245 MedTech-Herstellerunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sehen Arbeitsplätze und Patientenversorgung in Gefahr.
Die europäischen Verordnungen für Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR) hemmen Innovationen, gefährden die Versorgungssicherheit und setzen den europäischen MedTech-Standort zunehmend unter Druck. Allein im Kammerbezirk Schwarzwald-Baar-Heuberg hängen mehr als 14 000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit der Medizinbranche zusammen, gibt der Branchenverband Medical Mountains an.
Angesichts der Rückmeldungen fordern die MedTech-Verbände BVMed, MedicalMountains, Spectaris und VDGH eine zügige und zielgerichtete Revision beider Regelwerke.
„Die Ergebnisse sind ein Weckruf“, erklären sie. Und weiter: „MDR und IVDR müssen dringend nachjustiert werden, sonst verliert Europa an Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, Verlagerungen von Innovationen und in Teilen Produktionen ins Ausland sowie einer Verschiebung von Wertschöpfung. Wir brauchen eine Regulierung, die Innovation ermöglicht, statt sie zu verhindern.“
Die Verbände befürchten einen massiven Rückgang von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, Verlagerungen von Innovationen und in Teilen Produktionen ins Ausland sowie einer Verschiebung von Wertschöpfung und Know-how in andere Rechtsräume – allen voran Amerika und Asien“, heißt es in dem Ergebnisbericht, der unter anderem an EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi übergeben wurde.
Die Verordnungen wurden mit dem Ziel verabschiedet, einen modernen, transparenten und verlässlichen Rechtsrahmen zu schaffen, der ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleistet und zugleich innovationsfördernd wirkt. Seit ihrem verbindlichen Inkrafttreten zeigt sich jedoch: Die Umsetzung stellt die gesamte Branche vor erhebliche Herausforderungen – mit spürbaren Folgen für Innovationskraft, Produktverfügbarkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der europäischen Gesundheitsindustrie.
Vor diesem Hintergrund haben EU-Parlament, Mitgliedstaaten und Branchenverbände wiederholt eine Vereinfachung und Modernisierung der beiden Rechtsrahmen bei den Politikern gefordert.
Die Europäische Kommission hat bereits 2024 begonnen, die beiden Verordnungen zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Überprüfung sollen in konkrete Legislativvorschläge münden. Insbesondere sollen damit die Bürokratie abgebaut, Verfahren beschleunigt, Berechenbarkeit und Kosteneffizienz gesteigert und die Zukunftsfähigkeit des europäischen MedTech- und In-vitro-Diagnostika-Standorts gesichert werden.
Umfrageergebnisse
Forschung und Entwicklung
53 Prozent der Befragten berichten von einer Reduktion ihrer Projekte aus der Forschung und Entwicklung in den letzten fünf Jahren aufgrund der MDR und IVDR. 46 Prozent dieser Unternehmen verzeichnen einen Rückgang von über 75 Prozent. Bei 20 Prozent der antwortenden Unternehmen kam es zusätzlich zu Personalabbau.
Verlagerung
Über 40 Prozent der Unternehmen haben innovative Produkte nicht mehr in der EU in Verkehr gebracht. Stattdessen wurden mehr als die Hälfte dieser Produkte in anderen Märkten eingeführt – allen voran in den USA, gefolgt von Asien, Südamerika und Kanada.
Sonderanforderungen
38 Prozent geben an, bestimmte Produkte aufgrund nationaler regulatorischer Sonderregeln (beispielsweise Sprachanforderungen, nationale Datenbanken) nicht in allen EU-Mitgliedstaaten anzubieten.
Patentanmeldungen
22 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben einen Rückgang bei Patentanmeldungen in der Europäischen Union an. Als Gründe werden verlängerte Entwicklungs- und Zulassungsverfahren, steigende Kosten und eine erhebliche Verlagerung von Ressourcen in regulatorische Tätigkeiten benannt.
Produktionsstandort EU
Rund ein Drittel der Unternehmen plant eine teilweise oder vollständige Verlagerung der Produktion außerhalb der EU. Ausschlaggebend seien unter anderem steigende Energiekosten, Fachkräftemangel, hohe Lohnkosten, regulatorische Belastung und zunehmende Bürokratie.
Orphan Devices
(Medizinprodukte für kleine Patientengruppen, Nischenprodukte) 64 Prozent an, Produkte aufgrund der MDR/IVDR bereits abgekündigt zu haben. Damit drohen erhebliche Versorgungslücken für besonders vulnerable (verletzliche) und kleine Patientengruppen, so die Mitteilung.