Flurneuordnung: In mehr als 20 Jahren haben Landwirte und Naturschutz profitiert / Vorstand hat für Transparenz gesorgt
Nach 21 Jahren ist das Flurneuordnungsverfahren Nusplingen zum Ende gekommen – zu einem guten Ende, darüber waren sich die Beteiligten beim kleinen Festakt einig.
Nusplingen. "Geräuschlos" ist ein Adjektiv, das längst nicht auf alle Flurneuordnungsverfahren zutrifft. In Nusplingen jedoch passt es, wie der 21 Jahre andauernde Prozess gezeigt hat, und das habe wesentlich mit den Vorstandsmitgliedern der Teilnehmergemeinschaft zu tun, betonte Robert Jakob, Präsident des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung, der am Donnerstag zum Festakt – mitten in der herrlichen Natur bei den Harthöfen – gekommen war. Sie seien stets ansprechbar gewesen, auch am Stammtisch, nach dem Kirchgang oder am Gartenzaun. Sie hätten für Transparenz gesorgt, für die Belange des Naturschutzes geworben und gleichzeitig die Interessen der 552 Teilnehmer vertreten, betonte Jakob.
Ein weiterer Erfolgsfaktor waren Susanne Riehle und ihr Team vom Amt für Vermessung und Flurneuordnung, die an die Meilensteine des Verfahrens erinnerte, das 1999 angeordnet worden war. Im Mai 2000 wurden die Vorstandsmitglieder der Teilnehmergemeinschaft um den Vorsitzenden Erich Öffinger gewählt: Willi Braun, Thomas Holl, Robert Staiger und Simon Veeser sowie Werner Horn, Martin Mauch, Johann Georg Dilger, Martin Reiser und Hans Klaiber als deren Stellvertreter. Technisch begann das Verfahren dann tatsächlich 2005 mit dem Ausbau der Wege, der Vermessung und den Ausgleichsmaßnahmen. Ab 2011 wurden den Besitzern ihre neuen Grundstücke zugewiesen, 2014 der Flurbereinigungsplan aufgestellt und 2019 der neue Rechtszustand festgeschrieben. 2020 schließlich folgten die Berichtigungen in Grundbuch und Kataster und erst in diesem Jahr die Endabrechnung des Verfahrens, das somit auch technisch zum Abschluss gekommen ist.
Noch eine Premiere: Im neuen Bürgerhaus feiern die Vorstandsmitglieder
Zwei Bürgermeister – Alfons Kühlwein und sein Nachfolger Jörg Alisch – haben es begleitet, und Alisch nutzte den Abschluss zu einer weiteren Premiere: Alle Beteiligten lud er zum gemeinsamen Mittagessen ins neue Bürgerhaus Heidenstadt ein, das coronabedingt noch nicht offiziell eingeweiht werden konnte.
Außerdem hatte Alisch es stattlich beflaggen lassen – unter anderem mit der Flagge des Zollernalbkreises, dessen Landrat Günther-Martin Pauli das Verfahren als "sehr geräuschlos und sehr professionell" bezeichnete. Die diversen Interessenslagen – Landwirtschaft, Naturschutz, Forst und Klimaschutz – seien zielführend unter einen Hut gebracht worden. Die Nusplinger Landwirte hätten Weitsicht bewiesen in diesem Generationenprojekt, durch mutige Entscheidungen große Veränderungen in Kulturlandschaft und bei Eigentumsverhältnissen mitgetragen und damit den richtigen Weg eingeschlagen, um dem Strukturwandel in der Landwirtschaft zu begegnen.
"Das Ergebnis kann sich sehen lassen", freute sich Pauli, denn alle Ziele seien erreicht worden. Als solche nannte er das bedarfsgerecht ausgebaute weitmaschige Wegenetz, die großen Bewirtschaftungseinheiten und die rechtlich gesicherten Eigentums- und Pachtverhältnisse. Das trage zur Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe bei und sei auch unter Klimaschutzaspekten ein Gewinn.
Würdigte Pauli die Bedeutung einer gut funktionierenden Landwirtschaft für die Produktion gesunder und hochwertiger Lebensmittel in der Region, sprach Jakob den Wert der Kulturlandschaft an, die von Landwirten gepflegt werde: Wie wertvoll sei doch gerade in der Coronavirus-Pandemie eine schöne Landschaft vor der Haustür. Den Absatz-Boom bei Wanderkarten und digitalen Wander-Apps seit 2020 sieht er als deutliches Indiz dafür, wie sehr die Baden-Württemberger ihre schöne Natur schätzten.
Erich Öffinger und seine Kollegen im Vorstand haben viel Arbeit hinter sich – und hätten vor 20 Jahren nicht im Traum damit gerechnet, wie viel sie erreicht haben, betonte er stolz. Die Betriebe hätten viel investiert und seien nun für die nächsten Jahrzehnte gut aufgestellt. Daran, dass manches dennoch nicht in Menschenhand liege, soll der Satz des Dichters Matthias Claudius erinnern, der auf einer Bronzetafel auf dem Gedenkstein – am Wanderparkplatz Rissental unweit der Harthöfe – steht: "Wir pflücken und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht nicht in unsrer Hand." Das eben mache die Landwirte "ehrfürchtig", sagte Öffinger und erinnerte an die inzwischen häufigen Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse.
Zwei Linden und ein Kreuz ergänzen das Ensemble
Den Stein säumen zwei Linden und ein Wegkreuz, die laut Kühlwein seit 2007 dort stehen – an einem Wanderparkplatz, damit auch Besucher von auswärts erfahren könnten, was in Nusplingen geleistet worden sei in einem 21-jährigen Verfahren. Warum so lange? "Wenn man sieht, wie viel bewegt wurde, passt das", betonte Robert Jakob, ehe er den Vorstandsmitgliedern ihre Urkunden überreichte. "Man muss in einem solchen Verfahren auch mal Zeit haben zum Nachdenken. Nimmt man sich die nicht, kommt nix Gescheites dabei heraus."
Die Zahlen zur Flurneuordnung zeigen, wie viel das Verfahren bewegt hat:
n Verfahrensfläche: 1605 Hektarn Teilnehmer: 552
n 4000 Flurstücke wurden zu 1400 Flurstücken zusammengelegt und sind dadurch von durchschnittlich unter 30 Ar auf 1,5 Hektar gewachsen.
n Gesamtkosten: 2,8 Millionen Euro, davon waren 85 Prozent Zuschüsse, insgesamt 2,35 Millionen Euro, von Land und EU
n Freiwilliger Beitrag der Gemeinde Nusplingen: 81 000 Euro und ein Hektar Fläche für Ausgleichsmaßnahmen
n Beiträge der Grundstückseigentümer: 263 000 Euro
n Ausgleichsmaßnahmen und Heckenpflege auf zwei Hektar
n Rund 60 Hektar Fläche im Naturschutzgebiet "Westerberg" sind zur langfristigen Sicherung und Pflege des ökologisch sehr wertvollen Gebietes zusammengelegt und dem Land übereignet worden.n Wegebau: elf Kilometer Asphaltwege, 24 Kilometer Schotter- und 23 Kilometer Grünwege sind entstanden.