Der stets gut gelaunte Rennfahrer Daniel Ricciardo kehrt in die Formel 1 zurück – mit 34 Jahren und hohen Erwartungen.
Sie können es nicht lassen: Formel-1-Rennfahrer im besten Alter, die in den Ruhestand gezwungen werden, bringt der innere Antrieb immer wieder zurück an die Pisten – das war bei Alain Prost so, auch bei Michael Schumacher, bei Kimi Räikkönen oder Fernando Alonso auch. Beim Großen Preis von Ungarn meldet sich Daniel Ricciardo zurück im Cockpit.
Der Australier versucht einen Neuanfang bei Alpha Tauri, dem Talentschuppen von Red Bull Racing – mit 34. Von dort aus muss er mühsam versuchen, noch einmal eine Chance im Topteam zu bekommen. Auf einen Job an der Seite von Max Verstappen, den er vor fünf Jahren wohl zu leichtfertig ausgeschlagen hatte. Die neuerlich ungewöhnliche Wendung seiner Achterbahnkarriere ist getrieben von der Sucht nach dem Leben am Limit. Ricciardo war derjenige, der den vierfachen Weltmeister Sebastian Vettel gestürzt hatte. Die neue Aufgabe beim Schlusslicht aus Faenza ist mindestens so schwierig: Die Rückkehr könnte sich auch als ein weiterer Rückschritt entpuppen.
Die Formel 1 ist aber erst einmal froh, dass Ricciardo nach einem halben Jahr wieder zum Stammpersonal gehört – mit seiner guten Laune und dem Dauerlächeln gehört er zu den beliebtesten Fahrern. Kein schlechter Empfang nach der Odyssee über Renault und McLaren, wo er nicht bloß keinen Erfolg hatte, sondern ein Stück weit auch der Glaube an sich selbst verloren ging. Red-Bull-Teamchef Christian Horner berichtet jedenfalls von einem ersten Simulatortest, der ein „Desaster“ gewesen sei: „Wir haben ihn nicht wiedererkannt. Er sah ziemlich gebrochen aus. Und er hat sich jede nur erdenklich schlechte Angewohnheit angeeignet.“
In der alten Umgebung blühte er auch als Ersatzmann schnell auf, und als es daran ging, den punkt- und glücklosen Debütanten Nyck de Vries bei Alpha Tauri zu ersetzen, legte Ricciardo einen Reifentest im Weltmeisterauto hin, der ihn von der Rundenzeit her beim letzten Rennen in Silverstone in die erste Startreihe gebracht hätte. Und das nach sieben Monaten Entwöhnung von einem richtigen Cockpit. Danach war die Entscheidung klar. Noch während Ricciardo seine Testrunden in Silverstone drehte, erfolgte der Anruf bei de Vries. Offiziell ist Daniel Ricciardo erst einmal nur an das Schwesterteam ausgeliehen.
Nicht nur nett und fürsorglich
Es ist natürlich nicht bloß reine Nettigkeit oder Fürsorge, für solche Gepflogenheiten ist das gnadenlose Red-Bull-System auch kaum bekannt. Ricciardo soll bei seiner zweiten Chance indirekt auch Verstappens Ersatzmann Sergio Perez unter Druck setzen. Der Mexikaner harmoniert null mit dem Niederländer und hat zuletzt gewaltig an Leistung verloren. Was sein bis Ende kommenden Jahres laufender Vertrag wert ist, wird sich zeigen. Keiner scheint dem anderen mehr zu trauen. Ricciardo ist ein probates Druckmittel. Spätestens 2025 will er den Job von Perez, das hat er Horner auch ausdrücklich so gesagt. Wie sehr muss er sich wohl ärgern, damals eine angeblich mit mehr als 20 Millionen Euro dotierte Offerte für den Arbeitsplatz ausgeschlagen zu haben, um den er jetzt wieder kämpft?
Noch gibt sich derweil Perez, der schon 99 Punkte hinter dem dominierenden Teamkollegen Verstappen zurückliegt, nicht beunruhigt über Ricciardos Ansinnen: „Ehrlich gesagt ist mir das völlig egal. Ich bin seit 13 Jahren in der Formel 1 und habe schon alles erlebt. Darüber mache ich mir keine Sorgen. Ich konzentriere mich hauptsächlich darauf, meine Saison zu Ende zu bringen.“
Applaus für den Rückkehrer
Und der andere muss ja erst wieder ankommen. Beim ersten Arbeitstag in der Alpha-Tauri-Zentrale standen alle Spalier und beklatschten den verlorenen Sohn. Aber Freundlichkeit allein bringt weder Ricciardo noch das Team nach vorn. Jetzt muss er aktive Entwicklungshilfe an dem Ort leisten, wo 2012 seine Grand-Prix-Karriere begonnen hatte. Die wiederentdeckte Leidenschaft und die persönliche Motivation sollen Alpha Tauri dorthin bringen, wo Red-Bull-Sportchef Oliver Mintzlaff den von ihm kritisch beäugten Rennstall gern hätte. Mentor Horner sieht dafür gute Chancen: „Nach Daniels Test konnte ich fast die Erleichterung in seinen Augen sehen. Es war, als würde eine Last von seinen Schultern fallen, dass er es immer noch draufhat.“ So ging es schnell wieder raus aus dem Exil.
Ricciardo ist vor seinem 233. Formel-1-Rennen am Sonntag in Budapest (15 Uhr) in einem Stimmungshoch: „Alpha Tauri hat sich stark verändert, seit ich vor zehn Jahren das letzte Mal für das Team gefahren bin, aber ich habe mich auch gleich wieder zu Hause gefühlt.“ Und das Auto? „Es wird so sein, wie es eben ist“, sagt Daniel Ricciardo.