Geschäftsführerin Annegret Rebholz (links) mit ihrer Mutter und Senior-Chefin Sigrid Reihling vor ihrem Geschäft, das Ende Oktober geschlossen wird. Foto: Beyer

"Anne’s Reise-Insel" wechselt ins Homeoffice. Digitalisierung durch Corona-Krise. Web-Buchungen nehmen zu.

Sulz - In der Unteren Hauptstraße gibt es bald ein Traditionsgeschäft weniger. "Anne’s Reise-Insel" schließt Ende des Monats.

Doch die Geschäftsführerin will vom Homeoffice aus weitermachen. Die Corona-Pandemie habe zu dieser Entscheidung beigetragen. Auch andere Reisebüros leiden nach wie vor unter der Krise.

Von großen Reiseanbietern im Stich gelassen

Auf dem Schreibtisch von Annegret Rebholz liegen zwei prall gefüllte Ordner. In diesen hat sie alle Reisen abgeheftet, die sie stornieren musste. Von den großen Reiseanbietern fühlt sie sich im Stich gelassen. "Von März bis jetzt erreicht man telefonisch niemanden", klagt sie.

Kritik an Politik

Und auch die Maßnahmen der Politik sieht sie kritisch. Denn während die Großunternehmen Milliarden erhielten und dennoch nicht bereit wären, gebuchte Reisen zu erstatten, würden die kleinen Reisebüros kaum Hilfen erhalten. "Es ist ein Mords-Rattenschwanz, den Zuschuss zu beantragen", und wenn man das Geld schließlich bekomme, sei es nur "ein Tropfen auf den heißen Stein".

Laut Renate Plocher, Geschäftsführerin des Reisecenters Renate Plocher, tragen die Hilfszahlungen zumindest dazu bei, die Situation etwas zu entschärfen. "Die Politik hat schon reagiert", stellt Plocher klar. Mit Hinblick auf das Beherbergungsverbot findet sie aber ebenfalls kritische Worte: "Die Politik tut alles dafür, den Tourismus plattzumachen."

Im Homeoffice weiterarbeiten

Beide Unternehmerinnen verfolgen unterschiedliche Strategien in der Krise. So wird Rebholz das Geschäft in der Hauptstraße ab 31. Oktober schließen. Die Geschäftsräume will sie ab Januar vermieten. Die Reiseinsel soll aber erhalten bleiben. "Ich habe beschlossen, mich neu aufzustellen, die stationäre Basis zu schließen und im Homeoffice weiterzuarbeiten."

Die Corona-Krise sei zwar der Anstoß zu dieser Entscheidung gewesen, aber nicht der einzige Grund: "Schon vor Corona war absehbar, dass sich der Reisemarkt verändern wird." So würden Reisen immer mehr online gebucht werden. Auch ihre Stammkundschaft habe immer häufiger über das Telefon, E-Mail oder über die Homepage gebucht. Das sei für viele Kunden aus dem näheren Umland praktischer, als nach Sulz zu fahren.

Unternehmen nach 182 Jahren nun ohne Ladengeschäft

Auf diese Weise will sie nun auch in Zukunft weiterarbeiten. "Die Kunden werden nach wie vor betreut, man kann die Reisen weiterhin bei mir buchen", betont Rebholz. Und auch das direkte Kundengespräch sei weiterhin möglich, dazu können sie mit einem Laptop bei den Kunden vorbeikommen.

Da das Unternehmen schon seit 182 Jahren besteht, fällt es Annegret Rebholz nicht leicht, das Geschäft zu schließen. "Ich bin schon ein bisschen traurig, aber ich freue mich auch auf die neue Herausforderung."

Auch Renate Plocher stellt sich darauf ein, dass Reisen vermehrt telefonisch oder über das Internet gebucht werden. So will sie die Krise nutzen, um die Digitalisierung ihres Unternehmens weiter voranzutreiben.

Zeit für Schulungen

"Wir nutzen die Zeit für wertvolle Schulungen", berichtet sie. Mittlerweile seien technische Möglichkeiten vorhanden – parallel zur telefonischen Beratung – den Kunden Angebote über das Internet zu zeigen. Doch sie habe solche Neuerungen schon vor der Pandemie geplant.

Nur noch vom Homeoffice aus zu arbeiten, kann sich Plocher aber nicht vorstellen. Doch angesichts der aktuellen Lage musste sie die Öffnungszeiten reduzieren und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Derzeit habe das Reisebüro nur noch drei Stunden täglich geöffnet, in dieser Zeit sei sie dann mit zwei Kolleginnen für die Kunden da.