Welche Folgen können Stromausfälle haben? Sogar das Absetzen von Notrufen kann sich in diesem Fall schwierig gestalten. (Symbolbild) Foto: Settnik

Wie man sich auf einen langen Stromausfall vorbereiten kann, haben wir kürzlich verraten. Doch wie realistisch ist dieses Szenario überhaupt? Und was würde dann mit der kritischen Infrastruktur passieren? Kann man bei Stromausfall noch Notrufe absetzen? Hier gibt es Antworten rund um das Thema.

Eine großflächige, länger dauernde Unterbrechung der Stromversorgung kann schwere Auswirkungen haben, die das Funktionieren nahezu aller Gesellschaftsbereiche stören können. Die Ministerien des Landes Baden-Württemberg sowie die Netze BW haben geholfen, die wichtigsten Fragen zum Thema Stromausfall zu klären. Ein Faktencheck. 

 

Wie wahrscheinlich ist ein großflächiger, lang anhaltender Stromausfall?

Aufschluss über die Netzqualität in Deutschland gibt der "System Average Interruption Duration Index" (SAIDI), der die durchschnittliche Unterbrechungsdauer der Stromversorgung wiedergibt. Der Wert für 2020 lag mit 10,7 Minuten auf dem niedrigsten Stand seit Beginn seiner Veröffentlichung im Jahr 2006. Auch im europäischen Vergleich hatte Deutschland in der Vergangenheit einen der niedrigsten SAIDI-Werte. Bisher gab es keinen einzigen großflächigen, lang anhaltenden Stromausfall in Baden-Württemberg. 

Für die Zuverlässigkeit der Stromversorgungsnetze sind die Netzbetreiber zuständig. "Die längste Störung bei uns innerhalb der letzten zehn Jahre hat knapp über sechs Tage gedauert", sagt Alexander Probst, Leiter der Netzführung Strom und Gas bei der Netze BW. "Davon war aber nur eine einzelne Umspannstation eines Aussiedlerhofs in sehr unwegsamem Gelände aufgrund von Starkschnee betroffen." Die Leitung habe zunächst wegen der Gefahr durch umstürzende Bäume nicht repariert werden können. "Bei Bedarf setzen wir Aggregate für eine kurzfristige Stromversorgung ein."

Großflächige Störungen von längerer Dauer sind eher selten, bestätigt Probst. Im Gebiet der Netze BW treten jede Woche mehrere Störungsmeldungen auf, wobei nicht jede eine Versorgungsunterbrechung nach sich ziehe. In der Regel seien Stromausfälle regional begrenzt. Dennoch könne es in Einzelfällen auch zu großräumigeren Störungen kommen. Beispielsweise bei stürmischen Großwetterlagen, oder wenn mehrere Defekte in einem Netzgebiet auftreten. Tritt ein Defekt auf, verursacht dieser eine Überspannung in der gesamten Netzgruppe. Dabei können Schwachstellen - wie eine undichte Stelle an einer Kabelisolierung - , die bisher nicht erkennbar waren, weitere Folgefehler auslösen, wie es vor kurzem in Oberndorf der Fall war.

Was sind die häufigsten Gründe?

Stromausfälle können ganz unterschiedliche Ursachen haben. Zu den häufigsten Gründen gehören Baumaßnahmen (sogenannte Baggerbisse) oder Kurzschlüsse an Erdkabeln. Aber auch extreme Wetterereignisse wie starker Wind oder Schneefall können Schäden an der Netzinfrastruktur verursachen.

Was passiert bei Stromausfall mit dem fließenden Wasser und der Heizung?

Beim einem Ausfall ist alles betroffen, was Strom benötigt, teilt das Umweltministerium mit. Das gilt auch für Pumpen, die in Wasserwerken zum Einsatz kommen. Primär verantwortlich für die Gewährleistung der Trinkwasserversorgung sind die kommunalen Wasserversorgungsunternehmen. Die Wasserversorgung zählt zu den kritischen Infrastrukturen. Die Versorger müssen in ihrem Gebiet Notfallpläne erstellen, teilt das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) auf Anfrage mit. Dabei können für Stromausfälle auch Notstromaggregate vorgesehen sein, die die Pumpen am Laufen halten.

Trinkwasserspeicher, also Hochbehälter, aus denen das Wasser im freien Gefälle in die Ortsnetze abgegeben wird, sind außerdem so dimensioniert, dass die Wassermenge für die zu versorgende Bevölkerung für ein bis zwei Tage ausreicht. Stehen Notstromaggregate nicht oder nicht mit ausreichender Kapazität zur Verfügung und gibt es auch keine andere Möglichkeit, die Speicherbehälter zu befüllen, wird die Bevölkerung mit abgepacktem Wasser oder direkt aus Tankwagen versorgt.

Wasser aus der Regentonne kann als Brauchwasser, zum Beispiel für die Toilette, unbedenklich verwendet werden. Für den Verzehr und zur Körperhygiene sollte jedoch Wasser mit Trinkwasserqualität oder abgepacktes Wasser verwendet werden, empfiehlt das MLR.

Da Heizungen Strom für ihren Betrieb, zum Beispiel für die Regelung und für die Umwälzpumpen benötigen, würden sie ebenfalls nicht mehr funktionieren, wenn es zu einem Stromausfall kommt.

Wie lange kann ein Kühlschrank im Schnitt ohne Strom bleiben, bevor alles auftaut?

Das hängt von unterschiedlichen Faktoren wie Hersteller, Größe, Befüllung ab. Generell hält der Kühlschrank die Kälte aber am längsten, wenn er geschlossen bleibt.

Ist man mit eigenen Solaranlagen von einem Stromausfall trotzdem betroffen?

Ja, denn bei einem Ausfall des öffentlichen Stromnetzes schaltet sich der Wechselrichter der Solaranlage automatisch ab. Das ist so vorgesehen, damit die nötigen Arbeiten am Netz zur Wiederherstellung der Stromversorgung vorgenommen werden können, erklärt das Umweltministerium. Dazu müssen alle Leitungen abgeschaltet sein.

Allerdings gebe es Möglichkeiten, wie der Solarstrom aus der eigenen Photovoltaikanlage im Notfall zur Stromversorgung im eigenen Haus zum Einsatz kommen kann. Dazu muss die Anlage mit einem entsprechenden Wechselrichter ausgestattet sein, der sie im Falle eines Stromausfalls nicht abschaltet, sondern das Hausnetz vom öffentlichen Netz trennt.

Wie kann sich die Bevölkerung ohne Strom informieren? 

Um die Menschen vor Gefahren zu warnen, setzt das Land Baden-Württemberg auf das im gesamten Bundesgebiet verfügbare satellitengestützte Warnsystem MoWaS des Bundes. Es kann von den für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden von der Gemeinde- bis zur Landesebene eingesetzt werden. Derzeit sind an MoWaS die Warn-Apps Nina, Katwarn und Biwapp, einige regionale Warn-Apps, Rundfunk- und Fernsehanstalten, Zeitungsredaktionen und Onlinedienste, digitale Stadtinformationstafeln und einige Verkehrsunternehmen angeschlossen.

Alle Warnmeldungen werden auch auf der Internetseite vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe veröffentlicht. Zukünftig sollen auch Sirenen an MoWaS angebunden werden.

Darüber hinaus können, soweit vorhanden, auch lokale Warnmittel wie Sirenen oder Lautsprecherdurchsagen aus Fahrzeugen eingesetzt werden. Je nach konkretem Fall sind auch persönliche Ansprachen der Haushalte durch Gemeindebedienstete oder Einsatzkräfte möglich, merkt das Innenministerium an. "Damit die Menschen auch bei einem Stromausfall Warnungen erhalten, empfehlen wir, ein batteriebetriebenes Radio und Ersatzbatterien zu Hause zu haben", so ein Sprecher des Ministeriums. "Als Alternative bietet sich das Autoradio an."

Wie kann man bei Stromausfall Notrufe absetzen, wenn das Handy leer ist?

Auch wenn die Integrierten Leitstellen von Feuerwehr und Rettungsdienst (ILS) bei einem Stromausfall dank eigenen Netzersatzanlagen noch arbeitsfähig sind, kann der Notruf trotzdem scheitern. Nach wenigen Minuten kann die Nummer 112 nicht mehr genutzt werden, weil die öffentlichen Telefonnetze - sowohl Mobilfunk als auch Festnetz - bei einem Stromausfall ebenfalls streiken. Wegen der heute üblichen All-IP-Anschlüsse braucht es für das Telefonfestnetz einen Internetrouter. Da diese Endgeräte meist nicht über eine Notstromversorgung verfügen, fallen Festnetzanschlüsse bei einem Stromausfall unmittelbar aus - selbst dann, wenn die genutzte Vermittlungsstelle des Internet- und Telefonanbieters über eine Netzersatzanlage verfügt, teilt das Innenministerium mit.

Die Einsatzkräfte vor Ort kommunizieren in solchen Fällen in der Regel über die Funknetze der Behörden. Die sind so errichtet, dass sie auch bei Ausfall der öffentlichen Stromversorgung funktionsfähig gehalten werden können. Darüber hinaus ist laut Innenministerium – soweit bei den jeweiligen Behörden und Einsatzkräften vorhanden – auch der Einsatz von Satellitentelefonen möglich.

Die Bürger können im Notfall bei Polizeidienststellen, Feuerwachen und Feuerwehrhäusern Hilfe erhalten.

Wie lange halten die Notstromaggregate in Krankenhäusern?

Laut Baden-Württembergischer Krankenhausgesellschaft (BWKG) gibt es in nahezu jedem Krankenhaus im Land Notstromaggregate. Die Laufzeiten sind stark abhängig von der Treibstoffversorgung - in der Regel reicht der Treibstoff für mindestens zwei bis drei Tage ohne nachtanken.

Was tut man bei einem Stromausfall im Aufzug oder Ski-Lift?

Grundsätzlich gilt: Ruhe bewahren, über Notruftaste oder Mobiltelefon Hilfe rufen oder anderweitig auf sich aufmerksam machen und in der Regel abwarten, bis die Befreiung durch Hilfskräfte erfolgt.

Wie gehen Netzbetreiber im Fall einer Störung vor?

"Im Mittel- und Hochspannungsnetz bekommen wir einen Stromausfall durch die Fernüberwachung der Netze direkt in unseren Leitstellen mit", erklärt Probst von Netze BW. "Sobald die Störung eintritt, alarmieren wir unseren Bereitschaftsdienst, der schnellstmöglich vor Ort fährt, um sich ein Bild von der Störung zu machen." Der Fehlerort werde eingegrenzt und Schalthandlungen zur Wiederversorgung unternommen. Dann können die eigentlichen Reparaturmaßnahmen beginnen.