die Erinnerungen von Ingrid Matthäus-Meier: Die FDP-Abgeordnete empfand es 1982 als Verrat, als ihre Partei zugunsten von CDU/CSU die sozialliberale Koalition aufkündigte, und wechselte zur SPD.
Rita Süssmuth ist für viele Frauen in der CDU ein Vorbild. Von Helmut Kohl 1985 als zweite Ministerin (Jugend, Familie und Gesundheit) ins Kabinett gerufen, erwies sich die Professorin für Erziehungswissenschaft als längst nicht so still und loyal, wie der Kanzler das offenbar erwartet hatte.
„Die Unbeugsamen“ schließt mit Gesprächen der Frauen untereinander. Davon hätte Körner gerne mehr bringen können.
Die Unbeugsamen 8.3., 3 Sat, 20.15 Uhr