450 bis 500 Frauen, die häusliche Gewalt erleben, suchen jedes Jahr bei dem Offenburger Verein "Frauen helfen Frauen" Hilfe. Foto: Gambarini

Körperliche Gewalt, Kontrolle und Demütigung – bei häuslicher Gewalt werden die eigenen vier Wände zum Tatort. Petra Fränzen, Geschäftsführerin von "Frauen helfen Frauen", berichtet wie der Verein Betroffenen hilft, sich ein neues Leben aufzubauen.

Ortenau - 450 bis 500 Frauen, die häusliche Gewalt erleben, suchen jedes Jahr bei dem Offenburger Verein "Frauen helfen Frauen" Hilfe. "Um die Weihnachtszeit ist es aber meist erschreckend ruhig", erklärt Geschäftsführerin Petra Fränzen. "Die Frauen reißen sich mehr zusammen, halten eher den Mund und es herrscht aufgrund der Familienzeit auch ein enormer sozialer Druck", erklärt sie. Kurz vor der Weihnachtszeit und wenn nach den Feiertagen der Alltag wieder einkehrt, würden sich vermehrt Frauen an den Verein wenden.

Frauenhaus bietet Platz für 20 Bewohnerinnen

Neben der Fachberatungsstelle, in der Opfer häuslicher Gewalt beraten und begleitet werden, betreibt der Verein auch ein Frauenhaus, in dem 20 Frauen mit ihren Kindern einen geheimen, sicheren Zufluchtsort erhalten. "Es ist fast immer voll belegt", erklärt die Vereinschefin. Durchschnittlich drei bis sechs Monate verbringen die Frauen in der Einrichtung, 70 Prozent kommen mit Kindern. "Die Kinder sind immer Zeugen der Gewalt. Das sind hochtraumatische Situationen." Deshalb stehen im Frauenhaus Sozialarbeiter und verschiedene Betreuer bereit.

Opfer erfahren auch psychische, soziale und wirtschaftliche Gewalt

"Häusliche Gewalt ist nicht nur körperliche Gewalt", erklärt Fränzen. Der Verein hat auch Kontakt zu Frauen, die psychische, soziale oder wirtschaftliche Gewalt erfahren. "Die Formen, die von außen nicht erkennbar sind, sind besonders schwer zu fassen", erklärt sie. Ein blauer Fleck ist von außen erkennbar, Demütigung und Kontrolle sind es nicht. "Natürlich trifft einen jeder Fall auch emotional, aber Mitleid hilft den Frauen nicht weiter", erklärt Fränzen.

Meldet sich eine Frau in der Beratungsstelle, wird zunächst die Situation geklärt und anschließend, je nach Wünschen der Frau, gehandelt. Aufgaben wie die Polizei zu rufen übernehmen die Mitarbeiter des Vereins nicht. "Das müssen die Frauen selbst tun", erklärt Petra Fränzen. Es sei sehr wichtig, dass der Verein Betroffene unterstütze, jedoch nicht die Entscheidungen für sie treffe.

Sogar das Notfallzimmer ist oft belegt

Zusätzlich zu den 20 Plätzen im Frauenhaus gibt es ein Notfallzimmer. Da es jedoch oft belegt ist, werden Frauen auch an andere Frauenhäuser vermittelt. "Manchmal müssen wir den Frauen auch sagen, dass wir im Moment nicht helfen können." Dann versuche der Verein Übergangslösungen zu finden.

Für manche Frauen sei die Situation auch so gefährlich, dass sie in ein anderes Bundesland flüchten müssten. Deshalb werden im Frauenhaus Betroffene aus der ganzen Ortenau, aber auch aus anderen Landkreisen und Bundesländern aufgenommen.

"Wir haben hier den Querschnitt der Gesellschaft", erklärt Fränzen. Besonders gefährdet seien jedoch die Frauen, die keine oder nur sehr wenige soziale Kontakte hätten. In diesem Fall könne niemand den Zustand der Betroffenen bemerken und sie selbst könne nicht erkennen, dass eine Beziehung auch anders – ohne Gewalt – ablaufen kann.

Wer einen Verdacht hat, soll das Gespräch suchen

"Das Wichtigste ist, dass sich Betroffene den Grenzverstoß selbst eingestehen und nicht die Schuld bei sich suchen", weiß die Vereinsvorsitzende. Wichtig sei außerdem das Umfeld. Wer einen Verdacht hat, soll das Gespräch mit der betroffenen Person suchen und ihr Hilfe anbieten. "Es reicht manchmal schon, einen Zettel mit der eigenen Telefonnummer zu übergeben. Auf keinen Fall sollte man wegschauen", sagt Fränzen. Denn ohne Hilfe sei es nahezu unmöglich aus einer Situation mit häuslicher Gewalt wieder herauszukommen. "Ich kenne keine Situation, in der sich ein derartiger Konflikt ohne Hilfe gelöst hat."

Dunkelfeld ist riesengroß, schätzt Expertin

Die 450 bis 500 Frauen, mit denen der Verein jährlich Kontakt hat, zeigen nicht das volle Ausmaß des Problems. Von den Fällen in der Ortenau würden mindestens 60 Prozent nicht bekannt werden, klärt die Vereins-Chefin auf. Hoffnung, dass sich in naher Zukunft etwas ändert und die Fälle häuslicher Gewalt weniger werden, hat Fränzen nicht. "Das Problem ist sehr tief in der Gesellschaft verankert." Um es den Frauen und Kindern im Frauenhaus auch dieses Jahr zu Weihnachten so schön wie möglich zu machen, wird alles geschmückt, in der Kinderbetreuung wird gebastelt und es gibt Geschenkaktionen.

Auch wenn einige Frauen wieder zu den Tätern zurückgehen, wird die Entscheidung respektiert. "Man freut sich einfach über jede Frau, die ein neues Leben beginnt", sagt Petra Fränzen.