Russlands Außenminister Sergei Lawrow und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (damals Außenminister) 2016 bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Ein Foto, das für Furore sorgt. Foto: Archiv/Marc Müller

Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt fragt nach den Nutzungsrechten an einem Foto. Es zeigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und den russischen Außenminister Lawrow, stammt aus dem Jahr 2016 und geht plötzlich auf Twitter viral. Was ist da los?

Über einen Monat nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine geht auf Twitter ein Foto viral. Es zeigt Russlands Außenminister Sergei Lawrow und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier lehnt entspannt in einem Stuhl, Lawrow legt ihm - scheinbar im Vorübergehen - die Hand auf den Oberarm. Steinmeier hebt seine Hand, berührt Lawrow am Unterarm. Eine Momentaufnahme, entstanden im Jahr 2016 auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Festgehalten von dem in München lebenden Foto- und Videojournalisten Marc Müller. Müller stammt aus Balingen, war einst freier Mitarbeiter unserer Redaktion. Und so erschien auch das Foto, welches dem jetzigen Bundespräsidenten und damaligen Außenminister auf Twitter aktuell einen Shitstorm beschert, auf der Homepage des Schwarzwälder Boten. Im Rahmen eines Berichts über Marc Müllers Einsatz auf der Sicherheitskonferenz.

Nun - im Zuge des Angriffskriegs auf die Ukraine - macht das Foto eine zweite Karriere. ZDF, Welt und Spiegel fragten wegen der Nutzungsrechte an. Teils bei unserer Redaktion, teils direkt bei Müller. Selbst der geschasste Bild-Chefredakteur Julian Reichelt ließ über seine neu gegründete Rome Medien GmbH anfragen. Betreff der E-Mail: Dringend. Reichelt veröffentlicht das Foto auf seinem Twitter-Kanal, bezeichnet Steinmeier als einen "Freund des Putin-Regimes", der "seit Jahren aus Überzeugung an der Seite dieser Kriegsverbrecher" stehe und somit "nicht mehr Präsident der Deutschen sein" könne. 

Bei der Welt findet sich das Foto in einem Kommentar wieder, welcher der deutschen Außenpolitik Naivität im Umgang mit Russland attestiert. Hier ist der Ursprung des Fotos korrekt wiedergegeben. Auch dieser Beitrag wird auf Twitter rege geteilt. Doch längst nicht jeder, der das Foto auf seinem privaten Account veröffentlicht, stellt es in den richtigen Kontext. Neben den zahlreichen Posts, in denen Steinmeier als "Putinversteher" und "Lawrow-Kumpel" beschimpft wird, machen sich Fake-News breit. Etwa, "Lawrow bedankt sich bei Steinmeier für seine Unterstützung bei der Vorbereitung des Überfalls auf die Ukraine". Einige User interpretieren das Foto gar als "homoerotisch". Andere posten süffisant: "Ich will doch nur jemanden, der mich hält, wie Steinmeier Lawrow". 

Fotograf erinnert sich an Szene

Die Momentaufnahme einer beiläufigen Begrüßung wird so zum scheinbaren Beleg einer unangebrachten Männerfreundschaft, aus der eine verfehlte Außenpolitik resultierte. Was in der hitzigen Twitter-Debatte annähernd untergeht: Just vor der Münchner Sicherheitskonferenz war der Ton zwischen Berlin und Moskau eher eisig. Steinmeier hatte Lawrow "politische Propaganda" vorgeworfen, nachdem dieser der Bundesrepublik unterstellt hatte, die Vergewaltigung eines russlanddeutschen Mädchens aus innenpolitischen Gründen unter den Teppich gekehrt zu haben. Auch der Spiegel berichtete damals

Fotograf Marc Müller schildert die Situation vor sechs Jahren so: Als offizieller Fotograf der Sicherheitskonferenz sei es seinem Team und ihm erlaubt gewesen, direkt an der Bühne zu fotografieren. Dort habe auch der damalige Außenminister Steinmeier gesessen. Das Foto zeige die Begrüßung der beiden Außenminister vor der Veranstaltung. "Auch wenn dieses Bild  - wie im Internet mittlerweile intensiv diskutiert wird - sehr vertraut wirkt, handelte es sich in meinen Augen um eine alltägliche und somit normale Begrüßung zweier Politiker. Bei politischen Anlässen kommt es regelmäßig vor, dass sich Politiker mit entsprechenden Gesten begrüßen oder sich teils auch in den Arm nehmen." Eine besondere Nähe zu Russland könne er aus dieser Momentaufnahme nicht ableiten, so Müller.