Lewis Hamilton auf verlorenem Posten: Das aerodynamische Konzept des Mercedes W13 mit extrem schmalen Seitenkästen erwies sich in dieser Saison als Flop. Foto: IMAGO/HochZwei

Rennstall Mercedes hat längst mit der Entwicklung des Autos für die nächste Saison begonnen, das ist nicht zwingend ein Trumpf gegen Red Bull – den hält jemand anderes.

Das war in dieser Deutlichkeit und zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten. Lewis Hamilton möchte Mercedes in der Formel 1 noch ein paar Jahre erhalten bleiben. „Die Frage ist nicht, ob, sondern wann“, antwortete der Brite vor dem Großen Preis von Mexiko an diesem Sonntag (21 Uhr) auf die Frage, ob er seinen 2023 endenden Vertrag verlängern werde. Mercedes sei „seine Heimat, seine Familie, seit ich 13 Jahre alt war“, sagte Hamilton. Nachdem es zur Jahreswende 2020/21 ein schier endloses Gezerre um einen neuen Kontrakt gegeben hatte, regelmäßig über Motivationslücken des Rekordweltmeisters spekuliert wurde, hat das klare Bekenntnis überrascht, weil die Saison gar nicht nach Wunsch des Megastars läuft. Dem 37-Jährigen droht die erste Saison ohne Sieg seit seiner Formel-1-Premiere 2007.

Womöglich liegt diese Absichtserklärung mit daran, dass sich Mercedes nach dramatischen Problemen („Bouncing“) und zermürbenden Ergebnissen nach der Sommerpause allmählich verbessert hat und Hamilton zuletzt in den USA Zweiter geworden ist – wenngleich der Abstand zu Champion Max Verstappen und Red Bull noch immer ziemlich astronomisch ist. Womöglich liegt es auch daran, dass Mercedes ein paar Dinge in der Pipeline hat, die den Silberpfeil nächste Saison noch einen Tick schneller machen. Hamiltons Teamkollege George Russel hat durchblicken lassen, dass sich was bewegt in Brackley. „Was wir nicht wissen, ist, wie stark sich unsere Rivalen über den Winter verbessern, aber ich bin überzeugt, dass wir 2023 ein kompletteres Auto für alle Strecken haben werden“, sagte der 24-Jährige. Die Ingenieure verfolgen beim Bau des Fahrzeugs eine neue Designphilosophie, die kühnen Experimente rund um die Seitenkästen beim Bau des aktuellen W13 waren ein Flop – längst konzentriert sich Mercedes auf die Entwicklung des 2023er-Modells, was Technikchef Mike Elliot in den USA indirekt einräumte. „Die Verbesserungen sind eine Mischung aus Updates für dieses Jahr, und sie sind dazu da, um zu verstehen, ob wir uns für 2023 in die richtige Richtung bewegen“, sagte der 48 Jahre alte Aerodynamiker.

Nun ist die Truppe rund um Teamchef Toto Wolff nicht die einzige, die bereits das Auto für die nächste Saison zusammenbastelt, die frühe WM-Entscheidung zugunsten von Max Verstappen hat alle Rennställe in die Lage versetzt, sich in den Technikerstuben mehr der Zukunft zu widmen als der Gegenwart. Unter diesem Aspekt konnte Mercedes kaum einen nennenswerten Vorsprung gegenüber den Rivalen Red Bull und Ferrari erringen, weil der Kampf um den WM-Titel schon Mitte des Jahre abgehakt werden musste. „Der Zeitfaktor ist nicht mehr so mitbestimmend, wie das früher der Fall war“, betont Christian Danner, „viel limitierender für die Entwicklung ist mittlerweile das Budgetlimit.“ Diese Kostenbremse hemmt die Entwicklungsgeschwindigkeit, weil jeder Dollar nur einmal ausgegeben werden kann, ganz gleich, wann – zuvor konnten die wohlhabenden Teams ganze Reihen von Entwicklungsschritten vorzeitig abarbeiten, um das bestmögliche Ergebnis zu evaluieren und umzusetzen.

Entscheidend im Kampf um die Pole-Position für die neue Saison ist aus Sicht des 64 Jahre alten Ex-Rennfahrers das Strafmaß für Red Bull wegen der Budgetüberschreitung in der Saison 2021. Wird im Urteil des Weltverbands Fia dem Weltmeisterteam das Budget für Verbesserungen gekürzt oder die Zeiten für Erprobung (etwa im Windkanal) verringert, hätte dies Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit des neuen Wagens von Max Verstappen. In der Branche gilt die Faustregel: Mit einer Million Dollar Entwicklungseinsatz sinkt die Rundenzeit um 0,1 Sekunden. „Wenn das Urteil in diese Richtung geht“, sagt Danner, „tut das Red Bull weh.“ Dann sind die Hauptkonkurrenten Ferrari und Mercedes in der Lage, den Rückstand auf den Branchenführer signifikant zu verkürzen – vorausgesetzt, die Ingenieure manövrieren sich bei der Konstruktion des neuen Autos nicht in eine Sackgasse.