Lewis Hamilton und der W08. Foto: dpa

Erstmals ohne Nico Rosberg, dafür mit vielen Neuerungen hat Mercedes seinen neuen Formel-1-Boliden präsentiert. Ab jetzt lautet die Frage: Ist es das Weltmeisterauto für Lewis Hamilton?

Stuttgart/Silverstone - Fahrzeugenthüllungen bei Mercedes in der Formel 1 gab es schon einige. Sieben bislang. Und doch war die am Donnerstag eine Premiere, der Roll-out des neuen Silberpfeils. Zwar heißt das Auto offiziell W08 EQ Power+, es ist demnach der achte Mercedes in der Formel 1, seitdem sich der Rennstall selbstständig gemacht hat im Jahr 2010 – doch zum ersten Mal war Nico Rosberg bei der Vorstellung des Boliden nicht dabei. Der Weltmeister, der nach seinem Titel 2016 überraschend zurückgetreten war, hatte Mercedes seit 2010 als Fahrer begleitet.

Also musste sich der Mercedes W08 neben Dreifach-Champion Lewis Hamilton auch von Neuling Valtteri Bottas einführen lassen in die Welt des Motorsports. Und der konnte es natürlich „kaum abwarten, endlich damit zu fahren. Für mich ist das ein ganz großer Tag“, sagte der Finne und fasste seinen derzeitigen Status kurz zusammen: „Ich beginne ein neues Kapitel meiner Karriere – neues Team, neue Regeln, alles ist neu.“

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Hamilton begeistern die vielen Details

Der dreimalige Champion Lewis Hamilton, der zum vierten Mal ein riesiges Leintuch von einem Silberpfeil gezogen hatte, strahlte selbstverständlich ebenfalls, das gehört bei einer Fahrzeugpräsentation schließlich seit Jahren zur Regieanweisung. „Die Zeit, in der das neue Auto entsteht, ist die spannendste des Jahres. Als Fahrer habe ich dann das Privileg zu fühlen, wie es ist und wofür das gesamte Team so hart gearbeitet hat.“ Der 32-Jährige meinte, das Auto sehe „unglaublich aus, er ist ein kraftvolles Biest“, was freilich kein Indiz für die Leistungsfähigkeit darstellt. „Es ist so ziemlich das detaillierteste Auto der Formel-1-Geschichte“, bemerkte der Engländer zudem, was verdeutlichen sollte, dass die Ingenieure ziemlich viel Zeit in die Entwicklung gesteckt hatten.

Wie schnell, zuverlässig und robust der zugegebenermaßen sehr schnittige W08 tatsächlich ist, davon konnten sich Hamilton und Bottas an diesem windigen Donnerstag auf der Rennstrecke von Silverstone nicht überzeugen. Die Präsentation war Teil des offiziellen 100-Kilometer-Filmtags des Teams, in dessen Verlauf der Silberpfeil seine ersten Runden auf dem 2,96 Kilometer langen Asphaltband absolvierte. „Es handelt sich lediglich um einen Roll-out“, sagte Hamilton, „wo das Limit des Autos ist, wie die Reifen funktionieren, das müssen wir noch herausfinden.“ Die erste Testphase der Formel 1 beginnt am 27. Februar in Barcelona und dauert bis zum 1. März, Test Nummer zwei vor Saisonbeginn ist vom 7. bis zum 10. März ebenfalls auf der Circuit de Catalunya.

Auf die Tests sind alle gespannt

Auf diese Tage sind sie alle gespannt in der Formel 1. Die Fans, die Teams, die Sponsoren und die Medien allesamt gleichermaßen, um einen ersten Eindruck zu bekommen, wie denn das Kräfteverhältnis für die Saison 2017 in etwa aussehen könnte. Das Reglement für 2017 wurde entwickelt, um durch einen deutlichen Zuwachs an aerodynamischem Leistungsvermögen die schnellsten Rennwagen der Formel-1-Geschichte zu erhalten. Größere Maße beim Fahrzeug und bei den Reifen, allerhand aerodynamische Zugeständnisse wurde den Ingenieuren gemacht, so dass sie sich an ihren Rechnern austoben konnten. Was dabei herausgekommen ist, weiß trotz guter Simulationsprogramme noch keiner so wirklich.

Auch nicht Toto Wolff. „Die Autos sollten für die Fahrer schwieriger zu fahren sein und aus Sicht der Fans spektakulärer aussehen. Den Beweis werden die ersten Rennen erbringen“, sagte der Mercedes-Motorsportchef und blickte zufrieden aus dem Teamhemd: „Voraussichtlich haben wir dieses Ziel erreicht.“ Dass Mercedes als bis dato alles beherrschende Macht in der ersten Motorsport-Liga durch die Neufassung des technischen Reglements eher etwas zu verlieren als zu gewinnen hat, das treibt den Österreicher in etwa so um, als würde im Wiener Prater der Rasen einen Zentimeter kürzer gemäht werden als früher. „Wir müssen beide Füße auf dem Boden behalten“, sagte Wolff, „noch hat kein Team ein Rennen bestritten. Somit haben wir alle noch die gleiche Punktzahl: nämlich null.“ Bis zum Saisonstart am 26. März in Melbourne wird sich daran nichts ändern.

Das ist neu in der Formel 1 2017

Das technische Reglement der Formel 1 wurde geändert, die Autos sind bulliger, kräftiger – und dank der Aerodynamik etwa sechs Sekunden pro Runde schneller. Motor: Künftig sind pro Fahrzeug nur vier (bisher fünf) Motoren erlaubt. 2018 werden es nur noch drei Power-Units sein – Verbrennungsmotor, Turbo sowie Hybrideinheiten. Am Triebwerk darf ohne Einschränkung gebastelt werden, die Token-Regelung (bestimmte Anzahl von Änderungen) gilt nicht mehr. Weil nur vier Motoren zulässig sind, ist die Entwicklung ohnehin begrenzt. Werden mehrere Motorenelemente neu eingebaut, dürfen im Rennen danach nur die neuesten Elemente verwendet werden. Damit soll verhindert werden, dass ein Fahrer mit einer einzigen Strafe viele neue Motoren bunkert. Benzin: Das Spritlimit pro Grand Prix wurde von 100 auf 105 Kilogramm erhöht. An einem Rennwochenende dürfen nur zwei Benzinsorten verwendet werden, bislang gab es keine Beschränkung. Chassis: Ist der Wechsel des Chassis nach Beginn des dritten Trainings notwendig, muss ein Pilot aus der Boxengasse starten. Früher galt die Regel erst ab dem Qualifying. Reifen: In den ersten fünf Rennen sucht aus Sicherheitsgründen Pirelli die Reifenmischungen, danach haben die Teams die Wahl. Die Reifen wachsen vorne auf 305 Millimeter (bisher 245), hinten auf 405 (325). Regenrennen: Bei Nässe wird hinter dem Safety-Car stehend gestartet. Gewicht: Die Autos werden 20 Kilogramm schwerer. Das Gesamtgewicht darf nicht unter 722 Kilogramm liegen. Maße: An den Rädern steigt die Gesamtbreite von 180 auf 200 Zentimeter. Das Chassis ist 160 Zentimeter breit (zuvor 140). Der Frontflügel besitzt V-Form und ist 180 Zentimeter (165) breit. Der Heckflügel ist um 20 auf 95 Zentimeter gewachsen. Aerodynamik: Der Diffusor, der Abtrieb an der Unterseite des Autos erzeugt, wächst in Länge und Breite. Auch am Cockpit gibt es größere Freiheiten. Die Leitbleche vor den Seitenkästen werden größer. Helm: Den Fahrern ist ein Wechsel der Helmlackierung erlaubt. Wechselt ein Pilot das Team, darf er sie ebenfalls straffrei ändern.