Millionen erwerbstätigen Frauen fehlt die Unterstützung und das Verständnis ihrer Arbeitgeber beim Thema Wechseljahre. Dabei helfen schon kleine, einfache Schritte.
Das Thema Wechseljahre rückt zunehmend in die Mitte der Gesellschaft. Lange galt es als Tabu, über die Beschwerden zu sprechen – dabei sind unerkannte und unbehandelte Wechseljahresbeschwerden nicht nur für die Frauen eine Tortur, sondern auch ein volkswirtschaftlicher Faktor.
9,4 Milliarden Euro Kosten und etwa 40 Millionen Fehltage
Berechnungen von Andrea Rumler und Till Strohsal von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zeigen, dass jährlich Kosten von rund 9,4 Milliarden Euro sowie etwa 40 Millionen Fehltage durch Wechseljahresbeschwerden entstehen.
Die Studie „Wechseljahre und Leadership“, beauftragt vom Verein Healthcare Frauen, zeigte, dass mehr als die Hälfte der Frauen von spürbaren Leistungseinbußen berichtet, fast 40 Prozent reduzierten ihre Arbeitszeit und wechselten die Position.
Andere Umfragen zeigen, dass Frauen auch erwägen, deswegen zu kündigen. Das alles hat Folgen für den Arbeitsalltag, die Produktivität und die Karrierechancen von Frauen.
„Top-Management interessiert sich eher selten für das Thema“
Ökonomin Rumler forscht seit Jahren zu dem Thema, vor zwei Jahren führte sie die erste deutschlandweite Befragung von Frauen über die Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz durch. Seitdem habe sich etwas getan. „Veränderungen gibt es, ja. Doch das Top-Management interessiert sich eher selten für das Thema“, erklärt Rumler.
„Wer wachgerüttelt ist, das sind Betriebsärzte, das betriebliche Gesundheitsmanagement und Gleichstellungsbeauftragte, in Teilen die Personalabteilungen. Die haben erkannt, dass sie in dem Bereich mehr tun müssen.“
„Wir stecken mit dem Thema immer noch in den Kinderschuhen“
Auch Sabine Nitsche von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin forscht zum betrieblichen Gesundheitsmanagement in den Wechseljahren. „Wir stecken mit dem Thema in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen“, sagt sie. Zwar hätten viele Betriebe erkannt, dass sie sich bei sieben Millionen erwerbsfähigen Frauen in den Wechseljahren in den Zeiten des Fachkräftemangels mit dem Thema beschäftigen sollten.
„Frauen und Unternehmen sind aber immer noch mangelhaft informiert.“ Nicht nur die Frauen fühlten sich verloren, die Unternehmen auch. Mit ihrem Buch „Wechseljahre am Arbeitsplatz“ haben sie und Co-Autorin Jennifer Chan klare Handlungsempfehlungen für Unternehmen zusammengestellt.
Informationsprogramme – mehr nicht
Viele Betriebe hätten Maßnahmen eingeleitet, das stimme sie positiv, sagt auch Ökonomin Rumler. „Die Landesbank Baden-Württemberg beispielsweise bietet ihren Mitarbeiterinnen eine Frauengesundheits-Sprechstunde an, die auch die Wechseljahre umfasst, und hat bis Ende dieses Jahres ein Themenjahr organisiert mit Schulungen und Referenten-Vorträgen“, erklärt sie.
Die meisten Firmen setzten erst einmal auf Informationsprogramme für Mitarbeiterinnen, über Symptome, Behandlungsmethoden, Prävention. Auch bemühten sich einige um die Information von Führungskräften – „meine Erfahrung ist bloß: Das Interesse ist verhalten, zu den entsprechenden Trainings kommen die männlichen Führungskräfte bisher eher selten.“
Keine Krankheit, aber behandlungsbedürftige Symptome
Rumler ist es anzuhören, dass sie das Desinteresse in den Betrieben beschäftigt. „Viele haben einfach immer noch nicht verstanden, dass es sie interessieren sollte“, so die Marketing-Expertin. Natürlich sei es mit einem Vortrag nicht getan. „Aber am meisten wünschen sich betroffene Frauen Verständnis seitens des Arbeitgebers für die Folgen im Arbeitsalltag ihrer Beschwerden.“
Die Wechseljahre seien keine Krankheit, brächten aber behandlungsbedürftige Symptome mit sich – Herzrasen, depressive Verstimmungen, Hitzewallungen. Genauso wie bei anderen gesundheitlichen Problemen, die dem Arbeitgeber auffallen und die er adressieren muss, gelte dies für die Wechseljahre. „Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht – keine Wahl, eine Pflicht!“ sagt Rumler.
Wechseljahre und Menopause
Während der Wechseljahre produzieren die Eierstöcke immer weniger Hormone, es reifen immer weniger Eizellen heran und der Eisprung bleibt immer öfter aus. Die Phase vor dem Ausbleiben der Regelblutungen wird Perimenopause genannt, laut AOK beginnt sie bei der Hälfte aller Frau im Alter von 48 Jahren.
Die Menopause – die letzte Regelblutung, mit der die Fruchtbarkeit der Frau endet – hat rund die Hälfte aller Frauen im Alter von 52 Jahren. Laut „MenoSupport“-Umfrage sind die häufigsten Beschwerden, bei denen Frauen sagen, dass sie ihre Arbeitsfähigkeit beeinflussen, körperliche und geistige Erschöpfung, Schlafstörungen, Reizbarkeit, depressive Verstimmungen und Hitzewallungen.
Zwar gebe es noch keine wissenschaftlich belegten Zahlen, wie sich bestimmte Maßnahmen auf das Arbeits- oder Kündigungsverhalten von Frauen in den Wechseljahren auswirkten.
Doch untätig sollten Unternehmen nicht bleiben, findet Expertin Nitsche. Sie selbst wollte Pilotprojekte starten, um die wissenschaftliche Evidenz zu liefern, doch konkrete Forschungsgelder zu dem Thema sind noch nicht ausgeschrieben.
Jede Firma hat Optionen
Selbst kleinere Firmen haben Optionen, aktiv zu werden, sind Rumler und Nitsche beide überzeugt. Offenheit zeigen, Informationen zusammenstellen, einen betriebsärztlichen Dienst bereitstellen.
Diese Tipps und mehr haben Rumler und Co-Autorin Miriam Stein in Kooperation mit der Barmer im Leitfaden „Menopause@work“ als konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen zusammengestellt. Mit dabei: „Beispiele für Gesprächssituationen, wie ein Arbeitgeber eine Mitarbeiterin auf das Thema ansprechen kann“, erklärt Rumler.
Laut Nitsche sei es wichtig, zu schauen, was überhaupt der Bedarf der Frauen im Unternehmen ist. Jede Frau habe ihren individuellen Verlauf und in den 10 bis 15 Jahren der Wechseljahre variierten zudem die Symptome. „Wichtig ist, dass Frauen eine Ansprechperson haben, dass im Unternehmen eine Kultur herrscht, wo die Sorgen der Frauen ernst genommen werden und Verständnis für die Folgen für die Arbeitsfähigkeit gezeigt wird“, sagt Nitsche.