Franka Zweydinger sammelt in Asien Erfahrungen. Dort erlebt sie die Corona-Pandemie und Proteste. Sie geht als Modedesignerin und wird zur Fotografin.
Sie ist in Donaueschingen aufgewachsen, hat sich in Stuttgart zur Modedesignerin ausgebildet, in Hongkong Knöpfe und Accessoires entworfen und ganz Asien ausgekundschaftet – mit ihrem ständigen Begleiter: einem analogen Fotoapparat. „Diese Canon AE1 ist aus den 70ern, mein Onkel hat sie mir geschenkt“, erzählt Franka Zweydinger.
Nach der Grundschule in Donaueschingen und dem Schulabschluss im Internat Salem zieht es die 28-Jährige in die Landeshauptstadt. Sie schließt eine Ausbildung zur Modedesignerin an der Kehrer Design Academy in Stuttgart ab. Es geht dann 2018 in die Millionenstadt Hongkong.
„Mir war es wichtig, direkt nach meiner Ausbildung in der Modebranche ins Ausland zu gehen, da Auslandserfahrung in dieser Branche sehr wichtig ist“, sagt Franka Zweydinger. Dort findet sie einen Job als Designerin in einer Knopffabrik und verlegt ihren Lebensmittelpunkt in die Millionenmetropole, in der damals heftige Proteste tobten. Und Zweydinger war mittendrin. „Freunde von mir sind auch auf die Straße gegangen und haben protestiert“, erinnert sie sich. „Als Ausländerin war das für mich besonders gefährlich, da ich damit riskierte, dass mir beispielsweise das Visum nicht verlängert wird.“
2020 beginnt sie mit der analogen Fotografie. „Damals bin ich in Hongkong in einen Fotoladen gestapft – und mein Blick fiel auf eine analoge Kamera, die mich vom ersten Moment an faszinierte und mich an meine Kindheit erinnerte. Meine Mutter hat mir als Kind öfter Einweg-Kameras in die Hand gedrückt, als wir im Urlaub waren“, erinnert sich die 28-Jährige. Dann beginnt sie, das Hongkonger Großstadtleben zu Beginn der Corona-Krise zu fotografieren.
Bis zu 21 Tage Quarantäne
Hongkong setzte früh auf strikte Einreise- und Quarantänebestimmungen, um das Virus einzudämmen. Über längere Zeit hinweg durften ankommende Reisende nur nach mehrwöchiger Hotelquarantäne weiter – bis zu 21 Tage am Stück war zeitweise verpflichtend. Selbst nach Lockerungen mussten Neuankömmlinge bei Ankunft einen PCR-Test machen und sich für drei Tage von öffentlichen Orten wie Restaurants und Bars fernhalten.
Auch im Alltag gab es weitreichende Einschränkungen: Lokale mussten abends schließen, Bars und Freizeiteinrichtungen blieben teils komplett zu, Spielplätze wurden abgesperrt. „Masken waren selbst beim Spaziergang im Park oder beim Strandbesuch Pflicht“, erzählt sie.
Ihre Bilder zeigen Menschen, die mit Masken auf der Fähre sitzen; sie fotografiert, wie die Bevölkerung und Behörden gegen das Virus kämpfen. „Es war echt krass zu sehen, wie riesige Stadtviertel und deren Bewohner über Wochen von der Außenwelt abgeschottet wurden“, erzählt sie. „Es war ein goldener Käfig. Erstaunlicherweise sind bereits meine ersten Bilder ganz gut geworden“, sagt sie. Was sie an der analogen Fotografie besonders herausfordernd findet: „Anders als bei einer digitalen Kamera muss man sich bei einer analogen Kamera sehr genau überlegen, wann man den Auslöser drückt.“ Der Zeitpunkt, die Belichtung, die Szene – alles muss passen.
Daraufhin macht sich Franka Zweydinger in Hongkong als Modefotografin einen Namen – und kombiniert damit ihre zwei Leidenschaften: Fotografie und Mode. Zweydinger lernt Kantonesisch, reist in entlegene Regionen – von der Mongolei bis Japan, von Indien bis Marokko – und hält mit ihrer Kamera fest, was sie fasziniert: ausdrucksstarke Gesichter, Alltagsszenen und Veranstaltungen. „Ich bin eigentlich ein introvertierter Mensch. Aber die Linse vor der Nase gibt mir Selbstbewusstsein“, sagt sie, „denn wer Menschen verstehen und fotografieren will, muss auf sie zugehen.“
Wenig Zeit mit Familie
Ende 2024 entscheidet sie sich, zurück nach Donaueschingen zu kommen. „Ich habe über die Jahre so viel verpasst und habe so wenig Zeit mit meiner Familie verbracht“, sagt sie. Besonders getroffen hat sie der Tod ihres Onkels, der ihr die Canon AE1 schenkte. „Ich konnte bei der Beerdigung nicht dabei sein, das beschäftigt mich heute noch“, sagt sie.
Zurück in Donaueschingen ist vieles neu. Sie ist nun selbstständige Fotografin. Nebenher arbeitet sie in Teilzeit im Café Twist und in der Bar Centrale – zum Ankommen, zum Einleben – und um Donaueschingen nach jahrelanger Abwesenheit wieder neu zu entdecken. Und nach Kantonesisch will sie nun weitere Kenntnisse erwerben und hat dafür genau den richtigen Nebenjob hinter der Bar: „Ein Stammgast in der Bar Centrale bringt mir jetzt Badisch bei“, erzählt sie lachend.
Proteste in Hongkong
Demokratiebewegung
Die Hongkong-Proteste 2019/2020 waren eine der größten Demokratiebewegungen in der Geschichte der Sonderverwaltungszone Hongkong und begannen im Frühjahr 2019. Auslöser war ein von der pekingtreuen Regierung geplantes Auslieferungsgesetz, das es erlaubt hätte, Verdächtige an China auszuliefern. Viele Hongkonger fürchteten dadurch den Verlust ihres eigenständigen Rechtssystems und sahen darin einen Angriff auf ihre Autonomie und bürgerlichen Freiheiten.