Sie war eine Ikone der „Swinging Sixties“ und schrieb einige der schönsten Chansons Frankreichs. In ihren letzten Jahren wurde Françoise Hardy zu einer leidenschaftlichen Verfechterin der Sterbehilfe.
Mick Jagger nannte sie die schönste Frau der Welt, Bob Dylan schrieb ihr Liebesbriefe und Bravo-Leser in deutschen Jugendzimmern träumten nachts von ihr: In den 1960er Jahren schwärmte die Welt von einer jungen Französin mit langen Beinen, Pony und zarter Stimme. Jetzt ist Françoise Hardy im Alter von 80 Jahren gestorben. „Maman ist gegangen“, schrieb ihr Sohn Thomas Dutronc am Dienstagabend in den sozialen Netzwerken. Frankreichs Kulturministerin Rachida Dati würdigte Hardy als eine„Legende des französischen Chansons“.
Die 1944 in Paris geborene Hardy trat 1962 im kleinen Schwarzen auf die große Weltbühne. Ihr Chanson „Tous les garçons et les filles“, den die damals 18-Jährige selbst geschrieben hatte, wurde zum Hit. Dabei hatte sie erst zwei Jahre zuvor ihre erste Gitarre bekommen. „Alle sind verliebt, alle sind zu zweit, nur ich, ich bin allein“, heißt es in dem Lied. Dieses Gefühl konnten Teenager nur zu gut nachvollziehen – in wenigen Tagen verkaufte sich „Tous les garçons et les filles“ mehr als vier Millionen Mal. Ein Jahr später trat sie mit „L’amour s’en va“ beim Grand Prix Eurovision de la Chanson an und kam auf Platz fünf.
Hardy sang auch auf Deutsch, das nur ein bisschen kitschige „Frag den Abendwind“ zum Beispiel oder das muntere „Ich sag’ ja“. Ihr Deutsch hatte sie bei einer österreichischen Familie nahe Innsbruck gelernt, wo sie acht Jahre lang ihre Sommerferien verbrachte. Später studierte sie ein Jahr an der Pariser Sorbonne Germanistik. Es war nicht nur der charmante französische Akzent, wegen dem sich deutsche Jungs in Françoise Hardy verknallten, es war auch ihr Look: Mit Miniröcken, Ringelshirts und ihrem lässigen überlangen Pony wurde die Französin zur Stilikone der Swinging Sixties.
Mick Jagger schwärmte für sie und Bob Dylan spielte sich auf seiner Gitarre die Finger wund, um sie zu beeindrucken. Dem „Zeitmagazin“ verriet Hardy: „Er war anscheinend so von mir besessen gewesen, wie man das wohl nur sein kann, wenn man noch jung ist.“ Sie verliebte sich in ihren französischen Künstlerkollegen Jacques Dutronc mit dem sie Sohn Thomas bekam. Eine „amour fatal“: „Wir haben zusammengelebt, im selben Haus in getrennten Wohnungen“, sagte sie einmal in einem Interview. Das Paar trennte sich 1988, ohne sich jemals scheiden zu lassen.
In ihrer über 40-jährigen Karriere hat die Pariserin mehr als 25 Alben geschaffen und unsterbliche Lieder. Hardy schrieb einige der schönsten französischen Chansontexte wie „La Question“, „Tant de belles choses“ und „Et si je m’en vais avant toi“.
2023 wählte das US-Magazin „Rolling Stone“ sie in seine Liste der 200 größten Sängerinnen und Sänger aller Zeiten – als einzige Vertreterin Frankreichs. „Mein ganzes Leben lang war ich auf der Suche nach schönen Melodien“, sagte Hardy im Jahr 2018.
Die Chansonnière litt seit 2004 an Lymphdrüsen- und Rachenkrebs und musste 55 Strahlentherapien über sich ergehen lassen. Ihr Leidensweg machte sie zu einer Verfechterin der Sterbehilfe: „Jemanden, der unheilbar krank ist, unerträglich leiden zu lassen, bis er stirbt, ist unmenschlich“, sagte Hardy 2021. In einem bewegenden Brief hatte die Sängerin im Dezember vergangenen Jahres Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron gebeten, die Sterbehilfe zu legalisieren.